Was an Ostern gilt
Hintergrund Die Politik hat ein ganzes Bündel an Maßnahmen beschlossen. Es soll die dritte Welle brechen. Doch gelingt das?
● Die Strategie Der Schritt war absehbar: Der Corona-lockdown muss verlängert werden. Übergeordnetes Ziel ist es, das exponentielle Wachstum der dritten Coronawelle zu brechen. „Die Beschlüsse verdeutlichen, dass die Öffnungsstrategie der letzten Wochen gescheitert ist“, sagt Clemens Fuest, Chef des Ifo-instituts für Wirtschaftsforschung in München. „Vor allem waren die Öffnungen nicht an Teststrategien gebunden.“Jetzt sei der Lockdown über die Osterfeiertage unausweichlich. Mediziner reagierten zumindest auf die Einsicht der Ministerpräsidentenrunde erleichtert. „Die Politik hat erkannt, dass wir in einer schwierigen Phase der Pandemie sind und die Impferfolge nicht gefährden dürfen“, sagt der Präsident der Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx. „So sind die Entscheidungen hin zu verstärkten Notbremsen, einer Ruhephase ohne Versammlungen über Ostern und geschlossene Gastronomien hart, aber wichtig.“● Ruhetage Von Gründonnerstag (1. April) bis einschließlich Ostermontag bleiben Betriebe, Behörden und Geschäfte (mit Ausnahmen) in ganz Deutschland geschlossen. Die Regierung ruft das Prinzip aus: „Wir bleiben zu Hause.“Die Ministerpräsidenten
nennen es „erweiterte Ruhezeit zu Ostern“. Der Epidemiologe Dirk Brockmann vom Robert-koch-institut (RKI) hält diese Maßnahmen durchaus für wirksam. „Das könnte nach meiner Ansicht einen sehr positiven Effekt haben, weil eine ganze Reihe von Tagen dann quasi Ruhetage sind, also Sonntage“, sagt Brockmann im Deutschlandfunk. Schon beim „Wellenbrecher“im Frühjahr habe sich gezeigt, dass viele Menschen ihre Aktivitäten runtergefahren hätten. „Und das hatte dann (...) ein, zwei Wochen später einen sehr starken Effekt auf die Fallzahlen, weil sehr viel weniger Kontakte stattfinden.“● Tests So bald wie möglich sollen Beschäftigte in Schulen und Kitas sowie Schüler zweimal pro Woche getestet werden. Auch in Betrieben soll es eine Teststrategie geben. Konkreter haben sich die Ministerpräsidenten nicht gefasst. Dabei ist dieser Punkt nach Meinung vieler Experten so wichtig. „Um Schulen und Wirtschaft nach den Ferien eine Perspektive für sichere und nachhaltige Öffnungen zu geben, ist es essenziell, das Testen und das Nachverfolgen und Isolieren von Infektionsfällen massiv auszubauen“, sagt Ifo-chef Clemens Fuest und fordert einen Kraftakt: „Bund und Länder sollten dafür deutlich mehr Finanzmittel bereitstellen.“
● Handel Es ist einer der umstrittensten Punkte: Erstmals wird am
Gründonnerstag auch der Einzelhandel zu Schließungen gezwungen. Kritiker fürchten, dass der Andrang am Karsamstag umso größer werde. „Die traurige Ironie dabei ist, dass er die Infektionsrisiken nicht reduzieren wird“, sagt der Fdp-fraktionsvize Stephan Thomae über den zusätzlichen Ruhetag. „Stattdessen wird es vor und nach diesem Lockdown umso mehr Gedränge in den Einzelhandelsgeschäften geben.“Richtig wäre das Gegenteil gewesen: Ladenöffnungszeiten ausdehnen, um Kundenströme zu entzerren und damit Infektionsrisiken zu senken. Thomaes Urteil: „Der gesunde Menschenverstand scheint bei den Entscheidungen in den Hintergrund zu rücken.“Edeka Südbayern versucht es mit Appellen: „Wir empfehlen, die Ostereinkäufe möglichst frühzeitig und verteilt innerhalb der Woche vor Ostern zu tätigen, um Wartezeiten vor und in den Märkten möglichst gering zu halten“, sagt Sprecher Christian Strauß.
