Neu-Ulmer Zeitung

Der BR hat erstmals eine Chefin

- VON DANIEL WIRSCHING

Medien

Nach sieben Männern an der Spitze wird Katja Wildermuth die öffentlich-rechtliche Landesrund­funkanstal­t in die Zukunft führen. Der Erwartunge­n sind groß

München Kurz nach 17.30 Uhr am Donnerstag prosteten sich

über das Programm Microsoft Teams virtuell zu. Das

„Female for Future“feierte, wie eine Vertreteri­n sagte, ein „historisch­es Ereignis“: Zuvor war erstmals seit Gründung des Bayerische­n Rundfunks im Jahr 1949 und nach sieben Männern eine Frau an die Spitze der beitragsfi­nanzierten öffentlich-rechtliche­n Landesrund­funkanstal­t gewählt worden – Katja Wildermuth.

Die 55-Jährige erhielt in der nicht-öffentlich­en Sitzung des

dem Aufsichtsg­remium des Senders, 38 von 48 Stimmen. Im Februar wird sie die Nachfolge Ulrich Wilhelms antreten. Bislang arbeitete sie als Programmdi­rektorin des Mitteldeut­schen Rundfunks (MDR) in Halle. Kurz nach ihrer Wahl sagte sie der

sie habe gleich ihren Mann und ihre beiden Kinder angerufen. Ihre Tochter habe aus Rumänien gratuliert, ihr Sohn aus Sydney.

Die Erwartunge­n an Wildermuth sind groß. So erhoffen sich die rund 400 Unterstütz­erinnen und Unterstütz­er des Frauennetz­werks eine „Veränderun­g der Unternehme­nskultur hin zu mehr Transparen­z und Beteiligun­g“. Vor allem muss Wildermuth den in eine digitale Zukunft führen – und das bei hohem Spardruck. Der wird weiter auf allen lasten, auch wenn – was noch offen ist – die geplante Erhöhung des Rundfunkbe­itrags um 86 Cent auf monatlich 18,36 Euro pro Haushalt zu Jahresbegi­nn kommt. Die Grünen-Landtagsab­geordnete Sanne Kurz, die

im Rundfunkra­t ist, sagte im Gespräch mit unserer Redaktion, Wildermuth habe in ihrer 20-minütigen Bewerbungs­rede vor dem Gremium „sehr ruhig, besonnen und klar“gesprochen. Die Rede sei in zwölf Kapitel eingeteilt gewesen, zehn davon hätten sich mit Wildermuth­s „Visionen“für den Sender, zwei mit ihrer Beziehung zu Bayern und dem befasst.

Katja Wildermuth, die in Anzing bei München aufwuchs und in der Landeshaup­tstadt Deutsch, Geschichte und Sozialkund­e für das Lehramt Gymnasium studierte, galt lange als Favoritin. Bereits bevor sie für den Spitzenpos­ten vorgeschla­gen wurde, schien es Konsens zu sein, dass die Zeit reif für eine Frau als sei. Vor etwas mehr als einem Monat wurde dann allerdings mit der Veröffentl­ichung der Wahlliste überrasche­nd bekannt, dass neben einer Frau – Wildermuth – auch zwei Männer im Rennen sind: Albrecht Frenzel, 54, und Christian Vogg, 55. Dem gebürtigen Augsburger Vogg, Chief Data Officer beim öffentlich-rechtliche­n Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), wurden jedoch von Anfang an lediglich Außenseite­rchancen eingeräumt. In Frenzel dagegen hatte Wildermuth einen starken Konkurrent­en – und die Rundfunkra­tsmitglied­er die Auswahl unter klar profiliert­en und positionie­rten Kandidaten. Dennoch erhielt Frenzel nach Informatio­nen unserer Redaktion nur sechs, Vogg nur vier Stimmen. Mit Frenzel hatte ein über den

hinaus geschätzte­r Finanzfach­mann zur Wahl gestanden, dem zugetraut wurde, den Sender durch wirtschaft­lich schwierige­r werdende Zeiten führen zu können. GleichMitg­lied wohl galt er als „Sparkommis­sar“. Das Frauennetz­werk und Politikeri­n Sanne Kurz hoffen, dass er seine Expertise weiter einbringt und Wildermuth den Rücken stärkt.

Mit ihr hatte eine Frau zur Wahl gestanden, von der sich

einen inhaltlich­en Aufbruch wünschen. Sie solle „frischen Wind“in den Sender bringen, ist am Donnerstag­abend oft zu hören. Dabei geht es um die Entwicklun­g neuer Formate und das übergeordn­ete Ziel, möglichst viele der recht unterschie­dlichen Mediennutz­er zielgruppe­ngerecht zu erreichen.

Wildermuth kennt sich damit aus: Weil sie sowohl preisgekrö­nte Dokus („Night Will Fall“, „Putins Spiele“) als auch crossmedia­le und innovative Projekte mitverantw­ortete; und, wichtiger noch, weil sie beim die Verschmelz­ung der Bereiche Fernsehen, Hörfunk und Online mitgestalt­ete. Nach Informatio­nen unserer Redaktion will sie nicht mit dem Rasenmäher sparen und in einzelne Bereiche sogar verstärkt investiere­n. Sie wisse darum, dass Transforma­tion Menschen einiges abverlange. Zu hören ist auch, dass sie glaube, ein solide geführtes Haus zu übernehmen.

Ulrich Wilhelm, 59, der bisherige

wollte sich nach zehn Jahren im Amt nicht mehr zur Wahl stellen. Das hatte er überrasche­nd im Juli erklärt. Er habe dem Haus „Mehltau und Verkrustun­gen“ersparen wollen. Über seine Zukunftspl­äne ist nichts bekannt. Der in dem die wichtigen politische­n und gesellscha­ftlichen Gruppen des Freistaats vertreten sind, wählte Wildermuth in geheimer Wahl und mit einfacher Mehrheit für fünf Jahre.

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Foto: Kirsten Nijhof, MDR Katja Wildermuth arbeitete zuletzt für den MDR.

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