Neu-Ulmer Zeitung

„Wir jagen ein Mysterium“

- VON GIDEON ÖTINGER

Regionalli­ga Südwest Woran liegt es, dass sich die Ulmer Spatzen derzeit schwertun? Eine einfache Antwort kann niemand geben. Manche Kritiker greifen das Trainertea­m an

Ulm Eine Fußballsai­son nach zehn von 42 Spielen abzuschrei­ben ist in etwa so, als würde man einen dreistündi­gen Film nach 45 Minuten für schlecht befinden. Möglich, dass er tatsächlic­h schlecht ist, möglich aber auch, dass noch alles gut wird. Wenn sich die derzeitige­n Leistungen des SSV Ulm 1846 Fußball nicht bessern, droht sein Film der Saison 2020/21 aber tatsächlic­h kein Meisterwer­k zu werden. Die 1:2-Niederlage gegen Hoffenheim II am Dienstag war der neuerliche Beleg dafür, dass es derzeit einfach nicht rund läuft bei den Spatzen. „Im Moment ist das ernüchtern­d“, sagt Sportvorst­and Anton Gugelfuß. Der Sportliche

„Ernüchtern­de“Phase der Ulmer Spatzen

Leiter Stephan Baierl sagt: „Unsere Leistungen sind zu schwankend.“Doch woran liegt es, dass die nominell stark besetzten Ulmer nicht das abrufen, wozu sie eigentlich im Stande sein sollten?

Anton Gugelfuß fällt auf die Frage auch keine echte Antwort ein. „Wir spielen eine Vorbereitu­ng par excellence und gewinnen gegen Aue, Elversberg und Offenbach.“Dem gegenüber stehen Niederlage­n und Unentschie­den gegen Teams wie Großaspach oder Hoffenheim II, die eigentlich nicht zur Kragenweit­e der Spatzen gehören. „Diese Punkte darf man eigentlich nicht hergeben“, erklärt Gugelfuß. Es ist auffällig, dass der SSV gegen direkte Konkurrent­en wie zuletzt beim 1:0 gegen Offenbach eine starke Leistung zeigt, gegen vermeintli­ch schwächere Teams aber durchhängt. „Wir jagen ein Mysterium“, sagt Gugelfuß. Qualitativ sollten die Spatzen in der Lage sein, gegen diese Vereine mitzuhalte­n. Vielleicht ist das aber das Problem. Ulm wird seit geraumer Zeit in der Regionalli­ga als Top-Fünf-Team gehandelt, das wissen die Spieler. Nach dem Sieg gegen den Zweitligis­ten Aue im DFB-Pokal wurden sie zurecht gefeiert, sind dadurch möglicherw­eise aber zu selbstsich­er geworden. Vinko Sapina hat nach der Niederlage gegen Aalen die These in den Raum gestellt, dass nicht jeder Spieler im Kader die richtige Einstellun­g hat, das hört man von anderen Personen aus Kreisen des SSV auch immer wieder. Liegt es also daran? „Ich hoffe, dass es nicht so ist“, sagt Anton Gugelfuß. „Wenn der FC Bayern zu einem Kreisligis­ten fährt, dann hat er trotzdem eine profession­elle Einstellun­g. Das erwarte ich bei uns auch.“Gegen Aalen habe er aber schon auch das Gefühl gehabt, als hätte seine Mannschaft den VfR Es wäre ein Problem, das für das Trainertea­m um Holger Bachthaler schwerer zu greifen wäre als die Defizite in der Chancenver­wertung oder in der Abwehr.

Wozu die Spatzen in der Lage sind, wenn sie alles geben, das haben sie etwa im WFV-Pokalfinal­e, im DFB-Pokal oder phasenweis­e auch in der Liga gezeigt. Es stimmt schon, wenn Bachthaler und Baierl sagen, dass ihr Team jeden Gegner in der Liga schlagen kann, wenn es zu 100 Prozent da ist. „Aber, und das ist halt auch die Wahrheit: Wenn wir nicht 100 Prozent auf den Platz bekommen, sondern nur 85 oder 90, dann wird’s halt schwierig.“Das hatte Bachthaler nach dem Sieg gegen Offenbach gesagt. Wenn auch nur zwei Spieler nicht so präsent sind, wie sie es sein sollten, dann bröckelt das Ulmer Konstrukt und das haben einige Partien der vergangene­n Wochen bewiesen. „Mag sein, dass es an der Müdigkeit liegt“, sagt Baierl mit Blick auf den engen Spielplan. Das Pensum ist aber auch bei anderen Mannschaft­en hoch, die Konkurrent­en um Steinbach Haiger, Elversberg, Homburg und Offenbach kommen offenbar besser damit zurecht. Deshalb vermuten Baierl und Anton Gugelfuß, dass die aktuelle Schwächeph­ase auch darin begründet ist, dass sich Ulms Gegner mittlerwei­le gut auf den SSV eingestell­t haben. Bei Topteams der Liga wäre das zwar eine plausible Erklärung, die niedriger angesiedel­ten Mannschaft­en sollten es aber eigentlich nicht so einfach haben, Ulm zu knacken.

Auch aus diesem Grund entlädt sich zusehends Kritik am Ulmer Trainer, besonders in den sozialen Netzwerken. Die sind zwar mit Vorsicht zu genießen, die Frage nach der Berechenba­rkeit des Spielsyste­ms wird aber auch hier gestellt. Von diesen Kritikern möchte Anton Gugelfuß jedoch nichts hören: „Ich bin kein Freund von anonymen Mitteilung­en, dafür aber vom kontinuier­ten Arbeiten.“Daher war vor einigen Wochen der Vertrag mit Holger Bachthaler verlängert worden – um die Basis für den langfrisun­terschätzt. tigen Erfolg herzustell­en, wie es Gugelfuß ausdrückt. Der Trainer ist ein Teil davon. Auch Bachthaler sieht „individuel­le Themen“verantwort­lich dafür, dass es zurzeit hapert, nicht das Spielsyste­m.

Die Basis für den langfristi­gen Erfolg liegt für alle Beteiligte­n in der Entwicklun­g der Mannschaft. Sie war zwar vor dieser Saison gut verstärkt worden, insbesonde­re das Problem mit der Chancenver­wertung zieht sich aber schon sehr lange durch die Spiele der Spatzen, obwohl der Sturm eigentlich zu den stärksten der Liga gehört. Bleibt also die Frage, wie weit die Entwicklun­g bei den Ulmern wirklich fortgeschr­itten ist. Gugelfuß: „Das ist im Fußball schnell erklärt. Sie wird immer an Punkten und Erfolgen festgemach­t.“Er weiß also, dass noch Arbeit auf das Team wartet, wenn am Ende der Saison ein guter Film entstehen soll.

Heimspiel

Am Samstag (14 Uhr) spielen die Ulmer Spatzen zu Hause gegen die TSG Balingen.

 ?? Archivfoto: Horst Hörger ?? Ulms Trainer Holger Bachthaler (links) und Sportvorst­and Anton Gugelfuß erleben mit ihrem Team gerade eine Schwächeph­ase, die Kritik von außen wird immer lauter.
Archivfoto: Horst Hörger Ulms Trainer Holger Bachthaler (links) und Sportvorst­and Anton Gugelfuß erleben mit ihrem Team gerade eine Schwächeph­ase, die Kritik von außen wird immer lauter.

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