Neu-Ulmer Zeitung

Verborgene­n Schätze sollen wieder ans Licht

- VON DAGMAR HUB

Projekt

Das Ulmer Haus der Begegnung will bisher unzugängli­che Räume wieder öffnen. Die haben einiges zu bieten

Ulm Im Inneren des Hauses der Begegnung steckt eine Menge Stadtund Kirchenges­chichte, verborgen vor den Augen der Öffentlich­keit. Die evangelisc­he Bildungsei­nrichtung „Haus der Begegnung“– also die ehemalige und kriegszers­törte Dreifaltig­keitskirch­e Ulms – wirkt von außen wie ein Gotteshaus der Renaissanc­e. Innen erkennt der Besucher in den von Gruppen und Kreisen sowie als Ausstellun­gs- und Büroräume genutzten Flächen nüchterne Architektu­r, wie sie in den späten 70er und frühen 80er Jahren üblich war. Was nur wenige wissen und kennen: Der gotische Chor der Ursprungsk­irche (Baubeginn etwa 1281, Weihe 1305), eine Predigerki­rche der Dominikane­rmönch in Ulm, überstand einen Brand in der frühen Neuzeit und die Bombardier­ung des 17. Dezember 1944. Damit blieben auch dessen ehemalige Seitenkape­llen und die einstige Sakristei erhalten. Nur wenige Menschen aus der Region dürften diese Räume aus der Hochgotik kennen. Sie sollen im Zuge einer im Frühjahr beginnende­n Sanierung des Hauses der Begegnung für die Öffentlich­keit zugänglich gemacht werden.

Es war jene Zeit nach dem Niedergang der Staufer: Neue Herrschaft­sstrukture­n kamen auf, in Ulm begann die große Zeit der Patrizierf­amilien Krafft und Ehinger, die wohl ihre Sitze an der Herdbrücke hatten. Die erste bekannte Stiftung der Familie Krafft war die Predigerki­rche der Dominikane­r. Auf den Weg gebracht hat sie „Krafft der alte Schreiber“, ehe er 1297 starb. Wer in die bislang unzugängli­chen Räume kommt, die der Wiederaufb­au um das Jahr 1980 rüde zu Büro- und Kopierräum­en umfunktion­iert hat, spürt immer noch viel von der Atmosphäre jener Zeit.

In einem dieser Räume wurde ein höheres Bodennivea­u eingezogen, sodass man sich direkt unter den gotischen Kreuzrippe­n befindet. Vier Schlussste­ine sind erhalten, auf dreien ist nicht mehr erkennbar, welche Vorbilder dort abgebildet waren. Vielleicht Ordensgrün­der Dominikus, vielleicht Thomas von Aquins Lehrer Albertus Magnus? Auf einem Schlussste­in der sogenannte­n „Thomaskape­lle“ist Thomas von Aquin dargestell­t, wie er – wohl um 1310 – auf diesen Schlussste­in gemalt wurde. Thomas von Aquin, gestorben 1274, gilt als einer der einflussre­ichsten Philosophe­n und als bedeutends­ter katholisch­er Theologe der Geschichte. In der einstigen Sakristei ist auch das älteste Fresko auf Ulmer Boden erhalten, das ebenfalls um 1310 datierte zarte Marienfres­ko mit einem fröhlichen, fast tänzerisch­en Kind auf dem Schoß.

Weil diese Räume bereits vor gut 700 Jahren auf Bildung und Spirituali­tät hin ausgericht­et waren, wünschte sich HdB-Leiterin Andrea Luiking, dass die gotischen Kreuzrippe­ngewölbe wieder offen sein sollen für die Allgemeinh­eit – als zusammenhä­ngender Raum und im Bereich mit dem erhöhten Niveau auch für Rollstuhlf­ahrer zugänglich. Sie können ein Platz sein für Geschichts­interessie­rte ebenso wie für Menschen, die hier Andacht suchen, oder auch für kleinere Konzertere­ignisse. Die Tradition von Bildung und Spirituali­tät setzte der um 1295 am Bodensee geborene Mystiker Heinrich Seuse fort. Er lebte im Ulmer Dominikane­rkloster, verfasste reflektier­te Schriften und starb dort 1366. Auch der erste Ulmer Stadtchron­ist Felix Fabri wirkte als Lesemeiste­r im Dominikane­rkloster.

Architekt des Bauprojekt­s im HdB ist Max Stemshorn, der mit der Sanierung der ehemaligen Ulmer Dreikönigs­kirche, Grablege der Patrizierf­amilie Krafft, Erfahrung im Umgang mit mittelalte­rlichen Gebäuden hat. Für die Sanierung des Hauses der Begegnung stehen zwei Millionen Euro zur Verfügung. Geplant sind unter anderem eine neue Heizungsan­lage, eine Notbeleuch­tung, eine Küche und behinderte­ngerechte Toiletten. „Benötigen würden wir wohl fünf Millionen“, vermutet Andrea Luiking angesichts der Chance, das gotische Ulmer Kleinod im Kern des Hauses erlebbar zu machen.

Die Bildungsei­nrichtung benötigt daher weiteres Geld für die Sanierung und hat eine Spendenakt­ion ins Leben gerufen. Unter dem Stichwort „Sanierung Kapelle HdB“oder „Inventar Kapelle HdB“können Zuwendunge­n auf ein Konto der Sparkasse Ulm mit der IBAN DE68 6305 0000 0000 1004 98 überwiesen werden.

 ??  ??
 ?? Fotos: Dagmar Hub ?? Das älteste Fresko auf Ulmer Boden ist das der Maria mit dem Jesuskind im Haus der Begegnung. Es war der Öffentlich­keit lange verborgen, ebenso wie dieser Schluss‰ stein, der Thomas von Aquin zeigt.
Fotos: Dagmar Hub Das älteste Fresko auf Ulmer Boden ist das der Maria mit dem Jesuskind im Haus der Begegnung. Es war der Öffentlich­keit lange verborgen, ebenso wie dieser Schluss‰ stein, der Thomas von Aquin zeigt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany