Von Vernunft und Unvernunft im Sport
Die Handballer aus Vöhringen und Burlafingen sowie die Eishockeymannschaft der Devils Ulm/Neu-Ulm haben vermutlich nur den Anfang gemacht. Andere Vereine werden bald ähnlich entscheiden: gar keine Wettkämpfe in Corona-Zeiten oder zumindest keine gegen Gegner aus Hotspots. Ebenso sehr wie eine Infektion mit dem Virus fürchten die Sportler schließlich die Folgen einer Quarantäne: das Fehlen an der Uni oder am Arbeitsplatz mit allen beruflichen Konsequenzen. Dass die Verbände und die Politik diese Wettkämpfe teilweise sogar vor Zuschauern (noch) zulassen, das wird keinen Direktor an einer Schule interessieren, an der an einem Montag der Unterricht ausfällt, weil der Herr Lehrer unbedingt am Sonntag in einem Risikogebiet Eishockey oder Handball spielen wollte. Ein Elektriker, der Aufträge nicht erfüllen kann, weil der Geselle zur Mannschaft des Lehrers gehört hat, wird ebenso wenig begeistert sein.
Ist der Rückzug aus dem Spielbetrieb also alternativlos? Das ist er natürlich nicht. Aber er ist vernünftig und er zeugt von einem hohen Verantwortungsbewusstsein der Sportler und Funktionäre im Amateurbereich – und von der Fähigkeit, die aktuelle Situation realistisch einzuschätzen. Angesichts steigender Infektionszahlen ist es ohnehin mehr als nur möglich, dass die Politik demnächst dazwischen grätscht und zumindest alle Hallensportler in eine lange Winterpause schickt. Es macht wenig Sinn, bis zum Eintritt dieses Szenarios die Gesundheit und vielleicht die berufliche Perspektive zu riskieren.
Wo über Vernunft geredet wird, da muss auch Unvernunft thematisiert werden. Ratiopharm Ulm hat als übrigens einziger deutscher Bundesligist auch in dieser Woche im Eurocup gespielt. Mindestens bis Mitte Dezember wird die Mannschaft kreuz und quer durch den Kontinent reisen, von Risikogebiet zu Risikogebiet, nach Paris und Spanien – in einem Wettbewerb, in dem nach eigenem Bekunden noch nie Geld verdient wurde und der die breite Öffentlichkeit wenig interessiert. Die deutlichen Warnschüsse wurden und werden geflissentlich überhört. Im Umfeld der eigenen Ulmer Nachwuchsmannschaft gibt es zwei Corona-Fälle, der Kader des deutschen Meisters Alba Berlin wurde nach sechs positiven Tests komplett in Quarantäne geschickt. Berlin hat vor gut einer Woche in dem Eurocup übergeordneten Wettbewerb Euroleague in Moskau gespielt, möglicherweise hat das Virus die Spieler dort erwischt.
In Sachen Vernunft können manche Profis eine Menge von Amateursportlern lernen.