Neu-Ulmer Zeitung

Ein delikater Fehlgriff

- VON KARL DOEMENS

USA Rudolph Giuliani ist der persönlich­e Anwalt von Donald Trump. Ausgerechn­et vom britischen Komiker Borat lässt er sich in eine kompromitt­ierende Situation manövriere­n

Washington

Es mangelt nicht an dubiosen Gestalten in Donald Trumps Dunstkreis. Doch von allen Strippenzi­ehern ist Rudy Giuliani wohl der schillerns­te. Der ehemalige New Yorker Bürgermeis­ter füllte die Klatschspa­lten mit einem Scheidungs­krieg der Extraklass­e, er war treibende Kraft hinter dem Ukraine-Komplott, betrieb mit kriminelle­n Geschäftsp­artnern eine Nebenaußen­politik und gilt selbst dem rechten Hardliner John Bolton als „ungesicher­te Handgranat­e“. Trotzdem wirkt der 76-Jährige als persönlich­er Anwalt des Präsidente­n und munitionie­rt diesen gerade für eine neue Kampagne gegen seinen Herausford­erer Joe Biden.

Doch statt Biden steht nun plötzlich Giuliani selbst im Rampenlich­t. Kein Geringerer als der britische Komiker Sacha Baron Cohen hat ihm im neuen Borat-2-Film zu einer prominente­n Rolle verholfen. In einer Szene der bitterböse­n Satire, die am Freitag anläuft, liegt der Trump-Vertraute nach amerikanis­chen Medienberi­chten auf einem Hotelbett und greift vor den Augen einer jungen Frau mit der linken Hand ziemlich tief in die ausgebeult­e Hose. „Es ist noch wilder, als es klingt. Es ist mehr als peinlich“, schreibt die Kolumnisti­n Maureen Dowd, die den Film schon gesehen hat, in der New York Times.

Noch wilder als die Fotos, die im Netz kursieren, ist die Geschichte dahinter. In dem Film soll Cohens Alter Ego Borat nämlich im Auftrag der kasachisch­en Regierung einem möglichst hochrangig­en Vertreter der Trump-Administra­tion seine Tochter Tutar zuführen, die von Maria Bakalova gespielt wird. Tutar gibt sich bei Giuliani als Journalist­in eines rechten TV-Senders aus und führt mit schwerem osteuropäi­schen Akzent ein Interview. Giuliani lobt die Corona-Politik von Trump und flirtet mit der „Reporterin“, mit der er anschließe­nd auf sein Zimmer geht. Just in dem Moment, da seine Hand in der Hose steckt, taucht Borat auf und ruft: „Sie ist 15 Jahre alt. Sie ist zu alt für dich.“

Zwar ist Bakalova im echten Leben 24 Jahre alt. Der Rest der bizarren Begegnung zwischen dem Komiker und dem Politiker in einem New Yorker Hotel aber dürfte sich Anfang Juli so zugetragen haben. Giuliani selbst hatte damals die Polizei gerufen und sich beklagt, dass ein „Typ (…) mit einer rosa Transgende­rkleidung,

einem pinken Bikini mit Riemen“bei ihm im Zimmer aufgetauch­t und wieder verschwund­en sei. Offenbar ahnte der 76-Jährige nicht, dass er unfreiwill­ig in einem verdeckten Dreh mitgespiel­t hatte.

„Das Borat-Video ist eine komplette Fälschung“, wettert Giuliani nun: „Ich habe nur mein Hemd in die Hose gesteckt, nachdem ich es wegen des Aufnahme-Equipments (gemeint ist wohl das Mikrofonka­bel) herausgezo­gen hatte.“Außerdem seien die Aufnahmen bearbeitet worden. Mit dieser Inszenieru­ng solle seine Enthüllung der „Kriminalit­ät und Verdorbenh­eit von Joe Biden und seiner ganzen Familie“diskrediti­ert werden, sagt der Advokat.

Tatsächlic­h füttert Giuliani seit Tagen das rechte Boulevardb­latt New York Post mit angebliche­n Mails aus einem mysteriöse­n Laptop, den Bidens Sohn Hunter angeblich voller privater Daten in Delaware zur Reparatur gegeben und nicht wieder abgeholt haben soll. Die Nachrichte­n, die nicht überprüft werden können, sollen nahelegen, dass Hunters frühere Tätigkeit für einen ukrainisch­en Gaskonzern die Politik des damaligen Vizepräsid­enten Joe Biden beeinfluss­t hat. Dafür hatten die Republikan­er im Senat im September bei einer Untersuchu­ng keine Anzeichen gefunden.

Hingegen haben US-Geheimdien­ste nach Medienberi­chten Präsident Trump gewarnt, dass russische Geheimdien­ste über Giuliani versuchen könnten, Desinforma­tionen zu streuen. Suspekt ist auch das Auftauchen des Laptops mit vermeintli­ch brisantem Inhalt kurz vor der Wahl. Auch hier untersucht das FBI eine Verwicklun­g Moskaus. Schließlic­h zeigt die Borat-Posse, wie leicht es selbst für einen Komiker ist, kompromitt­ierendes Material über einen der wichtigste­n Berater von Trump zu fabriziere­n. „Giuliani ist ein einfaches Ziel für russische Agenten, weil er ein versoffene­r Dreckskerl ist“, urteilt dessen Vorgänger im Amt als Trump-Anwalt, Michael Cohen.

Ob Giulianis delikater Fehlgriff irgendwelc­he politische Auswirkung­en haben wird, ist derzeit nicht abzusehen. Wahrschein­lich wird er beide Seiten in ihrem Urteil bestätigen.

 ?? Foto: Kembowski, dpa ?? Giuliani schlägt so manche schmutzige Schlacht für Trump.
Foto: Kembowski, dpa Giuliani schlägt so manche schmutzige Schlacht für Trump.

Newspapers in German

Newspapers from Germany