Den Engeln sei Dank
Kirchengeschichten Das kleine Remmeltshofen hat eine ungewöhnlich große Kirche – die Legende dazu könnte einen wahren Kern haben. Über einen Ort, der an vergangene Zeiten erinnert und viele Moden mitgemacht hat /
Remmeltshofen Die kleine Kirche St. Michael am Ufer der Roth liegt idyllisch, und sie ist noch – wie einstens – von einem Friedhof umgeben, auf dem die Verstorbenen der Gemeinde direkt bei der Kirche bestattet werden. Ein Besuch an diesem Ort wirkt wie die Rückkehr in vergangene Zeiten. „Es ist ein wunderschönes Plätzchen“, sagt Pfarrer Reinfried Rimmel. Besiedelt ist das Rothtal an dieser Stelle schon sehr lange – schon vor dem Jahr 900 sind an dieser Stelle links und rechts des Flusses Roth Höfe bekannt. Bei der Kirche führt eine Brücke über die Roth. Warum aber im viel größeren Kadelshofen keine Kirche steht, dafür im kleinen Remmeltshofen, dazu erzählt Rimmel eine Legende aus dem 14. Jahrhundert, aus der Zeit einer Pestepidemie.
Es habe Streit gegeben zwischen Kadeltshofen und Remmeltshofen um den Standort für den Bau einer größeren Kirche, so geht diese Legende. Schließlich hätten Engel eines Nachts Baumaterial (wohl von einer zerstörten Kirche in Kadeltshofen) über die Roth getragen und an jener Stelle abgelegt, wo die heutige Kirche St. Michael steht. Die Menschen hätten dies als Gottesurteil aufgefasst und entsprechend gehandelt, erzählt die Legende. Ganz genau so wird es nicht gewesen sein, vermutet Rimmel, aber einen wahren Kern dürfte die Legende – wie so viele – haben. Es gab in Remmeltshofen zu jener Zeit eine Kapelle oder Kirche, wohl ohne eigenen Pfarrer, die tatsächlich zu jener Zeit erweitert wurde, und ein Streit darum wurde friedlich beigelegt. Kadeltshofen ist Pfarrdorf, Remmeltshofen ist Kirchdorf. Im Langhaus der Kirche jedenfalls stammen Teile aus dem 14. Jahrhundert, der Kirchturm wurde um 1500 erhöht.
Zu ihrer heutigen Form wurde die Kirche St. Michael dann in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erweitert, und sie hieß auch damals schon nach dem Erzengel Michael. Eine spätgotische Figur, die der Werkstatt Michel Erharts aus der Ulmer Schule der Spätgotik zugerechnet wird, ist das wertvollste Stück der Kirchenausstattung. Ein blond gelockter Erzengel Michael hält eine Waage in der Hand, an deren einer, mit einem schweren Stein gefüllte Waagschale ein Teufel zerrt – was wiederum dazu führen sollte, dass die in der anderen Waagschale sitzende Seele für zu leicht befunden werden soll. Interessant ist, dass auch das Ortswappen von Kadeltshofen eine Waagschale führt – ein Hinweis auf die Wichtigkeit des Patroziniums für den Ort.
Die Moden verschiedener Jahrhunderte haben ihre Spuren in St. Michael hinterlassen. Die heutige Ausstattung mit all ihrem Stuck und der pastellfarbenen Kanzel ist weitgehend barock, eine Jahreszahl im
Chorbogen nennt das 1747 als Jahr der Ausmalung. Neue Deckenbilder stammen nach einer Kriegsbeschädigung der Kirchendecke aus dem 20. Jahrhundert.
Auffällig ist eine Nische in der südlichen Wand des Langhauses: Hier steht in einer eher rundbogigen Aussparung in der dicken Kirchenmauer eine bemalte alte Holzplatte, auf der Totenköpfe auf einer Mauer gruppiert sind. Ganz geklärt ist der Ursprung der Tafel nicht, doch Reinfried Rimmel kann sie zuordnen: „Der Friedhof an der Kirche hieß früher ‘Gottesacker’. An einer solchen Stelle wurde für die armen Seelen an derer gebetet, die im Lauf der Jahrhunderte an dieser Stelle begraben wurden und deren Gräber längst nicht mehr existierten. Für alle Toten der Gemeinde aus allen Zeiten also.“
Ein solcher Ort an der Kirche habe die Menschen auch an den Tod gemahnt; zudem hat die Kirche in unmittelbarer Nähe der Nische einen Erker, in dem die Figur des gefangen genommenen Jesus am Tag seines Todes steht. Auch heute noch befindet sich vor der Holztafel ein Weihwasserkessel.