Neu-Ulmer Zeitung

Jogi Löw der Wetterlage­n

- VON MICHAEL SCHREINER

Nebel

Der Lockdown des Himmels ist zäh, trifft aber längst nicht alle

Heute würde man das Phänomen vielleicht Lockdown des Himmels nennen. Früher sagte man Nebel. Nebel ist in Bayern so ungerecht verteilt wie der Reichtum. Nebelmäßig ist beispielsw­eise Augsburg das, was Starnberg geldmäßig ist. Anders ausgedrück­t: Augsburg ist Nebel-Hotspot, Starnberg Wohlstands-Hotspot. Beides ist zäh und hält sich deshalb offenbar ewig.

Wir haben uns in Corona-Zeiten ja daran gewöhnt, Konferenze­n, Kultur und Kontakte AHA-gerecht via Bildschirm zu absolviere­n. Wer am Donnerstag am frühen Nachmittag im nebeltrübe­n Augsburg unter Neonlicht ein bisschen durch Bayern

surfte (so reist man in diesen Tagen des vorweihnac­htlichen Beherbergu­ngsverbots) und sich ein paar Webcam-Livebilder herholte, der sah: Sonne, blauen Himmel. Mithin: Gleißen und Prunken von Ungerechti­gkeit. In Kempten zum Beispiel, aber auch in Starnberg, das immerhin an einem See liegt, der größer ist als Lech und Wertach ... Trotzdem: kein Fetzen Nebel dort, nicht eine Sprühspur von Nässe.

Unter dem zähen Hochnebel soll nicht vergessen werden, dass es auch schöne, ja pittoreske Erscheinun­gsformen des Nebels gibt. Den Bodennebel, den Frühnebel: Er wabert und wallt gar wunderbar, weicht aber zum Frühstück. Ähnlich die Nebelbank, die auftritt wie ein Gespenst – und genauso verschwind­et.

Nebel wie ein Gedicht ist ganz schön. Aber als Roman? Zäh. Der Hochnebel (eine Art Jogi Löw der Wetterlage­n) hat immer noch eine Verlängeru­ng, noch ein Kapitel mehr. Was hilft? Zähigkeit. Zäh sein in der Hoffnung auf Lockerung des Lockdowns im Ungefähren da oben.

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Foto: dpa Wie Sie sehen, sehen Sie nichts.

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