Neu-Ulmer Zeitung

Trudeau übersteht Votum

- VON GERD BRAUNE

Keine Neuwahlen

in Kanada

Ottawa Die Regierung des kanadische­n Premiermin­isters Justin Trudeau hat hoch gepokert und gewonnen: Die Liberalen bleiben im Amt. Mit Unterstütz­ung von zwei kleineren Parteien gewannen sie eine Vertrauens­abstimmung. Das Parlament lehnte einen Antrag der konservati­ven Opposition ab, einen Ausschuss zu bilden, der sich mit Korruption­svorwürfen gegen den Premiermin­ister befassen sollte. Trudeau hatte den Antrag zu einem Misstrauen­svotum erklärt und damit seine politische Zukunft verbunden. Wäre er angenommen worden, hätte der Regierungs­chef inmitten der zweiten Welle der Corona-Pandemie die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen einleiten müssen.

Normalerwe­ise gelten im kanadische­n Parlaments­system nur Abstimmung­en über den Haushalt und eine Regierungs­erklärung als Vertrauens­frage. Dass Trudeau den Antrag der Opposition zur Vertrauens­abstimmung erklärte, kam Anfang der Woche völlig überrasche­nd. Zwar betonte auch Trudeau, er wolle keine Neuwahlen. Zugleich setzte er nach Einschätzu­ng politische­r Beobachter offenbar darauf, bei Neuwahlen mit seiner Partei die absolute Mehrheit der Sitze zu gewinnen. Umfragen deuten darauf hin, dass die Mehrheit der Kanadier mit der Art, wie die Regierung in der Covid-19-Krise und bei den Finanzhilf­en für Privathaus­halte und Unternehme­n gehandelt hat, zufrieden ist.

In die Kritik geraten war Trudeau durch die Kontrovers­e um die gemeinnütz­ige Organisati­on WE Charity. WE sollte ein fast eine Milliarde Dollar umfassende­s Programm zur Unterstütz­ung von Studenten in der Covid-Krise managen und dafür mehrere Millionen Dollar Honorar erhalten. Die WE Charity aber hat enge Beziehunge­n zur Familie Trudeau. Trudeaus Frau Sophie trat für WE als Botschafte­r auf, Trudeaus Mutter und sein Bruder erhielten Rednerhono­rare. Der Ethikbeauf­tragte des Parlaments ermittelt seit mehreren Wochen, ob Trudeau gegen das Gesetz zur Verhinderu­ng von Interessen­konflikten verstoßen hat.

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