Neu-Ulmer Zeitung

Kaufen wir Lebensmitt­el bald viel öfter im Internet?

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Konsum Der Onlinehand­el gehört zu den großen Gewinnern der Krise. Nur bei Supermärkt­en und Discounter­n ist das Bestellen im Internet

noch immer die Ausnahme. Corona könnte das ändern und einen Milliarden­markt neu verteilen. Es gibt aber noch Schwierigk­eiten

nun schnell aufzuholen. Lidl und Aldi Süd haben zwar eigene OnlineShop­s. Lebensmitt­el sucht man dort, mit Ausnahme von Wein und Spirituose­n, aber vergebens. Ob sich das bald ändern könnte, dazu hüllen sich die Unternehme­n in Schweigen. Aldi Süd antwortet auf Anfrage immerhin, man verfolge „die Entwicklun­gen im OnlineHand­el sehr genau“und und prüfe „darüber hinausgehe­nde Möglichkei­ten im Bereich E-Commerce“. Lidl will gar nichts dazu sagen.

Es gibt auch eine Reihe handfester Gründe, warum selbst solche Handelsrie­sen bisher vor der Entwicklun­g des Onlinemark­tes zurückgesc­hreckt sind. Die Margen im Lebensmitt­elhandel in Deutschlan­d sind extrem schmal. Erst recht gilt das für die Discounter, bei denen die Aktionswar­e darum nicht wegzudenke­n ist. Online-Lebensmitt­elhandel kostet aber erst mal Geld: Die Ware muss kommission­iert, Kühlketten eingehalte­n und alles für den Versand verpackt werden. Zudem war die Bereitscha­ft der Kunden, ihre Einkaufsge­wohnheiten zu ändern, bislang nicht sehr ausgeprägt. „Wir haben ein extrem dichtes Netz an stationäre­n Märkten in Deutschlan­d, es ist sehr einfach, seine Einkäufe zu erledigen“, erklärt

Hinzu kommt das Thema Vertrauen: „Die meisten Kundinnen und Kunden wollen ihrer Gewohnheit nachgehen und frische Ware selbst prüfen, bevor sie sie kaufen“, so Stüber weiter. Doch das Jahr 2020 hat vieles verändert.

Es gab einen ersten Lockdown im Frühjahr und die Kunden haben plötzlich gemerkt, dass es bequem ist, sich auch Lebensmitt­el liefern zu lassen. Und: Nudeln und andere Lebensmitt­el waren zeitweise knapp. „Die Gewohnheit­en wurden zwangsweis­e etwas aufgebroch­en“, fasst Stüber dies zusammen. Nun ist das Interesse der Kunden da. Aber die Händler sind noch nicht so weit.

„Der Markt für Lebensmitt­el ist online eines der kleinsten Segmente, aber mit dem größten Potenzial“, sagt Lars Hofacker, E-CommerceSp­ezialist des Kölner Handelsfor­schungsins­tituts EHI. Viele neue Anbieter versuchen derzeit, teils sehr erfolgreic­h, ein Stück davon zu erobern. Flaschenpo­st heißt so ein Start-up, das sich auf den digitalen Vertrieb von Getränken spezialisi­ert hat und dabei so erfolgreic­h war, dass es nun von der Dr. OetkerGrup­pe übernommen wurde. Doch das ganze Vollsortim­ent eines Supermarkt­es online anzubieten, ist eine ungleich größere Herausford­erung als das Bedienen einer Nische. „Momentan sehen das die großen Händler meiner Meinung nach vor allem als eine Investitio­n in die Zukunft. Wenn das Geschäft richtig Fahrt aufnimmt, muss man dabei sein, sonst wird es ganz schwierig“, sagt Hofacker. Potenzial sieht er: „Die Rentner von morgen werden Lebensmitt­el online kaufen, da entstehen erst ganz neue Käuferschi­chten“, ist sich der Handelsexp­erte sicher. Für die breite Masse werde der Onlinehand­el in naher Zukunft aber zu teuer bleiben. „Es ist einfach günstiger, wenn die Kunden durch den Supermarkt gehen und die Ware selbst kommission­ieren.“

Doch es gibt noch andere Möglichkei­ten. Eine davon hat der Leipheimer Ladenbau-Spezialist Wanzl erst vor kurzem für einen Kunden in Oldenburg verwirklic­ht. Angegliede­rt an einen Supermarkt können Kunden dort an einem Automaten rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche einkaufen – ohne sich Gedanken um Abstandsre­geln zu machen. Aus rund 500 Artikeln können die Kunden an einem DisStüber. play auswählen, darunter auch gekühlte Frischware, Obst und Gemüse. Ein Roboter übernimmt dann das Kommission­ieren und über eine Lucke kommt der Einkauf zum Kunden. „In Zukunft wird es darum gehen, die Offline- und die Onlinewelt noch viel stärker zu verzahnen. Für den Händler ist es nicht wichtig, ob er auf Kanal eins oder Kanal zwei Geld mit dem Kunden verdient. Für ihn kommt es darauf an, dass der Kunde zu ihm kommt, in seinem Ökosystem bleibt“, ist Jürgen Frank, der Geschäftsb­ereichslei­ter bei Wanzl, überzeugt.

Damit er das tut, könnten die Händler nicht mehr nur eine Lösung bieten. Das beweise auch das Beispiel Amazon. Der US-Gigant öffnet auch immer mehr Läden in Innenstädt­en. Außerdem hat Amazon vor wenigen Jahren mit Whole Foods sogar eine ganze Frische-Supermarkt­kette gekauft. Am Ende gehe es immer auch um das Einkaufser­lebnis, sagt Frank. „Dafür ist es sicher sinnvoll, eine lokale Präsenz zu haben.“Für den Kunden wird der Einkauf in Zukunft also wohl bequemer. Es dauert nur noch ein wenig, denn auch für die Händler ist es schwierig, während der Krise an neuen Projekten zu arbeiten, ergänzt Frank.

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Foto: Robert Michael, dpa Einkaufen ist derzeit umständlic­her als früher.

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