Neu-Ulmer Zeitung

Vom Schuhputze­r zum Besten der Welt

- VON ANDREAS KORNES UND HERBERT SCHMOLL

Fußball Vielen gilt er als bester Spieler aller Zeiten. Pelé gewann mit Brasilien drei WM-Titel und pflegte auch Kontakte nach Augsburg. Heute lebt er zurückgezo­gen und feiert seinen 80. Geburtstag

Augsburg Man kann nicht sagen, Edson Arantes do Nascimento liebe das Leben nicht. Sieben Kinder von vier Frauen lassen das erahnen. Dabei hatte es wenig glamourös begonnen. Geboren in dem brasiliani­schen Städtchen Três Corações, schlug er sich schon mit sieben Jahren als Schuhputze­r durch. Sein Vater João Ramos war in guten Zeiten Fußballpro­fi, in schlechten Tagelöhner. Mutter Celeste arbeitete als Wäscherin. Bei einem Turnier für Straßenfuß­baller wurde er von Talentspäh­ern entdeckt, mit 15 Jahren bestritt Pelé, wie ihn seine Spielkamer­aden riefen, sein erstes Spiel für den brasiliani­schen Erstligist­en FC Santos und erzielte prompt ein Tor.

Der Rest ist Geschichte. Die Geschichte eines Schuhputze­rs, der dreimal Weltmeiste­r wurde und eine ganze Ära prägte. Franz Beckenbaue­r würdigte seinen einstigen Weggefährt­en gerade erst als „größten Fußballer aller Zeiten“. Legendär dessen Torquote: In 1363 Spielen erzielte er 1281 Treffer, wobei die Quellenlag­e diesbezügl­ich etwas diffus ist.

Zuletzt wurde es ruhig um den „König“. In Zeiten der CoronaPand­emie blieb Pelé zu Hause in Guarujá im Bundesstaa­t São Paulo. Mehrmals ist er schon an der Hüfte operiert worden und kann nur noch schlecht laufen.

Pelés Sohn Edinho berichtete dem Onlineport­al von einer gewissen Depression des Mannes mit dem strahlende­n Lächeln. „Er ist der König, er war schon immer eine so imposante Figur, und heute kann er nicht mehr richtig gehen.“Das zehrt. In einem Interview zu seinem 78. Geburtstag sagte Pelé, Gott habe ihm die Rechnung für seine Jahre als Athlet geschickt.

1958 hatte der damals 17-jährige Pelé die WM in Schweden gespielt. Er wurde der bis heute jüngste Weltmeiste­r der Fußball-Geschichte. Es folgten die WM-Titel der Jahre 1962 in Chile und 1970 in Mexiko. Mit dem FC Santos gewann er in 17 Jahren 26 Titel. Nach seiner einzigarti­gen Karriere, die 1977 in New York endete, versuchte sich Pelé unter anderem als Sportminis­ter in Brasilien, TV-Kommentato­r, Werbeträge­r für Viagra, Sänger, Designer von Fußballsch­uhen, Schauspiel­er, Besitzer einer Filmproduk­tionsgesel­lschaft und einer Marketing

Gesellscha­ft, wie die referierte. Dabei kreuzten sich seine Wege auch immer wieder mit Helmut Haller. Wenn man sich mit Augsburgs Fußball-Legende über Pelé unterhielt, begannen dessen Augen zu leuchten. Obwohl der 2012 gestorbene Haller selbst ein Weltstar war, verehrte er den Brasiliane­r förmlich. „Er war der komplette Fußballer.“

Kennengele­rnt hatten sich die beiden 1966 im Rahmen des WMFinales in London. Der deutsche Nationalsp­ieler besorgte sich nach der 2:4-Niederlage im Wembleysta­dion gegen die Gastgeber den Spielball und ließ ihn beim abendliche­n Bankett von Spielern wie die Briten Bobby Charlton und Bobby Moore oder die Südamerika­ner Pelé und Garrincha signieren. Das Spielgerät sorgte 30 Jahre später für Schlagzeil­en, als es Haller auf die Insel zurück brachte. Zunächst aber hatte er den Ball seinem Sohn Jürgen geschenkt.

Der kann sich noch an zwei Begegnunge­n mit Pelé erinnern. „1967 genossen wir mit der Familie einige

Urlaubstag­e in Riccione an der Adria. Zufällig gastierte Pelé dort mit seinem Klub, dem FC Santos, zu einem Freundscha­ftsspiel gegen den FC Venedig. Klar, dass sich mein Vater dort eine ganze Zeit lang mit Pelé unterhielt“, erzählt Jürgen Haller. Auch in den folgenden Jahren trafen sich beiden Starkicker immer wieder. 1979 etwa, als Haller senior mit seinem Filius, der es selbst zum Profi brachte, nach New

York flog. Dort veranstalt­ete der dreifache Weltmeiste­r ein Camp für talentiert­e Jugendlich­e.

Auch Armin Veh lernte den brasiliani­schen Mega-Star persönlich kennen. Nachdem der spätere Meistertra­iner aus Augsburg 1985 seine Profikarri­ere aus gesundheit­lichen Gründen beendet hatte, heuerte er bei dem von Spielhalle­n-Krösus Peter Eiba gegründete­n BC Harlekin als Manager an. Einer seiner ersten Aufträge führte ihn zusammen mit Eiba-Intimus Willi Aschenbren­ner nach New York. Dort trafen sie Pelé. Als Gastgesche­nk hatte Veh eine Schwarzwäl­der Kuckucksuh­r im Gepäck. Veh: „Ich wollte Pelé das Projekt BC Harlekin näher erläutern.“Doch Eiba hatte noch eine andere Idee: Er wollte den Weltstar dazu bewegen, in der Hallensais­on bei den Augsburger Stadtmeist­erschaften aufzulaufe­n. Doch die Pläne zerschluge­n sich. Nach Augsburg wird Pelé wohl nicht mehr kommen. Seinen 80. Geburtstag am Freitag will er mit seiner Familie in Brasilien feiern. Still und zurückgezo­gen. dem Sport so verbunden, dass sie weiterhin aktiver Teilnehmer sein wollen. Vorstand, Trainer, Sportdirek­tor. Oft aber fällt ihnen der Wechsel schwer. Manchmal melden sich auch noch Jahrzehnte nach der aktiven Karriere die alten Reflexe. Michael Henke beispielsw­eise ist den meisten als Co-Trainer von Ottmar Hitzfeld ein Begriff. Überrasche­nderweise kam er nicht als Assistent auf die Welt. Bevor er Hitzfeld diente, kickte Henke in der zweiten Bundesliga. Mittlerwei­le ist er Sportdirek­tor des Drittligis­ten FC Ingolstadt.

Aufgewühlt von 90 dramatisch­en Minuten verpasste er Kaiserslau­terns Trainer Jeff Saibene nach dem 1:1 einen versteckte­n Tritt. Fand der weniger lustig. Der Luxemburge­r konnte schon nicht allzu viel damit anfangen, dass er im März von Henke als Trainer des FCI gefeuert wurde. Der entschuldi­gte sich immerhin für sein Foul – nicht allerdings ohne Saibene eine Teilschuld zu geben. Einmal Fußballer, immer Fußballer.

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Fotos: Witters/Haller Eines der berühmtest­en Bilder der Fußball‰Historie: Brasiliens Pelé bejubelt 1970 den 4:1‰Sieg im WM‰Finale gegen Italien. Das untere Bild zeigt Pelé mit Augsburgs Legende Helmut Haller und dessen Sohn Jürgen.
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