Theater pur: Claudia Riese feiert ihren 60. Geburtstag
Leidenschaft Die Chefin des Theaters Neu-ulm lebt ein bewegtes Künstlerleben – davon erzählt ihr Bühnen- und Lebenspartner Heinz Koch
Neuulm In sechs Jahrzehnte passt immens viel Leben, wenn man so aktiv ist wie Claudia Riese. Die Schauspielerin, die mit ihrem Mann Heinz Koch seit 1994 das Theater Neu-ulm betreibt (anfangs als „Augustheater“gegründet und bald und für lange Zeit im historischen Konzertsaal residierend), feiert am heutigen Samstag ihren 60. Geburtstag: ein Gespräch mit Heinz Koch, der Claudia Riese 1979 erstmals begegnete – über eine Schauspielerin, Regisseurin, Intendantin mit mehr als vier Jahrzehnten Bühnenerfahrung, aber auch über seine Frau.
Theaterverrückt war Claudia Riese schon als Kind und Jugendliche: „Ein Schlaf Gefangener“hieß jenes Stück Christopher Frys im Ulmer Westentaschentheater, bei dem Riese erstmals auf der Bühne stand, kaum dass sie die Mittlere Reife hinter sich hatte. Bis dahin hatte sie dort in der Technik und anfangs als Platzanweiserin gearbeitet. In jenem Stück trat auch Heinz Koch erstmals in Ulm auf, ein in Mülheim an der Ruhr geborener Schauspieler. Man arbeitete zusammen, man spielte sogar Paare – Petrucchio und die widerspenstige Katharina zum Beispiel in Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“. Im Privatleben aber war die junge Schauspielerin Claudia Riese, bald Mutter von drei Kindern, mit Westentaschenchef Thomas Dentler verheiratet. Der gemeinsame Start von Riese und Koch, privat wie als Theatermacher, kam erst 1994 nach der privaten wie beruflichen Trennung von Dentler und Claudia Riese. Und eigentlich ist ihre Ehe, verrät Heinz
Koch, sogar noch frisch: Geheiratet hat das Paar vor zwei Jahren, als sich Koch von seinem 2018 erlittenen schweren Herzinfarkt erholte.
Wenn man als Schauspieler mit einer Schauspielerin verheiratet ist, weiß man da immer, woran man ist? Heinz Koch lacht. Auch wenn Buster Keaton mit seiner stoischen Miene sein Vorbild ist – er sei jemand, der schlecht verbergen könne, was gerade in ihm vorgehe, gibt er zu. „Wenn ich traurig bin oder sauer, dann merkt man das gleich.“Und Claudia Riese? „Sie ist ein total emotionaler Mensch“, erzählt Koch. „Ihr Vorteil ist: Sie ist nicht nachtragend. Und letztlich haben wir studiert, wie man als Paar miteinander umgeht, so von ‘Caveman’ an – die Dinge, die ewigen Bestand haben.“
An Claudia Riese als Schauspielerin bewundert Koch die Fähigkeit, Rollen intuitiv zu erfassen. „Was sie auf der Bühne darstellt, holt sie aus sich selbst heraus. Sie macht niemandem etwas vor, auch sich selbst nicht, sondern sie erfasst die Situation einer Figur so, dass man meint: Sie ist so.“Die Zuschauer bewundern Claudia Rieses enorme Wandlungsfähigkeit, die trotzdem immer echt wirkt, egal ob sie gerade verzweifelt, glücklich, sexy, stur oder derb schwäbisch erscheint. „Claudia Riese spürt das, was sie auf der Bühne verkörpert“, sagt Koch.
Rieses größter Erfolg war Franca Rames und Dario Fos Ein-personen-stück „Sex – aber mit Vergnügen“– eine Schule dessen, wie das
Glück der Liebe und damit der Menschheit vielleicht erreicht werden könnte. „Sie hat das Solo gelernt, als sie zu einer Kur war, in der sie fast ganz zum Schweigen verurteilt war, weil man befürchtete, sie könnte ihre Stimme verlieren“, erinnert sich Koch. Oder Pamela Gems´ „Marlene“: „Frau Riese war damals vielleicht noch ein bisschen jung, sie war erst 40, als sie Marlene Dietrich zu einem Zeitpunkt in deren Leben verkörperte, als die schon deutlich älter war. Aber Frau Riese war klasse!“
„Frau Riese“– gern nennt Heinz Koch seine Frau so, und man merkt ihm an, dass er sie riesig findet. „Sie hat fast alle großen Frauenrollen gespielt – das Gretchen im ‘Faust’, Johanna von Orléans oder Katharina von Bora in Christine Brückners ‘Ungehaltene Reden ungehaltener Frauen’, die Titelrolle in Georg Kreislers ‘Lola Blau’ – eine vollständige Liste wäre zu lang. „Liebe und andere Katastrophen“heißt ein Erfolgsstück, das das Paar und Duo Riese/koch als Comedy-eigenproduktion gemeinsam auf die Bühne brachte und spielte.
Apropos Liebe und Katastrophen: Welche Eigenschaft schätzt Koch am meisten an Claudia Riese? Der 75-Jährige schweigt einen kurzen Moment, ehe er etwas sagt, was mit der Bühne nichts zu tun hat: „Ich hab bis heute noch keinen Gedanken daran verschwendet, wie man das alles eines Tages beenden könnte.
Die Treue, die sie mir geschenkt hat, als ich nach dem Herzinfarkt wiederbelebt werden musste. Sie hat immer zu mir gehalten. Immer, in allen Katastrophen, durch die wir auch durch mussten.“