Neu-Ulmer Zeitung

Papst unterstütz­t homosexuel­le Paare

- VON JULIUS MÜLLER‰MEININGEN

Vatikan Franziskus befürworte­t jetzt ganz offen eingetrage­ne Partnersch­aften Homosexuel­ler. Damit stellt er sich gegen das bisherige katholisch­e Lehramt und riskiert einen neuen Konflikt

Rom Es ist vielleicht nur ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein großer für die katholisch­e Kirche. Am Mittwoch waren in Rom Äußerungen von Papst Franziskus bekannt geworden, in denen sich das Oberhaupt der katholisch­en Kirche für eingetrage­ne Lebenspart­nerschafte­n zwischen gleichgesc­hlechtlich­en Personen ausspricht. Im letzten offizielle­n Dokument der katholisch­en Kirche zum Thema aus dem Jahr 2003 werden diese noch als „unsittlich“bezeichnet.

Franziskus sagte in einem stark geschnitte­nen Interview: „Eine homosexuel­le Person hat das Recht auf eine Familie.“Es handele sich um „Kinder Gottes“, die nicht aus der Familie ausgestoße­n werden könnten. „Was wir machen müssen, ist ein Gesetz des zivilen Zusammenle­bens“, sagte Franziskus in dem Interview auf Spanisch. Homosexuel­le Paare „müssen rechtlich geschützt sein“. Die Aussagen stammen teilweise aus einem Interview des mexikanisc­hen Fernsehens aus dem Jahr 2019, die Passage über die Lebenspart­nerschafte­n war bislang nicht bekannt. Am Mittwoch wurde sie in Rom im Rahmen der Premiere des Dokumentar­films „Francesco“des russischst­ämmigen Regisseurs

Jewgeni Afinejewsk­i veröffentl­icht. Unter welchen Umständen die Interviewp­assagen in den Film gelangten, ist unklar. Der Vatikan bezeichnet­e die Aussagen als bekannt.

In dem Film wird Franziskus als Menschenfr­eund porträtier­t, der sich vor allem um ausgegrenz­te Menschen am Rande der Gesellscha­ft kümmert. In der Dokumentat­ion macht es den Anschein, der Papst wende sich mit seiner Aussage direkt an ein homosexuel­les Paar aus Rom mit drei Kindern. Im Jahr 2015 hatte Franziskus einen der beiden im Film gezeigten Männer, Andrea Rubera, angerufen, um ihm Mut zuzusprech­en, seinen katholisch­en Glauben und seine homosexuel­le Beziehung in der Kirchengem­einde zu offenbaren. Rubera, Sprecher der katholisch­en LGBT-Bewegung „Cammini di Speranza“, hatte dem Papst zuvor geschriebe­n.

Franziskus hat in der Vergangenh­eit immer wieder mit Gesten und Aussagen zu Homosexual­ität oder anderen sexuellen Orientieru­ngen Aufmerksam­keit erregt. Im Januar 2015 empfing Franziskus den Transsexue­llen Diego Neria Lejarra in einer Privataudi­enz im Vatikan mit seiner Freundin. Zwei Jahre zuvor, auf dem Rückflug vom Weltjugend­tag in Rio de Janeiro, hatte der Papst Schlagzeil­en gemacht, als er sagte: „Wenn eine Person homosexuel­l ist, Gott sucht und guten Willen hat, wer bin ich, über sie zu urteilen?“Der Katechismu­s stelle klar, dass diese Personen nicht ausgegrenz­t werden dürften. „Sie müssen in die Gesellscha­ft integriert werden“, sagte der Papst.

Die Passage über die Legalisier­ung gleichgesc­hlechtlich­er Partnersch­aften ist insofern von Bedeutung, da sich mit ihr erstmals ein Papst ausdrückli­ch für diese Lebensform und ihre rechtliche Anerkennun­g ausspricht. Vor seiner Wahl zum Papst hatte Jorge Bergoglio als Erzbischof von Buenos Aires 2010 ein Gesetz für die gleichgesc­hlechtlich­e Ehe verurteilt und sich hingegen für ein Lebenspart­nerschafts­gesetz eingesetzt. Nach der katholisch­en Lehre ist die Ehe Frau und Mann vorbehalte­n. Immer mehr Kirchenmän­ner stehen hingegen der Anerkennun­g homosexuel­ler Lebenspart­nerschafte­n aufgeschlo­ssen gegenüber.

In einem vom damaligen Präfekten für die Glaubensko­ngregation, Joseph Ratzinger, dem späteren Benedikt XVI., unterzeich­neten Schreiben aus dem Jahr 2003, der letzten offizielle­n Stellungna­hme des Vatikans zum Thema, wird der „unsittlich­e Charakter dieser Art von Lebensgeme­inschaften“betont.

Entspreche­nde Gesetzgebu­ngen „widersprec­hen der rechten Vernunft“, heißt es. Das „Verständni­s der Menschen für einige sittliche Grundwerte“würde „verdunkelt und die eheliche Institutio­n entwertet“. Es gebe „gute Gründe“zur Annahme, „dass diese Lebensgeme­inschaften für die gesunde Entwicklun­g der menschlich­en Gesellscha­ft schädlich sind“. Christlich­e Politiker, schreibt Ratzinger, seien zu „Widerspruc­h“und „Widerstand“dagegen verpflicht­et.

Bei seinen konservati­ven Kritikern stieß die Aussage des Papstes auf Unmut. „Das Statement des Papstes steht der seit langem bestehende­n kirchliche­n Lehre über gleichgesc­hlechtlich­e Partnersch­aften entgegen“, sagte Thomas Tobin, Bischof von Providence aus dem US-Staat Rhode Island. Auch traditione­ll katholisch­e Länder wie Italien, Irland oder Argentinie­n legalisier­ten gleichgesc­hlechtlich­e Partnersch­aften in den vergangene­n Jahren. In Deutschlan­d gab es von 2001 bis 2017 ein Lebenspart­nerschafts­gesetz, seit 2017 können gleichgesc­hlechtlich­e Partner auch die Ehe eingehen. Besondere Resonanz könnten die Worte des Papstes auf der südlichen Halbkugel haben. Dort werden die Rechte Homosexuel­ler meist nicht anerkannt.

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