● Ostern Für private Zusammenkünfte gilt in Bayern: In Gebieten mit einer 7-Tage-inzidenz zwischen 50 und 100 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner dürfen sich zwei Haushalte mit maximal fünf Personen treffen – Kinder bis 14 Jahre werden nicht mitgezählt. In Gegenden mit einer 7-Tage-inzidenz von über 100 sind Treffen nur mit einer einzigen weiteren Person erlaubt.
● Kirchen Bisher waren die Kirchen davon ausgegangen, an Ostern Gottesdienste unter Einhaltung der Corona-regeln abhalten zu können. Nun werden die Religionsgemeinschaften gebeten, auf Präsenzgottesdienste zu verzichten. Heinrich Bedford-strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, reagiert entsprechend enttäuscht. „Der Beschluss des Corona-gipfels hat uns sehr überrascht, zumal davon das wichtigste Fest der Christen betroffen wäre“, sagt er und fordert weitere Erklärungen. „Wir werden uns in den von der Bundeskanzlerin angekündigten Gesprächen zunächst genau erläutern lassen, warum die bewährten Hygieneschutz-maßnahmen, die alle Landeskirchen für ihre Gottesdienste haben, nun nicht mehr ausreichen sollen.“
● Reisen Die gute Nachricht: Reisen kann man überall hin. Die schlechte: Man findet keine Unterkunft. Hotels und Ferienwohnungen bleiben auch an Ostern in allen Bundesländern für Touristen geschlossen. Anders sieht es im Ausland aus. Reisen nach Mallorca sind möglich. Die Ministerpräsidenten sehen keine rechtliche Handhabe gegen die Auslandsreisen. Dafür sollen Urlauber unmittelbar vor dem Rückflug auf Corona getestet werden. Außerdem erwarten Bund und Länder von den Fluggesellschaften, dass sie in den Osterferien keine zusätzlichen Flüge nach Mallorca anbieten. Die Tourismus-gesellschaft Allgäu ist enttäuscht. „Dass die Menschen Abstand vom Alltag suchen, ist verständlich“, sagt deren Sprecherin Simone Zehnpfennig. „Gerade jetzt, zu einer Zeit, in der viele Familien gezwungen sind, auf engem Raum viel Zeit miteinander zu verbringen.“Warum man nicht Urlaub im eigenen Bundesland machen kann, sei nicht nachvollziehbar.
● Beruf Arbeitgeber sollen ihren Mitarbeitern weiterhin Homeoffice ermöglichen. Wo das nicht geht, sollen sie regelmäßige Tests anbieten, „mindestens einmal und bei entsprechender Verfügbarkeit zweimal pro Woche“. Eine Pflicht gibt es nicht. Dabei sind aus Sicht des Mobilitätsforschers Kai Nagel von der TU Berlin vor allem ungeschützte Kontakte in Innenräumen ein Problem. Dass diese vermieden werden sollten, komme im Beschluss von Bund und Ländern seiner Einschätzung nach zu kurz, kritisiert er. Auch seien Zwangsmaßnahmen im Sinne der Infektionsbekämpfung effektiver als auf die persönliche Verantwortung der Bevölkerung und der Unternehmen zu setzen, wie es die Politik macht.
● Schulen In Bayern sollen bei einem Inzidenzwert unter 50 sämtliche Schulklassen in den Präsenzunterricht zurückkehren. Zwischen 50 und 100 Neuinfektionen je 100000 Einwohner binnen einer Woche erfolgt für alle Jahrgänge Wechselunterricht. Bei einem Wert von über 100 gilt grundsätzlich Distanzunterricht – allerdings mit Ausnahmen. So findet in den Abschlussklassen sowie in der vierten Klasse der Grundschule und den Jahrgangsstufen 11 an Gymnasien, Fachoberschulen und Berufsoberschulen Präsenzunterricht mit Mindestabstand oder Wechselunterricht statt. In die Klassenzimmer dürfen dabei aber nur Schüler sowie Lehrkräfte, die über einen negativen Corona-test verfügen oder in der Schule einen entsprechenden Selbsttest mit negativem Ergebnis gemacht haben. (mit dpa)