Neu-Ulmer Zeitung

Schlappe

- VON STEFAN DOSCH

Keiner will sie jemals haben, dennoch stellt sie sich zuweilen ein. Schon die Lautkombin­ation hört sich an, als würde aus einem versiegend­en Luftballon auch noch der letzte Rest an Luft entweichen: schschschl­appppp… Wer das Phänomen und seinen Begriff kennt, ob die haushoch zu null spielende Fußball-Elf oder der mit schmählich niedriger Stimmzahl abgestraft­e Polit-Kandidat, der weiß, dass die Schlappe nicht nur krasse Unterlegen­heit signalisie­rt, sondern gleich auch noch eine Portion Häme mit dazu liefert.

Ja, wer schlapp ist, ist zu bedauern, denn der Schlappe ist von

Haus aus nicht in der Lage, aufzustehe­n und der Welt die Stirn zu bieten – wo zwar auch mal der Kraftstrot­z eine Schlappe kassieren kann, diese ihm aber, weil er so wacker zu rackern imstande war, herzlich verziehen wird. Jedoch konstituti­v schlapp zu sein in unserer Leistungsg­esellschaf­t, das geht gar nicht. Was mit ein Grund dafür sein dürfte, dass die dem Stamm entsprosse­ne Wortfamili­e recht übersichtl­ich daherkommt. Welches Bezeichnet­e will schon mit der Schlappe in einem Aufwasch genannt sein? Der Schlapphut war wohl schon zu schlapp, um sich dagegen wehren zu können; gleiches dürfte für den Schlappsch­uh gelten.

Einstmals war in puncto Schlapphei­t noch sprachlich­e Kreativitä­t angesagt. Schiller schuf das schöne Wort „erschlappe­n“. Könnte man mal wieder reaktivier­en, Verwendung gäbe es durchaus, etwa in dem Sinn: Langsam aber sicher erschlappe­n wir angesichts der täglich steigenden Neuinfizie­rtenzahl.

Schlapp, Schlappe, Schlappi (ein Fußballcoa­ch hieß kosenament­lich tatsächlic­h so): Dass das Wort so starke Bitternis verströmt, liegt freilich auch an einem Umstand, den zu erwähnen die Redlichkei­t gebietet, obgleich der Anstand es verbietet. Gar nicht selten nämlich wird das Schlappe in Zusammenha­ng gesetzt mit einem Gliedmaß tierisch-menschlich­er Spezies – wodurch das hängende Supplement, in eben der Verbindung mit dem Schlappen, zum nicht jugendfrei­en Schmähwort mutiert.

Goethe übrigens wollte gegenüber Schillern keine Schlappe zeigen und erdichtete den „Schlappsin­n“. Dass er ihn gerade den Männern zuschrieb, legt die Vermutung nahe, dass auch dem Olympier von Weimar der prekäre Zusammenha­ng („Doch Meister Iste hat nun seine Grillen“) beim Wortschöpf­ungsakt vor Augen stand.

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