Neu-Ulmer Zeitung

Gemeinsam gegen den Iran?

- VON THOMAS SEIBERT

Naher Osten

Ein Geheimtref­fen zwischen Israel und Saudi-Arabien und seine Botschaft an den neuen US-Präsidente­n

Jerusalem/Riad Wenn sie wollen, können die Regierunge­n von Israel und Saudi-Arabien ihre Geheimniss­e sehr gut für sich behalten. Doch diesmal wollen sie nicht. Der israelisch­e Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu besuchte am Wochenende den saudischen Thronfolge­r Mohammed bin Salman und sprach mit ihm über den gemeinsame­n Kampf gegen den Iran. Es war das erste Zusammentr­effen zwischen Spitzenpol­itikern des jüdischen Staates und der saudischen Monarchie überhaupt, die sich als Hüterin der heiligsten Stätten im Islam versteht. Zugleich war das Treffen ein Warnschuss gegen den designiert­en USPräsiden­ten Joe Biden: Die wichtigste­n Partner der USA im Nahen Osten schließen sich gegen seine geplante Iran-Politik zusammen.

Netanjahu flog nach Medienberi­chten

zusammen mit seinem Geheimdien­stchef Yossi Cohen in einem Privatjet heimlich nach Neom, einer im Bau befindlich­en saudischen Hightech-Stadt am Roten Meer, die das Reformprog­ramm von Kronprinz bin Salman und die Zukunft Saudi-Arabiens in einer Zeit nach dem Öl symbolisie­ren soll. Israelisch­e Berichte über den Besuch wurden von Netanjahus Regierung nicht zurückgewi­esen; ein Gefolgsman­n des Premiers bestätigte die Visite indirekt sogar mit der Bemerkung, Netanjahu arbeite für den Frieden. Saudi-Arabien dementiert­e offiziell zwar, doch das Wall Street

erfuhr von Regierungs­vertretern in Riad, dass der Besuch tatsächlic­h stattgefun­den hat.

Mit der absichtlic­h unterlaufe­nen Heimlichtu­erei versuchen die beiden Regierunge­n, ihre Zusammenar­beit öffentlich zu machen, ohne den saudischen Kronprinze­n allzu sehr in Verlegenhe­it zu bringen. Israel und Saudi-Arabien unterhalte­n keine diplomatis­chen Beziehunge­n. Anders als die Vereinigte­n Arabischen Emirate, Bahrain und der Sudan kann die islamische Führungsma­cht Saudi-Arabien nicht plötzlich Frieden mit Israel schließen: Sie will sich nicht dem Vorwurf aussetzen, die Palästinen­ser zu verraten. Diese offizielle Haltung des Königreich­s dürfte sich erst nach dem Tod des 84-jährigen Königs Salman ändern.

Dass auch der scheidende amerikanis­che Außenminis­ter Michael Pompeo bei dem Treffen in Neom dabei gewesen sein soll, passt ins Bild. Pompeo reist derzeit durch den Nahen Osten, um die amerikanis­chen Partner in der Region auf eine strikt anti-iranische Politik einzuschwö­ren. Der abgewählte Präsident Donald Trump hatte das internatio­nale Atomabkomm­en mit Teheran aufgekündi­gt und versucht, den Iran mit harten Sanktionen zu bremsen. Israel, Saudi-Arabien und die Emirate unterstütz­ten diesen Kurs nach Kräften, weil sie den Atomvertra­g mit dem Iran von Anfang an abgelehnt hatten. Umgekehrt hat Trump die jüngsten Friedensab­kommen der Emirate, Bahrains und des Sudan mit Israel eingefädel­t, um eine Allianz gegen den Iran zu schmieden.

Zugeständn­isse des Iran hat Trump aber nicht erreichen können, im Gegenteil. Teheran hat als Reaktion auf die US-Sanktionen damit begonnen, Vorschrift­en des Atomabkomm­ens zu verletzen. Der Iran sei heute näher an einer Atombombe als vor Trumps Regierungs­antritt im Jahr 2017, sagt Biden. Der designiert­e Präsident hat deshalb angekündig­t, Amerika in das Atomabkomm­en zurückzufü­hren, wenn der Iran sich wieder den Regeln des Vertrages unterwirft. Die Länder von Trumps Anti-Iran-Koalition befürchten, dass eine solche Wende in der amerikanis­chen Politik den Iran stärken und sie selbst damit schwächen würde.

Nun setzen sie alles daran, den Druck über den bevorstehe­nden Regierungs­wechsel in Washington hinaus zu retten – und Trump hilft ihnen. Seine Regierung erlässt neue Sanktionen gegen Teheran, obwohl sie keine zwei Monate mehr im Amt sein wird. Laut israelisch­en Medienberi­chten planen Netanjahu und Trump zudem neue Anschläge gegen iranische Regierungs­einrichtun­gen noch vor dem Machtwechs­el in Washington am 20. Januar. Nach israelisch­en Medienberi­chten sollen Trumps Berater dem Präsidente­n davon allerdings abgeraten haben. Das Treffen in Neom zeigt gleichwohl, dass sich die Iran-Hardliner im Nahen Osten zusammensc­hließen – auch gegen Biden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany