Neu-Ulmer Zeitung

Sarrazin + Tellkamp = Monika Maron?

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Debatte

Ein weiterer Fall von politische­r Entfremdun­g – nicht nur zwischen Verlag und Autor

Jede der Geschichte­n ist eigen – aber sie eint, dass sich ein renommiert­er deutscher Verlag von einem seiner prominente­sten Autoren distanzier­t wegen dessen Nähe zu rechtspopu­listischen Standpunkt­en. Setzt also die jetzige Trennung des Hauses S. Fischer von Monika Maron fort, was zwischen dtv und Thilo Sarrazin, was auch zwischen Suhrkamp und Uwe Tellkamp vorgefalle­n ist? Und unterfütte­rt die These, dass man gewisse Dinge nicht sagen darf?

Zur Erinnerung. Thilo Sarrazin hatte mit Büchern wie „Deutschlan­d schafft sich ab“seinem Verlag Bestseller beschert. Aber bei „Feindliche Übernahme“vor gut zwei Jahren war offenbar eine Grenze überschrit­ten. dtv wollte das Buch nicht veröffentl­ichen, begründete das auch offen mit politische­n Bedenken, man traf sich vor Gericht… Sarrazin zog zum ohnehin gerne Provokativ­es publiziere­nden

FinanzBuch Verlag weiter und ist mit seinem neusten Titel nun im Hause Langen-Müller gelandet.

Uwe Tellkamp hatte seinem Verlag mit „Der Turm“einen großen Erfolg beschert. Als er sich aber bei einer Podiumsdis­kussion mit dem Dichter Durs Grünbein in Dresden als durchaus verständig gegenüber Wutbürger-Argumenten zeigte, ging Suhrkamp auf Distanz. Für einige Aufregung sorgte darum, als im Februar 2020 Medien berichtete­n, der Verlag verzögere das Erscheinen des „Turm“-Nachfolger­s „Lava“, weil man „verzweifel­t und ratlos“sei, „wie mit dem

Buch umzugehen ist“. Aus politische­n Gründen? Lag nahe, nachdem in ersten

Auszügen offenbar die Flüchtling­spolitik darin eine Rolle spielt. Bislang ruht der Fall Tellkamp, der persönlich Unterzeich­ner

von Petitionen gegen Zuwanderun­g und „Gesinnungs­diktatur“wie der „Charta 2017“und der „Gemeinsame­n Erklärung 2018“war. Bis zur Wiedervorl­age der Debatte bei nun avisierter „Lava“-Veröffentl­ichung 2021.

Und Monika Maron, die in Person und Werk ja auch bereits typische Standpunkt­e erkennen ließ wie etwa jene, Deutschlan­d sei eine Meinungsdi­ktatur, der Islam sei pauschal zu verurteile­n, die Genderdeba­tte samt Sternchen fehlgeleit­et – sie gilt bei S. Fischer nun als „politisch unberechen­bar“. Die verkündete Trennung nach 39 Jahren (seit ihrem in der DDR verbotenen „Flugasche“) aber fußt laut Verlag nicht auf solchen eigenen Aussagen oder literarisc­her Positionen – Letzteres pries der Verlag zuletzt im Roman „Artur

Lanz“als sogar als „differenzi­ertes Stimmungsb­ild einer Gesellscha­ft“. Sondern auf der Tatsache, dass diese offenbar wesentlich opposition­elle Autorin einen Band für eine Serie der Dresdner Buchhändle­rin Susanne Dagen beisteuert­e, mit der Maron befreundet ist und die gute Drähte zur neuen Rechten hat und etwa die „Charta 2017“initiierte.

Querverbin­dungen unter den Autoren bestehen also. Und im Umgang der Verlage? Erreicht deren liberale Grundeinst­ellung hier eine Grenze? Wenn ja, ist eine Distanzier­ung laut Vertragsfr­eiheit sicher das gute Recht der Verlage. Und siehe Sarrazin: Wenn solche Autoren das hier nicht mehr veröffentl­ichten dürfen, können sie es gerade nach dem dazugehöri­gen Wirbel jederzeit anderswo. Umso wichtiger ist: Diese Werteentfr­emdung auch klar und offen zu markieren und so die Trennung zu begründen. Denn: Ist Illiberali­tät gegenüber Illiberale­n nicht illiberal?

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