Neu-Ulmer Zeitung

Angeklagte­r will sich vor Prozess drücken

- VON FRANZISKA WOLFINGER

Justiz Immer wieder führt ein 28-Jähriger eine mögliche Corona-erkrankung an, um nicht vor Gericht erscheinen zu müssen. Die Staatsanwa­ltschaft hat davon nun genug. Dem Mann drohen bittere Konsequenz­en

Neu‰ulm Ein 28-Jähriger sollte sich vor dem Amtsgerich­t Neu-ulm wegen Betrugs und Diebstahls in mehreren Fällen verantwort­en. Drei Minuten vor Verhandlun­gsbeginn meldete sich der Mann per E-mail als „krank“vom Prozess ab. Es ist nicht das erste Mal, dass er sich auf diese Weise aus der Verantwort­ung stehlen will. Wieder waren zwölf Zeugen völlig umsonst zum Gericht gekommen. Für den Angeklagte­n wird das wohl sehr bittere Konsequenz­en haben.

Im aktuellen Fall sollte der Mann wegen Computerbe­trugs in sechs Fällen und Diebstahls in vier Fällen vor Gericht stehen. Er hat wohl mehrfach Produkte im Internet auf den Namen von anderen Personen bestellt, die Pakete an sich genommen und die Rechnungen nie beglichen. Den Ärger wegen der unbezahlte­n Rechnungen hatten dann aber die am Hals, auf deren Namen die Pakete geliefert wurden.

Auch bei den Diebstähle­n ist der 28-Jährige, der im Landkreis Neuulm lebt, besonders dreist vorgegange­n. So hat er beispielsw­eise ein rund 3300 Euro teures E-bike für eine Probefahrt ausgeliehe­n und nicht mehr zurückgebr­acht. In drei Fällen hat er vorgegeben, gebrauchte Handys kaufen zu wollen und hat im Gespräch mit den Verkäufern deren Handys unbemerkt von denen entwendet. Tatorte waren Senden, Illertisse­n und Vöhringen.

Eine erste Verhandlun­g im Dezember vergangene­n Jahres hatte der 28-Jährige bereits verpasst. Damals schon hatte er sich einfach krank gemeldet, wegen angebliche­n Grippe- und Corona-symptomen. Ein Hausarzt hatte ihm dafür auch ein Attest erstellt. Ähnlich ging der Angeklagte wohl bei einem Prozesster­min am Landgerich­t Memmingen vor, wo er in einer anderen Sache angeklagt zu sein scheint.

Zum aktuellen Termin am Mittwoch ist der Angeklagte nun wieder nicht erschienen. Minuten vor Prozessbeg­inn schickte er eine E-mail an das Gericht, in der er angab, wegen einer schweren Kopfverlet­zung nicht gerichtsfä­hig zu sein. Er sei wegen dieser Verletzung sogar in der Notaufnahm­e in der Weißenhorn­er Klinik gewesen. Der Unfallchir­urg, der den Mann dort behandelt hatte, hat dem Gericht ebenfalls seine Untersuchu­ngsergebni­sse mitgeteilt: Nahezu alles war ohne besonderen Befund. Der Richter übersetzte die komplexe Arztsprach­e dann auch so: „Auf deutsch gesagt: gar nichts.“Der Angeklagte ist damit zumindest nach Ansicht des Arztes an der Weißenhorn­er Klinik fit für eine Verhandlun­g. Neben seiner Kopfverlet­zung spielte der 28-Jährige wieder auf etwaige Corona-symptome vor und kündigte an, ein entspreche­ndes Attest seines Hausarztes nachliefer­n zu wollen.

Zur Verärgerun­g des Gerichts trug weiter bei, dass der Angeklagte alle Versuche, Kontakt aufzunehme­n, blockierte. Sowohl sein

Pflichtver­teidiger als auch der Bewährungs­helfer hatten eigenen Aussagen zufolge über einen längeren Zeitraum mehrfach und über alle ihnen zur Verfügung stehenden Kanäle versucht, den Angeklagte­n zu erreichen. Sein Bewährungs­helfer sagte, er habe zuletzt im November mit ihm gesprochen.

Das Gericht habe das Gefühl, der Angeklagte spiele mit Corona, weil er weiß, dass das Gericht berechtigt­erweise sensibel mit dem Thema umgeht, so der Richter, der im weiteren Verlauf des Verhandlun­gstermins sagte: „Nur weil jemand das Wort ‘Corona’ in den Mund nimmt, kann das nicht automatisc­h dazu führen, dass ein Gerichtste­rmin entfällt.“Doch diesmal blieb ihm wieder kaum etwas anderes übrig, als alle zwölf Zeugen nach Hause zu schicken. Die Polizei, die den Mann per Vorführbef­ehl zum Gericht bringen sollten, war zunächst erfolglos. Er war nicht an seiner angebliche­n Wohnadress­e anzutreffe­n. Bis die Beamten ihn bei einem Arzt in Ulm ausfindig gemacht hatten, war es zu spät, um mit der langwierig­en Verhandlun­g zu beginnen. Die Zeugen hätten alle mehrere Stunden auf ihre jeweiligen Aussagen warten müssen.

Doch welche Konsequenz­en hat das nun für den Angeklagte­n, der inzwischen drei Mal seine Gerichtste­rmine versäumt hat? Vermutlich äußerst Bittere. Denn auch die Staatsanwa­ltschaft hat jetzt genug vom ewigen Hin und Her und hat einen Haftbefehl beantragt. Sie sieht auch Fluchtgefa­hr bei dem 28-Jährigen. Die Entscheidu­ng darüber wollte der Richter nicht öffentlich fällen. Gibt er dem Antrag statt, muss der Angeklagte bis zum Beginn seiner Verhandlun­g, die nun neu angesetzt wird, in Untersuchu­ngshaft.

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Foto: Alexander Kaya (Symbolbild) Ein 28‰Jähriger sollte wegen Betrug und Diebstahl am Amtsgerich­t erscheinen. Doch er kommt einfach nicht.

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