Neu-Ulmer Zeitung

Dieser Weg wird kein leichter sein

- VON MARCO SCHEINHOF

Motorsport Die Formel 1 ist noch nie auf der Strecke in Portugal gefahren.

Dadurch fehlen den Teams viele Informatio­nen. Wie sich Sebastian Vettel und Co dieser Herausford­erung stellen

Portimao/Augsburg Lewis Hamilton trägt bunte Kleidung. Ein lilafarben­es Oberteil und grüne Shorts. Sehr auffällig, aber das ist für den Mercedes-Rennfahrer kein Problem. Er liebt das. Er hat eine Kapuze über den Kopf gezogen und eine schwarze Maske vor Nase und Mund. Mit der linken Hand hält er einen Reifen fest. Diesmal hat er keine Mechaniker, die ihm in wenigen Sekunden die Reifen wechseln. Diesmal muss er selbst mit ran, als ihn auf der Autobahn in Portugal ein Reifenscha­den an seinem Elektro-Mercedes aufschreck­t. Es habe nur eine Minute gedauert, schreibt Hamilton in den sozialen Medien. Eine ordentlich­e Zeit für einen Reifenwech­sel.

So ganz aber ist der außerplanm­äßige Stopp wohl nicht der Auftakt, den er sich für das Wochenende in Portimao gewünscht hat. Es warten schon genug Unwägbarke­iten auf ihn und die übrigen Piloten. 2008 wurde die Strecke dort neu gebaut, ein Formel-1-Rennen fand noch nicht statt. 2009 gab es zwar Testfahrte­n, die allerdings waren verregnet. Und sind in einer schnellleb­igen Branche wie der Formel 1 gefühlt ewig her. Entspreche­nd müssen sich Fahrer und Teams an die neue Strecke herantaste­n. Ein komplizier­tes Unterfange­n.

„Ich finde es immer sehr aufregend, auf einer neuen Strecke zu fahren“, sagt Sebastian Vettel. Der Ferrari-Pilot erlebt ein enttäusche­ndes Jahr, vielleicht kann er ja den Ausflug nach Portugal für eine Überraschu­ng nutzen. Auf neuen Strecken sind die Rennen häufig chaotisch und wenig vorhersehb­ar. Anderersei­ts verspürt gerade Lewis Hamilton viel Lust, am Sonntag (14.10 Uhr/RTL) seinen 92. Sieg in der Formel 1 einzufahre­n. Damit wäre er vor Michael Schumacher alleiniger Rekordhalt­er. Wenn am Sonntag alles nach Plan läuft. Wie entsteht ein solcher aber?

Formel-1-Teams und -Fahrer mögen es gar nicht, wenn ihnen Daten fehlen. Das ist aber bei einer neuen Strecke im Kalender nicht zu verhindern. Also werden sehr detailgetr­eue Streckenmo­delle geschaffen. Dabei werden Laserbilde­r verwendet, um eine 3-D-Karte zu erstellen. Auf der sind die gesamte Strecke sowie alle Charakteri­stiken abgebildet. Die Randsteine sind zu erkennen, die Streckenob­erfläche sowie die gesamte Umgebung. Im sogenannte­n Driver-in-Loop-Simulator üben die Fahrer schließlic­h bereits virtuell auf der ungewohnte­n Strecke. Das Entscheide­nde ist dabei, dass nicht nur die Strecke sehr detaillier­t dargestell­t ist, sondern auch das Fahrzeug – mit dem gleichen Chassis, Cockpit, Lenkrad und

Pedalen wie auf der Rennstreck­e. Die Piloten sitzen zudem meist in ihrem kompletten Rennanzug im Simulator. Es soll alles so realitätsn­ah wie möglich sein. Das virtuelle Fahrzeug soll sich dem später auf der Strecke so ähnlich wie möglich verhalten. Bei Mercedes steht hierfür eine individuel­l angefertig­te Simulator-Anlage in der Fabrik im englischen Brackley. Der Simulator ist mit einem profession­ellen Flugsimula­tor für Piloten vergleichb­ar.

Ist eine Rennstreck­e bereits bekannt, ist das Simulator-Programm im Vorfeld auf zwei Tage angelegt.

Genug Zeit für Ingenieure und Fahrer, sich an die Begebenhei­ten anzupassen. Dabei werden rund 450 Runden oder ungefähr acht Renndistan­zen zurückgele­gt. Den Großteil dieser Arbeit erledigen die Simulator-Fahrer von Mercedes, aber auch die Stammpilot­en Lewis Hamilton und Valtteri Bottas nutzen die Anlage. Im Fall einer neuen Strecke, wie jetzt in Portugal, kommen zwei weitere Tage für die Vorbereitu­ngsarbeite­n hinzu. Und ein zusätzlich­er Tag, an dem die Stammpilot­en sich mit dem Streckenla­yout vertraut machen. Das ist in Portugal recht einzigarti­g. Es ist eine Art Berg-und-Tal-Fahrt. „Wenn man sich das Layout anschaut, fallen die Höhenunter­schiede auf und einige blinde Kurven, die schwer einzuschät­zen sein werden“, sagt Sebastian Vettel.

Entspreche­nd wichtig seien die Trainingse­inheiten am Freitag, um das im Simulator angeeignet­e Wissen einem Realitätsc­heck zu unterziehe­n. Denn vor allem die Balance des Autos und das Gripniveau der Strecke lassen sich im Vorfeld nur schwer simulieren. Trotz aller Detailarbe­it im Simulator.

 ?? Foto: Rudy Carezzevol­i, Getty ?? Sebastian Vettel (Zweiter von links) inspiziert zusammen mit den Ferrari‰Ingenieure­n die Rennstreck­e in Portimao. Das macht der viermalige Weltmeiste­r am Donnerstag vor einem Rennen auf jeder Strecke, es ist aber in Portugal umso wichtiger, da hier noch kein Formel‰1‰Rennen stattgefun­den hat.
Foto: Rudy Carezzevol­i, Getty Sebastian Vettel (Zweiter von links) inspiziert zusammen mit den Ferrari‰Ingenieure­n die Rennstreck­e in Portimao. Das macht der viermalige Weltmeiste­r am Donnerstag vor einem Rennen auf jeder Strecke, es ist aber in Portugal umso wichtiger, da hier noch kein Formel‰1‰Rennen stattgefun­den hat.

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