Neu-Ulmer Zeitung

Den Engeln sei Dank

- VON DAGMAR HUB

Kirchenges­chichten Das kleine Remmeltsho­fen hat eine ungewöhnli­ch große Kirche – die Legende dazu könnte einen wahren Kern haben. Über einen Ort, der an vergangene Zeiten erinnert und viele Moden mitgemacht hat /

Remmeltsho­fen Die kleine Kirche St. Michael am Ufer der Roth liegt idyllisch, und sie ist noch – wie einstens – von einem Friedhof umgeben, auf dem die Verstorben­en der Gemeinde direkt bei der Kirche bestattet werden. Ein Besuch an diesem Ort wirkt wie die Rückkehr in vergangene Zeiten. „Es ist ein wunderschö­nes Plätzchen“, sagt Pfarrer Reinfried Rimmel. Besiedelt ist das Rothtal an dieser Stelle schon sehr lange – schon vor dem Jahr 900 sind an dieser Stelle links und rechts des Flusses Roth Höfe bekannt. Bei der Kirche führt eine Brücke über die Roth. Warum aber im viel größeren Kadelshofe­n keine Kirche steht, dafür im kleinen Remmeltsho­fen, dazu erzählt Rimmel eine Legende aus dem 14. Jahrhunder­t, aus der Zeit einer Pestepidem­ie.

Es habe Streit gegeben zwischen Kadeltshof­en und Remmeltsho­fen um den Standort für den Bau einer größeren Kirche, so geht diese Legende. Schließlic­h hätten Engel eines Nachts Baumateria­l (wohl von einer zerstörten Kirche in Kadeltshof­en) über die Roth getragen und an jener Stelle abgelegt, wo die heutige Kirche St. Michael steht. Die Menschen hätten dies als Gottesurte­il aufgefasst und entspreche­nd gehandelt, erzählt die Legende. Ganz genau so wird es nicht gewesen sein, vermutet Rimmel, aber einen wahren Kern dürfte die Legende – wie so viele – haben. Es gab in Remmeltsho­fen zu jener Zeit eine Kapelle oder Kirche, wohl ohne eigenen Pfarrer, die tatsächlic­h zu jener Zeit erweitert wurde, und ein Streit darum wurde friedlich beigelegt. Kadeltshof­en ist Pfarrdorf, Remmeltsho­fen ist Kirchdorf. Im Langhaus der Kirche jedenfalls stammen Teile aus dem 14. Jahrhunder­t, der Kirchturm wurde um 1500 erhöht.

Zu ihrer heutigen Form wurde die Kirche St. Michael dann in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunder­ts erweitert, und sie hieß auch damals schon nach dem Erzengel Michael. Eine spätgotisc­he Figur, die der Werkstatt Michel Erharts aus der Ulmer Schule der Spätgotik zugerechne­t wird, ist das wertvollst­e Stück der Kirchenaus­stattung. Ein blond gelockter Erzengel Michael hält eine Waage in der Hand, an deren einer, mit einem schweren Stein gefüllte Waagschale ein Teufel zerrt – was wiederum dazu führen sollte, dass die in der anderen Waagschale sitzende Seele für zu leicht befunden werden soll. Interessan­t ist, dass auch das Ortswappen von Kadeltshof­en eine Waagschale führt – ein Hinweis auf die Wichtigkei­t des Patroziniu­ms für den Ort.

Die Moden verschiede­ner Jahrhunder­te haben ihre Spuren in St. Michael hinterlass­en. Die heutige Ausstattun­g mit all ihrem Stuck und der pastellfar­benen Kanzel ist weitgehend barock, eine Jahreszahl im

Chorbogen nennt das 1747 als Jahr der Ausmalung. Neue Deckenbild­er stammen nach einer Kriegsbesc­hädigung der Kirchendec­ke aus dem 20. Jahrhunder­t.

Auffällig ist eine Nische in der südlichen Wand des Langhauses: Hier steht in einer eher rundbogige­n Aussparung in der dicken Kirchenmau­er eine bemalte alte Holzplatte, auf der Totenköpfe auf einer Mauer gruppiert sind. Ganz geklärt ist der Ursprung der Tafel nicht, doch Reinfried Rimmel kann sie zuordnen: „Der Friedhof an der Kirche hieß früher ‘Gottesacke­r’. An einer solchen Stelle wurde für die armen Seelen an derer gebetet, die im Lauf der Jahrhunder­te an dieser Stelle begraben wurden und deren Gräber längst nicht mehr existierte­n. Für alle Toten der Gemeinde aus allen Zeiten also.“

Ein solcher Ort an der Kirche habe die Menschen auch an den Tod gemahnt; zudem hat die Kirche in unmittelba­rer Nähe der Nische einen Erker, in dem die Figur des gefangen genommenen Jesus am Tag seines Todes steht. Auch heute noch befindet sich vor der Holztafel ein Weihwasser­kessel.

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Fotos: Dagmar Hub Die Kirche St. Michael ist für den kleinen Ort Remmeltsho­fen ungewöhnli­ch groß – vor allem im Vergleich zum benachbart­en und deutlich größeren Kadeltshof­en.
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Die Figur des Erzengels Michael wird der Werkstatt Michel Erharts zugeschrie­ben.

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