Neu-Ulmer Zeitung

Bei Dunkelheit joggen?

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Bei Dunkelheit joggen bedeutet joggen ohne Helligkeit. Wann immer aber ein „ohne“mit im Spiel ist, geht es um Verzicht. Backen ohne Zucker, Essen ohne Salz, Bundesliga ohne Zuschauer, Skifahren ohne Schnee (also echten, schönen pudrigen). „Ohne“bedeutet jedenfalls fast immer, da fehlt etwas, das eigentlich naturgemäß dazugehört. Und beim Joggen ohne Helligkeit ist es nicht nur das Licht. Sondern auch all das, was samt des Lichts verschwind­et. Was man also alles beim Joggen im Dunkeln nicht sieht: Sonnenstra­hlen, die sich zwischen den Bäumen brechen. Die Krähe, die einen lässig am Boden sitzend heranlaufe­n lässt, erst im letzten Moment den Abflug macht. Leuchtende Blätter, die einfach noch nicht fallen wollen. Eichhörnch­en beim Sprung. Steine, die jemand auf einer alten Bank zum Turm angehäuft hat. Einzelne Handschuhe, am Baum drapiert, damit sie gefunden werden. Müll. Okay, Letzteres passt nicht ins Konzept, bitte streichen. Es ist fast so, als würde man tagsüber joggen und dabei die Augen schließen. Macht keiner. Ist ja auch viel zu gefährlich. Wer ohne Helligkeit joggt, muss deswegen auch höllisch aufpassen. Auf Pfützen, Stolperste­llen und abends im Wald übrigens auch auf Wildschwei­ne! Wer tagsüber joggt, weiß, dass sie da sind, wegen all der Kuhlen. Joggen im Dunkeln ist deswegen ein bisschen so wie Joggen auf dem Laufband. Macht man, weil man sich bewegen, Kilometer runterreiß­en, fit bleiben möchte. So wie man sich mittags die labbrige Käsesemmel einverleib­t, weil man eben hungrig ist, aber nicht, weil sie besonders gut schmeckt. Wenn es irgendwie möglich ist, sollte man aber auf so etwas im Leben verzichten. Immer das Schönere, Bessere, Geschmackv­ollere wählen – genießen. So wie beim Laufen das Licht.

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