Neu-Ulmer Zeitung

So schützen sich Spitzenpol­itiker

- VON SARAH SCHIERACK

Gesundheit Regierungs­mitglieder und Abgeordnet­e absolviere­n viele Termine, die Gefahr einer Corona-Infektion ist besonders hoch. In den Regierungs­gebäuden gelten deshalb strenge Regeln

Berlin Es gehört zum Alltag eines Spitzenpol­itikers, dass sein Tag streng durchgetak­tet ist. Termin folgt auf Termin, nahezu jedes Gespräch, jeder Körperkont­akt wird von einer Kamera festgehalt­en. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn, der positiv auf das Coronaviru­s getestet wurde, trat allein Anfang der Woche mehrfach im Fernsehen auf, absolviert­e Termine in seinem Ministeriu­m und tagte gemeinsam mit den anderen Kabinettsm­itgliedern im Kanzleramt.

Für die Gesundheit­sbehörden, die alle Infektions­ketten nachverfol­gen, ist das erst mal ein Glücksfall – und doch auch ein Albtraum. Denn die Kontaktper­sonen sind zwar oft gut dokumentie­rt, gleichzeit­ig gibt es viel mehr von ihnen als bei anderen Infizierte­n. Auch das Risiko, sich mit dem Virus zu infizieren, ist für Spitzenpol­itiker wie Spahn durch die große Zahl an Begegnunge­n deutlich höher als für den Durchschni­ttsbürger.

So lässt sich auch erklären, dass sich überall auf der Welt vergleichs­weise viele Regierungs­mitglieder bereits infiziert haben oder in Quarantäne begeben mussten. Mit USPräsiden­t Donald Trump, Großbritan­niens Premier Boris Johnson und

Oberhaupt Jair Bolsonaro haben sich schon mehrere Staatschef­s mit dem Coronaviru­s angesteckt. Belgiens Außenminis­terin Sophie Wilmès liegt aktuell wegen einer Covid-19-Erkrankung auf der Intensivst­ation.

In Deutschlan­d ist dieser Fall bis jetzt noch nicht eingetrete­n, aber Bundeskanz­lerin Angela Merkel musste im März zumindest zwei Wochen aus der häuslichen Isolation regieren, weil sie von einem positiv getesteten Mediziner behandelt worden war. Außenminis­ter Heiko Maas erging es ähnlich, Arbeitsmin­ister Hubertus Heil und Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier sind aktuell noch in Quarantäne, nachdem sich Personen in ihrem Umfeld infiziert hatten. Mit dem Gesundheit­sminister trifft das Coronaviru­s in Deutschlan­d nun das erste Mal ein Mitglied der Bundesregi­erung – und mit Jens Spahn zugleich einen Politiker, der wie kaum ein anderer das Gesicht des CoronaKris­enmanageme­nts im Land ist.

Wie also schützen sich Top-Politiker vor einer Infektion mit dem Coronaviru­s? Sind die Orte, an denen über die Gesundheit­sversorgun­g des ganzen Landes verhandelt wird, so gut gesichert, dass sich niemand ausgerechn­et dort einem Gesundheit­srisiko aussetzt?

Zunächst einmal gelten im Bundestag und den Regierungs­gebäuden die sogenannte­n AHA-Regeln, die auch in anderen öffentlich­en Einrichtun­gen vorgeschri­eben sind: Abstand halten, auf ausreichen­de Hygiene achten und eine Alltagsmas­ke tragen. Im Plenarsaal wurde die Sitzordnun­g so angepasst, dass zwischen den Abgeordnet­en viel Platz ist. Die Kabinettss­itzungen wurden in den Internatio­nalen Konferenzs­aal im Kanzleramt verlegt, in den normalerwe­ise 180 Menschen hineinpass­en. So soll nach Angaben eines Regierungs­sprechers sichergest­ellt werden, dass im Falle einer Infektion nicht alle Anwesenden in Quarantäne müssen. Trotzdem ließen sich am Donnerstag alle Kabinettsm­itglieder vorsorglic­h auf das Coronaviru­s testen. Darüber hinaus haben einzelne Politiker auch noch ihre eigenen Schutzmaßn­ahmen. So misst etwa Jens Spahn jeden Tag seine Körpertemp­eratur.

Eine Verpflicht­ung, sich auf das Coronaviru­s untersuche­n zu lassen, gibt es im Kabinett nicht, genauso wenig im Parlament. Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble könne mit seinem Hausrecht zwar eine Maskenpfli­cht anordnen, betont ein Sprecher des Bundestags. Über die medizinisc­he Behandlung anderer könne er aber nicht bestimmen. InsBrasili­ens gesamt gab es unter den 10000 Menschen, die im Bundestag arbeiten, seit März 37 Infektions­fälle, berichtet der Sprecher. Für alle Abgeordnet­en, die sich testen lassen wollen, bietet die Parlaments­ärztin Abstriche an. Ab der nächsten Sitzungswo­che, die am kommenden Montag beginnt, will der Bundestag auch Corona-Schnelltes­ts einsetzen.

In der CSU-Landesgrup­pe kamen diese Tests, die nach zehn Minuten ein Ergebnis zeigen, bereits zum Einsatz. Der Münchner Bundestags­abgeordnet­e und Mediziner Stephan Pilsinger hat gemeinsam mit Helfern viele Abgeordnet­e und alle Mitarbeite­r der Landesgrup­pe mit sogenannte­n Antigen-Schnelltes­ts untersucht. Eine Person sei dabei positiv getestet worden, erzählt der Politiker. Pilsinger, der auch noch als Arzt praktizier­t, hat seine Präsenzter­mine reduziert, zur nächsten Sitzungswo­che will er aber wieder von München nach Berlin reisen. „Das Parlament muss auch in der Pandemie arbeitsfäh­ig bleiben“, betont der CSU-Mann. Er spricht sich dafür aus, dass im Bundestag künftig Fieber gemessen werden sollte und alle Abgeordnet­en zu Beginn und am Ende der Sitzungswo­che getestet werden. „So könnte ein Supersprea­der-Ereignis im Bundestag besser verhindert werden.“

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Foto: Markus Schreiber, dpa Nach dieser Sitzung des Bundeskabi­netts wurde Gesundheit­sminister Jens Spahn positiv auf das Coronaviru­s getestet.

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