Angeklagter will sich vor Prozess drücken
Justiz Immer wieder führt ein 28-Jähriger eine mögliche Corona-erkrankung an, um nicht vor Gericht erscheinen zu müssen. Die Staatsanwaltschaft hat davon nun genug. Dem Mann drohen bittere Konsequenzen
Neuulm Ein 28-Jähriger sollte sich vor dem Amtsgericht Neu-ulm wegen Betrugs und Diebstahls in mehreren Fällen verantworten. Drei Minuten vor Verhandlungsbeginn meldete sich der Mann per E-mail als „krank“vom Prozess ab. Es ist nicht das erste Mal, dass er sich auf diese Weise aus der Verantwortung stehlen will. Wieder waren zwölf Zeugen völlig umsonst zum Gericht gekommen. Für den Angeklagten wird das wohl sehr bittere Konsequenzen haben.
Im aktuellen Fall sollte der Mann wegen Computerbetrugs in sechs Fällen und Diebstahls in vier Fällen vor Gericht stehen. Er hat wohl mehrfach Produkte im Internet auf den Namen von anderen Personen bestellt, die Pakete an sich genommen und die Rechnungen nie beglichen. Den Ärger wegen der unbezahlten Rechnungen hatten dann aber die am Hals, auf deren Namen die Pakete geliefert wurden.
Auch bei den Diebstählen ist der 28-Jährige, der im Landkreis Neuulm lebt, besonders dreist vorgegangen. So hat er beispielsweise ein rund 3300 Euro teures E-bike für eine Probefahrt ausgeliehen und nicht mehr zurückgebracht. In drei Fällen hat er vorgegeben, gebrauchte Handys kaufen zu wollen und hat im Gespräch mit den Verkäufern deren Handys unbemerkt von denen entwendet. Tatorte waren Senden, Illertissen und Vöhringen.
Eine erste Verhandlung im Dezember vergangenen Jahres hatte der 28-Jährige bereits verpasst. Damals schon hatte er sich einfach krank gemeldet, wegen angeblichen Grippe- und Corona-symptomen. Ein Hausarzt hatte ihm dafür auch ein Attest erstellt. Ähnlich ging der Angeklagte wohl bei einem Prozesstermin am Landgericht Memmingen vor, wo er in einer anderen Sache angeklagt zu sein scheint.
Zum aktuellen Termin am Mittwoch ist der Angeklagte nun wieder nicht erschienen. Minuten vor Prozessbeginn schickte er eine E-mail an das Gericht, in der er angab, wegen einer schweren Kopfverletzung nicht gerichtsfähig zu sein. Er sei wegen dieser Verletzung sogar in der Notaufnahme in der Weißenhorner Klinik gewesen. Der Unfallchirurg, der den Mann dort behandelt hatte, hat dem Gericht ebenfalls seine Untersuchungsergebnisse mitgeteilt: Nahezu alles war ohne besonderen Befund. Der Richter übersetzte die komplexe Arztsprache dann auch so: „Auf deutsch gesagt: gar nichts.“Der Angeklagte ist damit zumindest nach Ansicht des Arztes an der Weißenhorner Klinik fit für eine Verhandlung. Neben seiner Kopfverletzung spielte der 28-Jährige wieder auf etwaige Corona-symptome vor und kündigte an, ein entsprechendes Attest seines Hausarztes nachliefern zu wollen.
Zur Verärgerung des Gerichts trug weiter bei, dass der Angeklagte alle Versuche, Kontakt aufzunehmen, blockierte. Sowohl sein
Pflichtverteidiger als auch der Bewährungshelfer hatten eigenen Aussagen zufolge über einen längeren Zeitraum mehrfach und über alle ihnen zur Verfügung stehenden Kanäle versucht, den Angeklagten zu erreichen. Sein Bewährungshelfer sagte, er habe zuletzt im November mit ihm gesprochen.
Das Gericht habe das Gefühl, der Angeklagte spiele mit Corona, weil er weiß, dass das Gericht berechtigterweise sensibel mit dem Thema umgeht, so der Richter, der im weiteren Verlauf des Verhandlungstermins sagte: „Nur weil jemand das Wort ‘Corona’ in den Mund nimmt, kann das nicht automatisch dazu führen, dass ein Gerichtstermin entfällt.“Doch diesmal blieb ihm wieder kaum etwas anderes übrig, als alle zwölf Zeugen nach Hause zu schicken. Die Polizei, die den Mann per Vorführbefehl zum Gericht bringen sollten, war zunächst erfolglos. Er war nicht an seiner angeblichen Wohnadresse anzutreffen. Bis die Beamten ihn bei einem Arzt in Ulm ausfindig gemacht hatten, war es zu spät, um mit der langwierigen Verhandlung zu beginnen. Die Zeugen hätten alle mehrere Stunden auf ihre jeweiligen Aussagen warten müssen.
Doch welche Konsequenzen hat das nun für den Angeklagten, der inzwischen drei Mal seine Gerichtstermine versäumt hat? Vermutlich äußerst Bittere. Denn auch die Staatsanwaltschaft hat jetzt genug vom ewigen Hin und Her und hat einen Haftbefehl beantragt. Sie sieht auch Fluchtgefahr bei dem 28-Jährigen. Die Entscheidung darüber wollte der Richter nicht öffentlich fällen. Gibt er dem Antrag statt, muss der Angeklagte bis zum Beginn seiner Verhandlung, die nun neu angesetzt wird, in Untersuchungshaft.