Gemeinsam gegen den Iran?
Naher Osten
Ein Geheimtreffen zwischen Israel und Saudi-Arabien und seine Botschaft an den neuen US-Präsidenten
Jerusalem/Riad Wenn sie wollen, können die Regierungen von Israel und Saudi-Arabien ihre Geheimnisse sehr gut für sich behalten. Doch diesmal wollen sie nicht. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu besuchte am Wochenende den saudischen Thronfolger Mohammed bin Salman und sprach mit ihm über den gemeinsamen Kampf gegen den Iran. Es war das erste Zusammentreffen zwischen Spitzenpolitikern des jüdischen Staates und der saudischen Monarchie überhaupt, die sich als Hüterin der heiligsten Stätten im Islam versteht. Zugleich war das Treffen ein Warnschuss gegen den designierten USPräsidenten Joe Biden: Die wichtigsten Partner der USA im Nahen Osten schließen sich gegen seine geplante Iran-Politik zusammen.
Netanjahu flog nach Medienberichten
zusammen mit seinem Geheimdienstchef Yossi Cohen in einem Privatjet heimlich nach Neom, einer im Bau befindlichen saudischen Hightech-Stadt am Roten Meer, die das Reformprogramm von Kronprinz bin Salman und die Zukunft Saudi-Arabiens in einer Zeit nach dem Öl symbolisieren soll. Israelische Berichte über den Besuch wurden von Netanjahus Regierung nicht zurückgewiesen; ein Gefolgsmann des Premiers bestätigte die Visite indirekt sogar mit der Bemerkung, Netanjahu arbeite für den Frieden. Saudi-Arabien dementierte offiziell zwar, doch das Wall Street
erfuhr von Regierungsvertretern in Riad, dass der Besuch tatsächlich stattgefunden hat.
Mit der absichtlich unterlaufenen Heimlichtuerei versuchen die beiden Regierungen, ihre Zusammenarbeit öffentlich zu machen, ohne den saudischen Kronprinzen allzu sehr in Verlegenheit zu bringen. Israel und Saudi-Arabien unterhalten keine diplomatischen Beziehungen. Anders als die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und der Sudan kann die islamische Führungsmacht Saudi-Arabien nicht plötzlich Frieden mit Israel schließen: Sie will sich nicht dem Vorwurf aussetzen, die Palästinenser zu verraten. Diese offizielle Haltung des Königreichs dürfte sich erst nach dem Tod des 84-jährigen Königs Salman ändern.
Dass auch der scheidende amerikanische Außenminister Michael Pompeo bei dem Treffen in Neom dabei gewesen sein soll, passt ins Bild. Pompeo reist derzeit durch den Nahen Osten, um die amerikanischen Partner in der Region auf eine strikt anti-iranische Politik einzuschwören. Der abgewählte Präsident Donald Trump hatte das internationale Atomabkommen mit Teheran aufgekündigt und versucht, den Iran mit harten Sanktionen zu bremsen. Israel, Saudi-Arabien und die Emirate unterstützten diesen Kurs nach Kräften, weil sie den Atomvertrag mit dem Iran von Anfang an abgelehnt hatten. Umgekehrt hat Trump die jüngsten Friedensabkommen der Emirate, Bahrains und des Sudan mit Israel eingefädelt, um eine Allianz gegen den Iran zu schmieden.
Zugeständnisse des Iran hat Trump aber nicht erreichen können, im Gegenteil. Teheran hat als Reaktion auf die US-Sanktionen damit begonnen, Vorschriften des Atomabkommens zu verletzen. Der Iran sei heute näher an einer Atombombe als vor Trumps Regierungsantritt im Jahr 2017, sagt Biden. Der designierte Präsident hat deshalb angekündigt, Amerika in das Atomabkommen zurückzuführen, wenn der Iran sich wieder den Regeln des Vertrages unterwirft. Die Länder von Trumps Anti-Iran-Koalition befürchten, dass eine solche Wende in der amerikanischen Politik den Iran stärken und sie selbst damit schwächen würde.
Nun setzen sie alles daran, den Druck über den bevorstehenden Regierungswechsel in Washington hinaus zu retten – und Trump hilft ihnen. Seine Regierung erlässt neue Sanktionen gegen Teheran, obwohl sie keine zwei Monate mehr im Amt sein wird. Laut israelischen Medienberichten planen Netanjahu und Trump zudem neue Anschläge gegen iranische Regierungseinrichtungen noch vor dem Machtwechsel in Washington am 20. Januar. Nach israelischen Medienberichten sollen Trumps Berater dem Präsidenten davon allerdings abgeraten haben. Das Treffen in Neom zeigt gleichwohl, dass sich die Iran-Hardliner im Nahen Osten zusammenschließen – auch gegen Biden.