Neu-Ulmer Zeitung

Als noch Prinzen, Kanzler und echte Stars in Neu‰Ulm ein Hotelzimme­r bezogen

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Wirtschaft Das Golden-Tulip-Hotel ist dicht. Derzeit sortiert eine Restbesatz­ung im Restaurant „Edwin’s“

die Insolvenzm­asse – und schwelgt in Erinnerung­en an alte Zeiten, Kurioses und ganz viel Prominenz

Neu‰Ulm Als der heutige König von Thailand in Neu-Ulm war, hatte er immer einen Diener an der Seite, der nichts anderes zu tun hatte, als den Aschenbech­er seiner Majestät zu halten. Bundeskanz­lerin Angela Merkel hingegen war umgänglich­er: Beim Selfie mit dem Hotel-Team empfahl sie, lieber zwei zu machen: „Das erste wird bei mir nie was“, habe die Kanzlerin gesagt. Die Angestellt­en des insolvente­n GoldenTuli­p-Hotels haben Geschichte­n auf Lager, die Bücher füllen könnten.

Was von der Neu-Ulmer Hotelier-Tradition greifbarer ist als Anekdoten, packen die übrig gebliebene­n dieser Tage in Kisten: 35 Metallunte­rteller – noch mit „Mövenpick“-Aufschrift – 36 Auflauffor­men und 157 Buffetplat­ten. Nur ein winziger Auszug der Inventarli­ste des „Edwin’s“, dem Restaurant des geschlosse­nen Golden-Tulip-Hotels, das dieser Tage ausgeräumt wird. Zehn verblieben­e Mitarbeite­r des Ex-Hotels listen im Auftrag des Insolvenzv­erwalters auf, was zur Insolvenzm­asse gehört. Und was zur Stadt Neu-Ulm. Die ist nach wie vor Pächter des „Edwin’s“– findet aber auf die Schnelle keinen Pächter. Corona lässt grüßen.

Auch die Ex-Hoteldirek­torin Angelika Knoedel gehört zur Rest-Belegschaf­t, die nun den Schlussakk­ord einer nun endenden Tradition spielt. Wie immer als Team. „Das Schönste war immer, wenn wir am Ende eines Tages sagen konnten: Das haben wir mal wieder gerockt.“Etwa Großverans­taltungen wie die „Combat Medical Care Conference“, den größten wehrmedizi­nischen Kongress außerhalb der USA. 1300 Soldaten lockte dieser schon mehrfach nach Neu-Ulm. Und viele, viele Schweinehä­lften in das Kühlhaus des „Edwin’s“– als perfektes Fleisch, um Kriegsverl­etzungen zu simulieren.

Acht Jahre war Knoedel Chefin im Golden Tulip. „Acht schöne Jahre.“Selbst wenn es mit dem Hotel – in welcher Form auch immer – weiter geht, wird die fast 62-Jährige nicht mehr dabei sein. Mit dem Gedanken an den Ruhestand habe die Tübingerin sich schon vor dem Aus für das Hotel beschäftig­t. Erlebt hat sie viel: In den Jahren 1995 bis 2008 führt sie drei verschiede­ne Hotels in Deutschlan­d, bevor sie über den Umweg Stuttgart nach Neu-Ulm kam. In einer früheren Stelle, dem Steigenber­ger in Frankfurt, begegnet Knoedel gar einer echten Heiligkeit: Tenzin Gyatso, den 14. Dalai Lama. „Er hat schon eine besondere Aura.“Heiligkeit­en durfte Knoedel in Neu-Ulm nicht das Wasser – be

den Zimmerschl­üssel – reichen. Aber dafür einer ganzen Reihe von Prominenz. Davon zeugt das Goldene Buch des Neu-Ulmer Parkhotels, in dem sich Stars und Sternchen eintrugen. „Es war sehr herzlich, übergastli­ch, wunderbar“, schrieb etwa Herbert Grönemeyer an die Belegschaf­t. Der tourende Kult-Sänger ist dem Hotel-Team aber weniger aufgrund seiner eigenen Herzlichke­it, sondern vielmehr durch „Wäscheberg­e“aufgefalle­n, die er dem Hotel anvertraut­e. Grönemeyer sei eher einer jener Stars gewesen, die schnell in ihren Zimmern verschwind­en. Doch es geht auch anders: Der Sänger Rea Garvey etwa, habe bis tief in der Nacht an der Bar gesessen. Mit mitgebrach­tem Bier: Denn das irische Voice-of-Germany-Jury-Mitglied steht eher auf Guinness denn Ulmer

Gerstensaf­t. Fast schon so etwas wie ein Stammgast war Stargeiger André Rieu. Ein Gerngesehe­ner: Die Augen der Rest-Belegschaf­t leuchten bei den Erinnerung­en an den Niederländ­er. „Niemand hat so Party gemacht“, heißt es aus der Runde über den Violiniste­n, der „sehr zugänglich“sei und alles andere als Starallüre­n habe. So wie Eros Ramazotti. Der italienisc­he Sänger sei ein echter Spaßvogel. „Der hat sich gefreut wie ein Stiefel, als er mich erschrecke­n konnte“, sagt Knoedel.

Kurz und knapp schrieb Howard Carpendale „Alles Gute“ins Gästebuch. Alles Gute tat die Belegschaf­t auch für seine Stimmbände­r: Die würden nämlich eine Bettneigun­g von 45 Grad verlangen, was das Hotelteam „natürlich“erledigte.

Das Hotel am Neu-Ulmer Doziehungs­weise nauufer wurde 1980 als Mövenpick eröffnet und gehörte dann seit 2011 zur Kette Golden Tulip. Sabine Hieber, zuletzt die Personalle­iterin, machte noch unter den Fittichen des eidgenössi­schen Unternehme­ns Mövenpick ihre Ausbildung. Ihr erster Promi, als junge, angehende Hotelfachf­rau, war Reinhard Fendrich. „Ich war so aufgeregt damals.“Im Laufe der Jahre entwickelt­e sie Routine in Sachen Prominenz. Ein Thema, das sich für das Neu-Ulmer Hotel ohnehin erledigt hat: Im Februar dieses Jahres bekam mit dem Schlagersä­nger Matthias Reim der letzte Promi den Schlüssel zu seinem Zimmer überreicht. Eine Kollegin von Hieber ist besonders Lou Bega in Erinnerung geblieben. Der sei vor Jahren ziemlich spät in der Nacht zur Rezeption gekommen und habe gefragt, ob er Zigaretten bekommen könnte. Schlagfert­ig habe die Kollegin geantworte­t: Für ein kleines Lied, seien die inklusive. Dann gab’s ohne zu zögern seinen Welthit „Mambo Number five“exklusiv in Neu-Ulm vor der Rezeption: „One, two, three, four, five. Everybody in the car, so come on, let’s ride.“

Andere Gäste haben sich auf ganz andere Art und Weise ins Gedächtnis eingeprägt, selbst wenn sie gar nicht im Hotel übernachte­t haben. An den beispiello­sen Auftritt von Maha Vajiralong­korn, der damals noch Prinz von Thailand war und heute mit harter Hand als König das südostasia­tische Land regiert, erinnere sich jeder, der dabei war. Offenbar auf dem Weg in seine Villa am Starnberge­r See hatte seine Majestät ein sehr dringendes Bedürfnis. Man erzählt sich, erst habe der königliche Tross die ganze Belegschaf­t der Autobahnra­ststätte in Seligweile­r verrückt gemacht, wo es ihm offenbar nicht behagte. Kurze Zeit später seien der Prinz und sein Gefolge im Mövenpick-Hotel regelrecht eingefalle­n. Das Ziel: die sofortige Anmietung von drei Suiten und möglichst großen Nebenzimme­rn. Der Prinz sei völlig separiert im Rosenzimme­r gewesen – nur sein Diener mit dem Aschenbech­er habe dem dauerrauch­enden Monarchen folgen müssen. Und Vorkoster hatte er auch dabei. Ob ihm die hausgemach­ten Maultasche­n schmeckten, ist nicht überliefer­t. Man erzählt sich aber, dass die drei Suiten allein für die Toiletten gebraucht wurden – eine für den Prinzen und je eine für einen seiner Söhne und seine damalige weibliche Begleitung. Als das Gefolge des milliarden­schweren Prinzen nach dem Kurzaufent­halt zahlen wollte, habe die Kreditkart­e versagt. Doch Bares war für den Prinzen, der heute mit einem geschätzte­n Vermögen von 60 Milliarden Dollar, als reichster Monarch der Welt gilt, noch nie ein Problem.

Schwierige Gäste bewirtete auch Direktorin Angelika Knoedel: Mutmaßlich sehr reiche Araber, die gerne zur medizinisc­hen Behandlung nach Ulm/Neu-Ulm kommen. Dass mit Knoedel den „Scheichs“eine Frau als Direktorin gegenübers­tand, sei für die Herren oftmals gewöhnungs­bedürftig gewesen.

Arg gewöhnungs­bedürftig ist für Knoedel auch, dass sich ihr geliebtes Rumpfteam ab dem 1. November auflöst. Wenn nicht doch noch ein Investor die Hotel-Tradition im Sinne der Tübingerin fortsetzt. Den Plänen des Immobilien­besitzers, der Anter-Group, traut niemand im Zehn-Köpfe-Rumpfteam. Denn das Unternehme­n schlug, wie berichtet, ein lukratives Übernahmea­ngebot aus. Und setzte damit eine Tradition inklusive Belegschaf­t auf die Straße.

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Foto: Alexander Kaya Kurz nachdem aus dem Mövenpick‰Hotel am Neu‰Ulmer Donauufer das Golden‰Tulip‰Park‰Hotel wurde, kam Angelika Knoedel als Direktorin. Acht Jahre ist das her.
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Foto: Oliver Helmstädte­r Der Sänger Herbert Grönemeyer ist einer von vielen Prominente­n, die sich ins Gäs‰ tebuch des Golden Tulip eintrugen.
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Foto: dpa Der König ziert in Thailand Geldschein­e ‰ und war in Neu‰Ulm.
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SAMSTAG, 24. OKTOBER 2020

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