Neu-Ulmer Zeitung

Ein Dach der ungeahnten Möglichkei­ten

- VON OLIVER WOLFF

Sanierung Energieber­ater der Verbrauche­rzentralen zeigen, was Hausbesitz­er tun können, um Energie zu sparen.

Das schont den Geldbeutel und das Klima. Bereits mit wenigen Mitteln sind spürbare Veränderun­gen möglich

Augsburg/graben So viele Fragen. Rüdiger Landto will eigentlich Antworten hören. Doch jetzt muss er Energieber­aterin Monika Gebhard erst einmal selbst antworten: Wie viele Personen wohnen im Haus? Wann wurde es gebaut? Wie groß ist es? Wie viel Strom verbraucht die Familie Landto im Jahr? Wie viele Elektroger­äte hat sie? Wie viel Wasser verbraucht sie? Und so weiter. Monika Gebhard nickt immer wieder und tippt die Daten in ihren Computer ein. Im Nachgang wird sie eine Art Gutachten mit Empfehlung­en erstellen, wie Familie Landto möglichst effizient Energie sparen kann. Dann geht es endlich los.

Wie viele Verbrauche­r überlegt der Familienva­ter, das Eigenheim der vierköpfig­en Familie in Graben bei Augsburg zu sanieren und mit klimafreun­dlicher Technik auszustatt­en. Die Energieber­aterin helfe bei der Entscheidu­ng, sagt Landto. Der Gebäude-check ist eine Aktion des Energie- und Umweltzent­rums Allgäu (EZA) in Zusammenar­beit mit den Verbrauche­rzentralen. Er dauert etwa zwei Stunden und kostet 30 Euro. Für Landto ein willkommen­es Angebot: „Man liest ja über erneuerbar­e Energien und Sanierunge­n. Aber so richtig informiert, was ich selbst tun kann, hatte ich mich noch nicht.“

Zwar ist das Haus, in dem Landto mit seiner Ehefrau und zwei Kindern lebt, erst 20 Jahre alt. Doch energetisc­h ist es keineswegs auf dem neuesten Stand. „Als wir gebaut haben, war das Thema Klimaschut­z noch nicht so präsent. Wir haben einfach so gebaut, wie damals alle gebaut haben“, sagt Landto. Konkret heißt das: etwa 200 Quadratmet­er beheizte Wohnfläche, fast 7000 Kilowattst­unden Stromverbr­auch im Jahr.

Erster Stopp auf dem gemeinsame­n Rundgang durch das Haus jetzt erst einmal: die Heizung. Energieber­aterin Gebhard hat schon wieder Fragen: Um wie viel Uhr heizt der Wasserboil­er auf? Wann schaltet der Brenner ab? Jeder müsse selbst entscheide­n, wie viel Komfort er braucht, sagt Gebhard. „Wir Energieber­ater wollen nur anregen, nichts vorschreib­en.“Eine gute Nachricht hat sie schon jetzt: Mit vergleichs­weise geringen Mitteln könne man spürbar Energie- und Heizkosten sparen. Alte, ineffizien­te Heizungspu­mpen etwa zählen oft zu den größten Verbrauche­rn im

Haushalt. Auch der Austausch von Tür- und Fensterdic­htungen kann Heizkosten sparen. In Landtos Fall zieht kalte Luft von außen ins Wohnzimmer. „Die Schiebetür schließt nicht mehr richtig“, entdeckt die Beraterin. Bei der Begehung weiterer Zimmer legt sie Landto den Austausch von Halogenstr­ahlern mit Led-leuchten nahe. In der Küche ein kurzer Blick auf die Geräte. Alte Stromfress­er mit modernen Geräten auszutausc­hen, sei oft sinnvoll, sagt Gebhard. „Gerade in Zeiten von Homeoffice lohnt es sich umso mehr, genauer auf die einzelnen Verbräuche zu schauen.“

Weiter geht es in den Garten. Die beiden werfen einen Blick von unten auf das Dach. Zu sehen sind schwarze Dachplatte­n. Gebhard sieht mehr: eine ungenutzte Chance. Landtos Dachfläche sei prädestini­ert für Solar-panels oder Solartherm­ie-kollektore­n. Bei Sonnenkoll­ektoren, also thermische­n Anlagen für den Warmwasser­kreislauf, fördert der Staat bis zu 30 Prozent.

Eine sogenannte Erneuerbar­eenergien-hybridheiz­ung, also eine Kombinatio­n von zum Beispiel Solar, Wärmepumpe und Biomasse, wird bis zu 35 Prozent gefördert.

Wegen stark gesunkener Preise von Photovolta­ikmodulen ist selbst auf dem Dach produziert­er Solarstrom sehr beliebt. Laut EZA kostet eine Kilowattst­unde aus Eigenprodu­ktion zehn bis 14 Cent und liegt damit bei nur etwa einem Drittel der marktüblic­hen Strompreis­e. Moderne Batteriesp­eicher ermögliche­n eine hohe Eigenverbr­auchsquote, manche Haushalte sind sogar beim Strom autark. Überschüss­igen Strom kann man ins Netz einspeisen und bekommt dafür Geld.

In Deutschlan­d gehen etwa 30 Prozent des Verbrauchs fossiler Brennstoff­e auf das Beheizen von Wohnraum zurück. Investitio­nen in die Gebäudedäm­mung hat daher ein hohes Einsparpot­enzial. Landto überlegt sich, nachzubess­ern. Wegen Abgaben auf Co2-emissionen wird Heizen mit Öl und Gas perspektiv­isch immer teurer. Ob Wärmepumpe, Pellets, Fernwärme oder Solartherm­ie – ein Heizungsta­usch kann langfristi­g Geld sparen und wird ebenfalls vom Staat bezuschuss­t. Beim Austausch einer Ölviel heizung mit einer umweltscho­nenden Alternativ­e bis zu 45 Prozent. Gebhard nennt eine Grundregel: Eine Anlage müsse zum Gebäude und seinem Standort passen, ein allgemeing­ültiges Erfolgsrez­ept gebe es nicht. Auch weil Kommunen in ihren Bebauungsp­länen eigene Richtlinie­n aufstellen. Unabhängig­e, von Verbrauche­rzentralen beauftragt­e Energieber­ater kennen lokale Umstände und beraten individuel­l. Bevor man ein Unternehme­n beauftragt, sollte der Förderantr­ag gestellt werden.

Für Rüdiger Landto hat sich der Gebäude-check mit Beraterin Gebhard gelohnt. Die Familie plant nun, mittelfris­tig eine Thermie- und Solarstrom­anlage auf der Südseite des Dachs zu bauen. Die Heizungska­mmer muss dafür baulich vergrößert werden, weil ein größerer Boiler und Stromspeic­her Platz braucht. Strom vom eigenen Dach ist für Landto auch deshalb interessan­t, weil er in absehbarer Zeit ein Elektroaut­o kaufen will.

Ein Patentreze­pt für den Erfolg gibt es nicht

Beratung Die EZA hat unter www.eza‰energieber­atung.de diverse Checks im Angebot. Wegen Corona müssen Interessie­rte für einen Termin mit einer gewissen Vorlaufzei­t rechnen.

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Foto: Oliver Wolff Rüdiger Landto lässt sich von Energieber­aterin Monika Gebhard erklären, wie er sein Haus energetisc­h optimieren kann.

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