Neu-Ulmer Zeitung

Glocke erklingt seit fünf Jahrhunder­ten

- VON DAGMAR HUB

Geschichte

Am Nikolausta­g gibt es im Neu-Ulmer Ortsteil Steinheim ein seltenes Jubiläum zu feiern

Steinheim Steinheim feiert am Nikolausta­g, 6. Dezember, den 500. Geburtstag seiner ältesten Glocke. Zum Festgottes­dienst um 9.30 Uhr in der Vereinshal­le in Steinheim, zu dem auch Regionalbi­schof Axel Piper kommt, ist eine Anmeldung über das Pfarramt Steinheim nötig.

In der Steinheime­r Nikolauski­rche können aufgrund der CoronaPand­emie derzeit keine Gottesdien­ste stattfinde­n, da sie zu klein ist, um die Abstandsre­geln einzuhalte­n. Lange Zeit hatte man die Glocke

für noch älter gehalten: Die „5“in der Jahreszahl 1520 auf der Glocke sieht wie ein Blitz aus und wurde deshalb für eine 4 gehalten. Doch Glockengie­ßer Jerg Kastner, aus dessen Ulmer Werkstatt die Glocke stammt, erhielt 1509 das Ulmer Bürgerrech­t. Die Glocke muss also, da die „20“eindeutig ist, im Jahr 1520 gegossen worden sein.

Im Ersten Weltkrieg wurde die vorreforma­torische Glocke nicht eingezogen, weil damals nur Glocken aus dem 19. und 20. Jahrhunder­t eingeschmo­lzen wurden. Während der NS-Zeit setzte sich die

Steinheime­r Kirchengem­einde für ihre historisch­e Glocke ein. Sie stellte am 2. Mai 1940 den Antrag, dass ihre älteste Glocke nicht eingezogen werde, wie es damals mit den allermeist­en Kirchen- und Rathausglo­cken geschah.

Der Antrag wurde mit dem hohen Alter der Glocke aus Steinheim begründet; die im Antrag genannte Jahreszahl 1420 basierte noch auf dem Irrtum der falsch gelesenen Zahl.

Bewirkt hatte der engagierte Antrag dennoch nichts. Im März 1942 mussten die Bronzegloc­ken der

Steinheime­r Kirche vom Zimmermann Michael Miller abgenommen werden.

Der Kirchenpfl­eger kennzeichn­ete die Glocken noch, ehe sie zum Lagerplatz am Neu-Ulmer Bahnhof gebracht werden mussten.

Von dort gingen alle Glocken der Region auf den sogenannte­n Glockenfri­edhof in Hamburg-Veddel, unweit des Hamburger Hafens, wo sie lagerten, bis sie eingeschmo­lzen wurden. „Metallspen­de des deutschen Volkes“wurde das genannt. Die alte Steinheime­r Glocke, eingestuft jetzt mit korrekter Altersanga­be

in Gruppe C als historisch wertvolle Glocke, überstand das Kriegsende auf dem Hamburger Glockenfri­edhof und kehrte im Dezember 1947 wieder an ihren Ort im Steinheime­r Kirchturm zurück.

Das Schicksal manch anderer rückgeführ­ter Glocken, die durch die Beschädigu­ngen auf dem Glockenfri­edhof beim Läuten zersprange­n, blieb ihr erspart. Schätzunge­n gehen davon aus, dass im Zweiten Weltkrieg rund 45000 Glocken in Deutschlan­d dem von der NS-Führung befohlenen Glocken-Sterben zum Opfer fielen.

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