Schlappe
Keiner will sie jemals haben, dennoch stellt sie sich zuweilen ein. Schon die Lautkombination hört sich an, als würde aus einem versiegenden Luftballon auch noch der letzte Rest an Luft entweichen: schschschlappppp… Wer das Phänomen und seinen Begriff kennt, ob die haushoch zu null spielende Fußball-Elf oder der mit schmählich niedriger Stimmzahl abgestrafte Polit-Kandidat, der weiß, dass die Schlappe nicht nur krasse Unterlegenheit signalisiert, sondern gleich auch noch eine Portion Häme mit dazu liefert.
Ja, wer schlapp ist, ist zu bedauern, denn der Schlappe ist von
Haus aus nicht in der Lage, aufzustehen und der Welt die Stirn zu bieten – wo zwar auch mal der Kraftstrotz eine Schlappe kassieren kann, diese ihm aber, weil er so wacker zu rackern imstande war, herzlich verziehen wird. Jedoch konstitutiv schlapp zu sein in unserer Leistungsgesellschaft, das geht gar nicht. Was mit ein Grund dafür sein dürfte, dass die dem Stamm entsprossene Wortfamilie recht übersichtlich daherkommt. Welches Bezeichnete will schon mit der Schlappe in einem Aufwasch genannt sein? Der Schlapphut war wohl schon zu schlapp, um sich dagegen wehren zu können; gleiches dürfte für den Schlappschuh gelten.
Einstmals war in puncto Schlappheit noch sprachliche Kreativität angesagt. Schiller schuf das schöne Wort „erschlappen“. Könnte man mal wieder reaktivieren, Verwendung gäbe es durchaus, etwa in dem Sinn: Langsam aber sicher erschlappen wir angesichts der täglich steigenden Neuinfiziertenzahl.
Schlapp, Schlappe, Schlappi (ein Fußballcoach hieß kosenamentlich tatsächlich so): Dass das Wort so starke Bitternis verströmt, liegt freilich auch an einem Umstand, den zu erwähnen die Redlichkeit gebietet, obgleich der Anstand es verbietet. Gar nicht selten nämlich wird das Schlappe in Zusammenhang gesetzt mit einem Gliedmaß tierisch-menschlicher Spezies – wodurch das hängende Supplement, in eben der Verbindung mit dem Schlappen, zum nicht jugendfreien Schmähwort mutiert.
Goethe übrigens wollte gegenüber Schillern keine Schlappe zeigen und erdichtete den „Schlappsinn“. Dass er ihn gerade den Männern zuschrieb, legt die Vermutung nahe, dass auch dem Olympier von Weimar der prekäre Zusammenhang („Doch Meister Iste hat nun seine Grillen“) beim Wortschöpfungsakt vor Augen stand.