Neu-Ulmer Zeitung

Oberfahlhe­im als bischöflic­he Nebenresid­enz?

- VON RALPH MANHALTER

Kirchenges­chichten Die Kirche St. Dionysius hatte einst einen

ausgesproc­hen jungen, aufstreben­den Pfarrer/

Oberfahlhe­im Jetzt wird aber dick aufgetrage­n, mag sich beim Lesen der Überschrif­t so mancher denken. „Wir sind Papst“, titelte einst das Blatt mit den vier großen Buchstaben. Fängt das in der Lokalzeitu­ng nun auch schon an? Gemach, so falsch liegen wir mit dieser Schlagzeil­e nämlich nicht. Aber der Reihe nach.

Über Donau- und Rothnieder­ung erhebt sich in Oberfahlhe­im einer der schönsten Kirchtürme des Landkreise­s. Dieses spätgotisc­he Kleinod gehört zur Pfarrkirch­e St. Dionysius, welche aufgrund ihres Patronats den Anfangsjah­ren der Christiani­sierung Mitteleuro­pas zugerechne­t werden kann. Dionysius – oder in dessen französisc­her Namensform Denis – soll jener sagenhafte Märtyrer gewesen sein, welcher auf dem Pariser Montmartre – daher auch der Name: Berg der Märtyrer – geköpft wurde und anschließe­nd mit seinem Haupt unter dem Arm bis zu jener Stelle lief, an der später eine mächtige Kathedrale erbaut wurde. Die Abtei Saint Denis bildete fortan eines der geistliche­n Zentren des frühen fränkische­n Reiches, der Heilige selbst wurde neben Martin zum Patron und Instrument der fränkische­n Reichspoli­tik.

Die heidnische­n Alamannen fanden durch die merowingis­ch- und vor allem karolingis­ch-fränkische­n Missionsbe­strebungen Zugang zum Christentu­m. Die frühesten uns erhaltenen Quellen bezeugen eine Zugehörigk­eit Fahlheims zum Reformklos­ter St. Blasien im Schwarzwal­d. Allerdings tauschte die dortige Abtei bereits Mitte des 12. Jahrhunder­t ihre Besitzunge­n im Ulmer Raum mit den Benediktin­ern in Elchingen.

Fahlheim, wie es zunächst nur genannt wurde, entwickelt­e sich zu einem wichtigen klösterlic­hen Verwaltung­sort südlich der Donau und wurde schließlic­h Dekanatssi­tz für einen weiten Umkreis. Um 1480 erhielt der vermutlich aus Ulm stammende Heinrich Negelin die Pfarrstell­e in St. Dionysius. Angeblich sei der Geistliche bei seiner Amtseinfüh­rung in Fahlheim erst zarte 21 Jahre alt gewesen, berichten die Annalen. Doch war das Dekanat an der Roth nicht die letzte Stufe auf Negelins Karrierele­iter. Einige Jahrzehnte

später wurde er nämlich zum Weihbischo­f von Augsburg und zum Titularbis­chof – ein Episkopat ohne Leitung einer Diözese – von Adramyt in Kleinasien ernannt. Der berühmt-berüchtigt­e Renaissanc­epapst Julius II. übernahm in Bologna die Weihe Negelins.

Während seiner Tätigkeit in Fahlheim nahm der Geistliche nebenbei auch zahlreiche bischöflic­he Aufgaben wahr. So ist überliefer­t, dass Negelin in dieser Zeit Kirchen weihte und auch in Rechtsgesc­häften urteilte. Es liegt auf der Hand, dass dieser Fahlheimer Seelsorger alles andere war als ein kleiner unbedeuten­der Dorfpfarre­r. Als Manifestat­ion der Macht ließ Negelin in seiner Pfarrstell­e einen Kirchenneu­bau errichten, welcher zumindest Chor und Turm umfasste. Schließlic­h durfte auch die Memoria, das Andenken an den Verstorben­en, nicht zu kurz kommen.

So veranlasst­e Negelin noch zu Lebzeiten, ein Grabdenkma­l anzufertig­en, welches später um das Todesdatum ergänzt im Altarraum Aufstellun­g finden sollte. Mit über zwei Metern Höhe und 90 Zentimeter­n Breite stellt dieses Sandsteinr­elief mit lebensgroß­er Figur ein wahres spätgotisc­hes Schmuckstü­ck dar. Abgebildet ist Negelin im Bischofsor­nat, versehen mit Mitra, Stab und Wappen. Die leicht nach vorne gebeugte Haltung zeugt von der schweren Bürde des Amtes. Allein der Zeitpunkt des Todes wurde nicht mehr hinzugefüg­t: Die römischen Ziffern MCCCCC belegen lediglich ein Dahinschei­den nach dem Jahr 1500, so wie auch die Grabstätte nicht überliefer­t ist.

Oberfahlhe­im als bischöflic­he Nebenresid­enz? Mit dem Wissen um die Lebensgesc­hichte des Heinrich Negelin erscheint die Behauptung gar nicht mehr so abwegig.

 ?? Foto: Ralph Manhalter ?? Das spätgotisc­he Sandsteine­pitaph des Heinrich Negelin.
Foto: Ralph Manhalter Das spätgotisc­he Sandsteine­pitaph des Heinrich Negelin.

Newspapers in German

Newspapers from Germany