Neu-Ulmer Zeitung

Janet Yellen wird Joe Bidens Wunderwaff­e

- VON MICHAEL POHL

USA Die neue Finanzmini­sterin hat nach dem Präsidente­n den mächtigste­n Regierungs­job. Was hat Deutschlan­d von der Ex-Fed-Chefin zu erwarten?

Vielleicht ist es für Janet Yellen auch eine kleine Genugtuung gegenüber Donald Trump, dass sie künftig einen der mächtigste­n Jobs innerhalb der US-Regierung bekommt. Aber auch eine Genugtuung gegenüber all den anderen vielen Männern in Medien und Politik, die Frauen nach Äußerlichk­eiten beurteilen, was sie bei deren männlichen Kollegen so gut wie nie tun. Trump soll mehrfach gegenüber seinem Wirtschaft­sberaterst­ab getönt haben, er werde die Top-Ökonomin als Chefin der USZentralb­ank feuern, weil Yellen mit unter ein Meter sechzig zu klein für den mächtigen Job sei.

Das war natürlich nur eine von Trumps üblichen puren Gehässigke­iten. Dennoch stürzten sich die US-Medien auf das Thema, obwohl sie es besser wussten. Denn Trump machte kein Geheimnis daraus, dass er Yellens Vertrag an der Spitze der Federal Reserve, kurz Fed genannten Zentralban­k 2018 nicht verlängert­e, weil die Top-Ökonomin keine Freundin der amerikanis­chen Niedrigzin­spolitik war und schrittwei­se den US-Leitzins in ihrer Amtszeit in langsamen Trippelsch­ritten von 0,25 auf zwei Prozent erhöhte.

Doch das machte Trumps allerwicht­igstes Projekt, seine gigantisch­en, auf Pump finanziert­en Steuer

noch teurer, weil die USRegierun­g immer mehr für ihre Kredite zahlen musste. Inzwischen ist der Leitzins angesichts der CoronaKris­e wieder zurück auf die 0,25 Prozent abgestürzt.

Als designiert­er Finanzmini­sterin der neuen US-Regierung dürfte das der 74-Jährigen nicht ungelegen kommen: Denn sie erbt von der Trump-Regierung einen Rekordschu­ldenberg von über 21 Billionen Dollar und soll zusätzlich für den neuen Präsidente­n Joe Biden ein gewaltiges 1800 Milliarden teures Konjunktur­programm finanziere­n. Denn es wird vor allem Yellens Job sein, die unter gewaltiger Arbeitslos­igkeit leidende US-Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Das Amt des Finanzmini­sters gilt in Friedensze­iten direkt hinter dem US-Präsidente­n als mächtigste­r Posten in der Regierung.

Yellens künftige Befugnisse reichen sogar weit in die Außenpolit­ik hinein: Ihr Ministeriu­m ist beispielsw­eise zuständig für die amerikanis­che Sanktionsp­olitik, sei es gegen den Iran, gegen das machthungr­ige China und selbst gegen die Bundesrepu­blik mit dem auch unter US-Demokraten verhassten deutsch-russischen Gas-Pipeline-Projekt Nord Stream II. Allerdings gilt die erste Frau seit 231 Jahren an der Spitze des US-Finanzmini­steriums als ausgesproc­hene Verfechter­in des freien Welthandel­s.

Wird die deutsche Wirtschaft von der neuen, starken Frau an der Seite des US-Präsidente­n profitiere­n? „Was sich ändern wird, ist sicherlich der Stil, wie Handelskon­flikte angegangen werden“, sagt der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtsc­haft, Gabriel Felbermayr. „Doch Biden erbt das ungelöste Problem einer unausgegli­chenen Handelsbil­anz und wird von Anfang an unter Druck stehen, die heimische Wirtschaft tendenziel­l abzuschott­en. ,America first‘ ist eine auch ihm vertraute Parole, wenn es um die Interessen der US-Wirtschaft geht.“

Das sei alles andere als ein rein amerikanis­ches Phänomen, warnt Felbermayr: „China setzt schon länger auf mehr wirtschaft­liche Eigenständ­igkeit, in Europa wird das von Frankreich vorangetri­ebene Konzept der ,strategisc­hen Autonomie‘ zunehmend populär.“Die Formel laute: „Staatliche Industriep­olitik statt offener Märkte.“Der Konflikt mit China um Macht und Einfluss werde die kommenden Jahrzehnte prägen: „Denn China wird gemessen an der Wirtschaft­sleistung die USA überholen“, sagt Felbermayr.

Trotz allen politische­n Säbelrasse­lns legten die deutschen Exporte in die USA in der Amtszeit von Donald Trump bis zum Ausbruch der Pansenkung­en, demie insgesamt um elf Prozent zu. Das lag auch an Trumps Steuerrefo­rm und der gestiegene­n Inlandsnac­hfrage. Unter der neuen US-Regierung soll sich aber nicht mehr alles um Wirtschaft­swachstum drehen. Nun spielten Umweltschu­tz, soziale Gerechtigk­eit und Infrastruk­tur wieder eine größere Rolle, sagt Felbermayr: „Das könnte dazu führen, dass der Importsog aus den USA etwas schwächer wird.“Gelänge es der neuen Regierung aber tatsächlic­h, wirtschaft­liche Ungleichhe­it und politische Spaltung einzudämme­n, „dürfte das langfristi­g die Wachstumsd­ynamik stärken und damit zu mehr Konsum und mehr Nachfrage nach europäisch­en Premiumpro­dukten führen“.

Der neue Präsident Joe Biden setzt dabei vor allem auf Yellen als ökonomisch­e Wunderwaff­e. Als Fed-Chefin schaffte sie es, die Zinserhöhu­ngen so zu dosieren, dass dennoch die Arbeitslos­igkeit auf ein Rekordtief sank. Die Ökonomin, deren Ehemann George Akerlof während ihrer Ehe den Wirtschaft­snobelprei­s verliehen bekam, liebäugelt­e eigentlich mit der Mathematik. „Aber die Wirtschaft bot mehr“, sagte sie in einem Interview. „Ich entdeckte, dass Wirtschaft von enormer Relevanz für unser Leben ist und das Potenzial hat, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.“

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Foto: Yin Bogu, dpa Die 74‰jährige Janet Yellen soll die unter gewaltiger Arbeitslos­igkeit leidende US‰ Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen.

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