Im Kreis der farbenfrohen Heiligen
Kunst
Vor 350 Jahren wurde der Bildschnitzer Ferdinand Luidl geboren. Er hat im Landkreis viele Spuren seines Wirkens hinterlassen
Landkreis „Ein virtuoser Künstler, der, von Herzen schlicht und recht, um 9 Uhr abends plötzlich vom Schlag getroffen wurde.“Wir schreiben den 22. März 1736, als das Hegelhofener Sterberegister mit diesen Worten den Tod von Ferdinand Luidl verzeichnet. Geboren wurde der umtriebige Bildhauer des Barock vor genau 350 Jahren in Landsberg am Lech, ein Großteil seiner Werke schuf er jedoch im Schwäbischen, genauer in den heutigen Landkreisen Neu-Ulm und Günzburg.
Als Angehöriger einer vor allem im Lechgebiet bekannten Künstlerfamilie und als Sohn seines ebenfalls bildhauerisch tätigen Vaters Lorenz lag es für den jungen Ferdinand nahe, als Geselle in dessen Werkstatt einzutreten. Im Jahre 1703 erschien Luidl plötzlich in den Pfarrmatrikeln von Illereichen. Dort heiratete er noch im selben Jahr die Jägerstochter Margarethe Denle, welche jedoch bald darauf starb. Von Luidls zweiter Gemahlin ist hingegen nur der Vorname Anna Maria bekannt, der gemeinsame Sohn Sebastian sollte später in die Fußstapfen des Vaters treten.
Die Luidls blieben nur wenige Jahre in Illereichen, ab 1708 war die Künstlerfamilie in Hegelhofen ansässig. Weshalb sich der Bildhauer nicht in Weißenhorn niederließ, das wenig später mit den Kuens, Eiteles und Franz Joseph Bergmüller zu einem regelrechten Zentrum der mittelschwäbischen Barockkunst wurde, erklärt Kunsthistoriker Matthias Kunze damit, dass in der Stadt wahrscheinlich schon zu viele Konkurrenten ansässig waren. Doch was blieb in der Region von Ferdinand Luidl?
Ein Hauptwerk scheint es nicht zu geben, vielmehr sind es einzelne Figuren, die in typisch barockem Gestus und typischer Mimik einen Hinweis auf das Wirken des Bildhauers vermitteln. Die Dorfkirchen sind zahlreich, in welchen wir fündig werden: In Wullenstetten beugt sich unter einem spätgotischen Kruzifix aus Ulmer Schule eine Schmerzensmadonna des Landsberger Künstlers. Eine überaus harmonische Komposition künstlerischen Schaffens im Spannungsbogen zweier Jahrhunderte; ein Schwert durchbohrt die Brust – aber nicht zwingend das Herz – der farbig gefassten
Marienfigur. Wenige Kilometer weiter in Witzighausen thronen rechts im Chorraum Luidls Anna mit Maria und dem Jesusknaben. Leider lassen die derzeitigen coronabedingten Beschränkungen keine weitere Annäherung an die Figurengruppe zu.
Ein ganzer Apostelzyklus hingegen überrascht beim Betreten der Pfarrkirche in Oberroth den Besucher. Beherrschend die Farbgebung in Gold und Blau, die sichtbare Haut in intensivem, vielleicht gar zu gesundem Rosa dargestellt. Der Kunstführer schreibt hierzu „in der Art des Ferdinand Luidl“, was einen
Restzweifel an der Authentizität offenlässt. Gesicherte Zuschreibungen gestalten sich offenbar auch im Barock noch schwierig. Die Proportionenbildung der Körper gelang nicht immer zur ästhetischen Vollkommenheit, was insbesondere beim irgendwie schlaksig erscheinenden heiligen Joachim in der Kirche Maria Geburt in Altenstadt etwas irritierend wirkt. Andererseits war gerade das Barock ein Zeitalter der über Bord geworfenen Regeln: Nichts hatte Bestand, außer die Gewissheit, sterben zu müssen: „Memento mori!“– und ein großes Welttheater obendrein.
Dabei kann bei alldem den Figuren Luidls eine ländlich, rustikale, ja mitunter derbe Physiognomie nicht abgesprochen werden. Keine Verzückung wie bei Berninis römischer heiligen Teresa, sondern eher ein stoisches Abwarten des unvermeidlich zu Geschehenden. Weniger Individualität, mehr Symbolik beherrschen die Erscheinungsformen der Dargestellten. Etwas distanziert, aber in der Gesamtheit eine mimische Ästhetik nicht verleugnend zeigt sich überraschenderweise die Maria Immaculata in der Weißenhorner Leonhardskapelle, eines der späteren Werke des Landsbergers.
Ernst entgegnen Mutter und Sohn den Blick des Betrachters. Die Last der Verantwortung ist den fast filigranen Figuren geradezu innewohnend.
Es entsteht sowieso der Eindruck, als habe die Ausdruckskraft Luidls im Laufe seiner Schaffensjahre an Authentizität und Lebendigkeit gewonnen. Der Meister befand sich offenbar an seinem künstlerischen Zenit, als er mit 65 Jahren starb. Wie sehr Luidl die Kunstgeschichte des frühen 18. Jahrhunderts in Mittelschwaben prägte, belegt die schiere Menge der geschaffenen Werke. Manchmal als Blickfang, oft aber erst auf den zweiten Blick erkennbar, zieren die zumeist farbig gefassten Figuren unsere Pfarrkirchen.
Daher sei zum Schluss eine Vervollständigung der Artefakte Ferdinand Luidls im Landkreis Neu-Ulm gestattet:
Biberachzell, Pfarrkirche Maria Himmelfahrt (Anna Selbdritt)
Buch, Pfarrkirche St. Valentin (heiliger Antonius)
Hegelhofen, Pfarrkirche St. Stephan (zwölf Apostel mit Salvator und Maria)
Herrenstetten, Pfarrkirche St. Martin (Maria, Christus)
Hittistetten, Filialkirche St. Leonhard (heiliger Leonhard)
Illereichen, Pfarrkirche Maria Himmelfahrt (Pietà, heilige Anna mit Maria)
Niederhausen, Filialkirche St. Dominikus (heiliger Antonius und Leonhard)
Vöhringen, Pfarrkirche St. Michael (Vortragekreuz)
Wallenhausen, Leonhardskapelle (Engel und Evangelisten an der Kanzel)
Weißenhorn, Spitalkirche Heilig Geist (heiliger Sebastian)