Wenn ein Katalog den Museumsbesuch ersetzt
Ausstellung
Das Museum Brot und Kunst gibt ein 200 Seiten starkes Werk heraus, das in Corona-Zeiten passt
Ulm Ein Katalog kann einen Museumsbesuch nicht ersetzen. Im Normalfall ergänzt er ihn, und er hält das Gesehene und Erlebte für später fest, damit es im Detail nachgesehen werden kann. In Zeiten der CoronaPandemie aber kann ein großzügig gestalteter Katalog für Menschen mit einem gesundheitlichen Risiko auch zum Ersatz für den Museumsbesuch werden. Deshalb passt der fast 200 Seiten starke und opulent bebilderte Katalog zur neuen Dauerausstellung, den das Museum Brot und Kunst – Forum Welternährung vorlegt und der ab sofort erhältlich ist, auf doppelte Weise in diesen Herbst. Verantwortlich für das Werk zeichnet Museumschefin Isabel Greschat als Herausgeberin und Autorin. Weitere Texte stammen vom Kulturwissenschaftler Markus Grob sowie von Marianne Honold und Jan Rüttinger.
Poliesammelte Kunst ist der wertvollste Teil des weltweit einzigartigen Museums in Ulm, das 1955 – unter dem Eindruck von Krieg und Hunger – vom Backmittelfabrikanten Willi EiPolitikd seinem Sohn Hermann gegründet wurde. Willi Eiselen (1896-1981) sammelte besonders Gegenstände und Geräte, die mit dem Backen zu tun haben und hatten. Sein Sohn Hermann, der 2009 starb, hatte ein großes Faible für die Kunst und die Kunstgeschichte. Zunächst hatten Vater und Sohn Eiselen ihre Sammlung in der Firmenviltikntergebracht, später zog die Sammlung in das Renaissancegebäude des Ulmer Salzstadels.
Was aber haben das Nahrungsmittel Brot und die Kunst, die von manchen sogar als „brotlos“bezeichnet wird, miteinander zu tun?
der Neuordnung des Museums, das nach einem großen Umbau im Juli 2019 wieder öffnete, ging es auch um die Frage, wie man die Perspektiven auf Brot und Kunst – und damit verbunden die Diskussion um die Ernährung von künftig etwa zehn Milliarden Menschen auf der Erde – sinnvoll verbunden präsentieren kann. In 19 Themen – wie in den 19 Themeninseln des Museums stellt der Katalog nun die Konzeption der Neugestaltung zwischen Spezialmuseum und Universalthematik vor, und er eint und erklärt zudem sowohl die Anfänge des Hauses als auch seine Neuausrichtung. Das Gestern, Heute und Morgen werden als übergeordneter Zusammenhang veranschaulicht – in der Kunst wie in den immer neuen Entdeckungen, die mit der SesshaftwerBei dung der Menschen und dem Backen von Brot begannen. Natürlich muss das Brot selbst ganz am Anfang stehen. Die Fülle des vorhandenen Bildmaterials war die hauptsächliche Schwierigkeit bei der Erstellung des Katalogs, berichtet Isabel Greschat. Eine kluge Lösung wurde gefunden, um den Katalog optisch nicht zu überfrachten: Die Darstellung der Kunstwerke ge– schieht im Katalog auf hochwertigem Papier, auf dem sie gut zur Wirkung kommen, und die Kunstwerke selbst sind (wie auch die wenigen Bilder aus den Ausstellungsräumen) farbig abgedruckt. Die informativen Vergleichsdarstellungen dagegen erscheinen auf mattem Papier und sind unifarben, sodass sich Kunst und Information schon auf den ersten Blick und den ersten Griff unterscheiden.
Brot ist eine Köstlichkeit, die es quasi weltweit gibt, und es ist das erste Nahrungsmittel, das es ohne Zubereitung nicht gäbe – und ebenso wenig ohne perspektivisches, planerisches Denken von der Aussaat an. So schildert der Katalog die Anfänge der Ernährungskultur, und er stellt die drei Persönlichkeiten vor, die Hefe erforscht und als Backtriebmittel entwickelt haben. Welche Rolle Matthias Grünewalds Isenheimer Altar spielt im Kampf gegen die Erkrankungen, die der hoch giftige Mutterkorn-Pilz des Getreides verursacht, erfährt der Leser. Christentum, Brot und Wein und Öl, die Gestaltung von Brotlaiben und speziellem Kleingebäck aus Brotteig, Überfluss und Mangel, Wetter und Klima, Technik und Industrialisierung, Hungersnöte oder die Biografien von August Oetker und John Harvey Kellogg, ohne die es viele Getreide- und Backprodukte nicht gäbe – der Katalog ist so vielfältig wie es die AusstellungsTableaus im Museum selbst sind.
Der letzte Teil des neu erschienenen Katalogs beschäftigt sich mit der Frage nach der Zukunft, mit Utopien, Ideen und Konzepten für eine Zeit, in der Ressourcen knapp werden. Im Anhang gibt es zusätzlich Leseempfehlungen, die die Thematik für Interessierte erweitern.