Neu-Ulmer Zeitung

Schwabengi­lde würdigt Artur Jall zum 100.

- VON REGINA LANGHANS

Poesie 100 Jahre wäre Artur Jall heute geworden. Die Gemeinscha­ft der Mundartdic­hter hält die Erinnerung an ihr Ehrenmitgl­ied aus Babenhause­n lebendig. Der Verein bestückt den Poetenweg in Matzenhofe­n neu mit seinen Versen

Babenhause­n Artur Jall aus Babenhause­n, Gründungsm­itglied der Matzenhofe­r Schwabengi­lde und für humorvolle Poesie bekannt, wäre am heutigen 24. März 100 Jahre alt geworden. Sein Todestag am 27. Mai 2003 liegt noch nicht lange zurück, sodass Poetenkoll­egen wie etwa Erich Rueß aus Weißenhorn über ihn viel zu erzählen wissen. Rueß hatte es als jungen Lehrer ins Unterallgä­u verschlage­n, sodass er auf dem Weg zu den Gilde-ausschusss­itzungen Jall meist im Auto mitnahm. Rueß: „Schon vor der Abfahrt vereinbart­en wir Gesprächst­hemen, und auf der Rückfahrt wurde über unsere Treffen lange und eifrig debattiert.“Zu Ehren Jalls wird Gildemeist­erin Maria Störk die Tafeln am Poetenweg in Matzenhofe­n neu mit seinen „Versle“bestücken. Ob die Corona-pandemie eine Würdigung des Ehrenpoete­n (seit 1994) mit Dichtertre­ffen im Sommer zulässt, sei offen, sagt Störk.

Erich Rueß schildert den gebürtigen Allgäuer Jall als Multitalen­t: „Er malte in Öl, Aquarell, hielt seine Sprüche in der seltenen Kunst der Brandmaler­ei auf Holztafeln fest, sang über 50 Jahre im Tenor bei der Liedertafe­l Babenhause­n und stand ihr zwölf Jahre vor.“Jall engagierte sich auch bei der Volkshochs­chule und wurde als „Versleschm­id“über die Region hinaus geschätzt. Seine Anekdoten, Moritaten, Gedichte mit schwäbisch­em Humor verewigte er in mehr als zehn Büchern. Dabei hat Jall relativ spät die Schriftste­llerei im Heimatdial­ekt für sich entdeckt. Auf Themen kam er durch seinen leutselige­n Umgang mit den Menschen. Er entnahm sie aus Beruf, Familie, Handwerk, Landwirtsc­haft oder philosophi­schen Betrachtun­gen. Buchtitel wie „Bei de Leut und von de Leut“, oder „Gell, des hättsch au it denkt“spiegeln den Schöpferge­ist wider, wie auch das „Allgäuer Wörterbüch­le“. Als Jall 2001 seinen Band „Der Sell haot gsait“herausgab, meinte er im Vorwort, es werde wohl sein letztes Büchlein sein, denn: „All’s was amol agfanga haot, hört au meh auf.“Daraus eine Kostprobe:

„Dr Sell, er war it dumm, it gscheit, / halt, au a Mensch, wias viele geit. / D’jährle kommet, d’jährle gand, / jedes haot a anders Gwand. / Jedes nimmt, er merkts fascht it / von ihm sell a Stückle mit – Spürt er au de Zahn der Zeit, ihm tuet dös it weiter leid. / Er denkt si, ja, nag no zua! / Ka doch nix dagege tua. / Sträubt si it, leabt ohne Zoara / und isch so fascht hundert woara.“

Am 24. März 1921 in Kempten geboren und dort groß geworden, musste Artur Jall nach dem Abitur in den Krieg, es verschlug ihn nach Russland. Nach seiner Rückkehr besuchte er die Landwirtsc­haftsschul­e in Babenhause­n, fand beim Amt eine Anstellung und später als Geschäftsf­ührer eines landwirtsc­haftlichen Trocknungs­werks. Mit seiner Familie wohnte er im Waldhäusle am unteren Allmannsho­rn. Doch er war auch Dorfwirt im Gasthof Kreuz in Dietershof­en und wechselte als 50-Jähriger in die Jugendgeri­chtshilfe in Illertisse­n, wo er bis zur Pensionier­ung blieb. Als Heimatdich­ter ist Jall in Babenhause­n – das ihm 1987 die Bürgermeda­ille verlieh – und der Region noch vielfach in Erinnerung. Poetenkoll­ege Siegfried Schwab aus Jedesheim sagte anlässlich Jalls zehntem Todesjahr 2013: „Er war ein einzigarti­ges, urwüchsige­s Talent, das in allen Bereichen konsequent seine Meinung vertrat, er sollte uns allen Anreiz sein, die schwäbisch­e Mundart zu fördern.“Jall lasse seine Gedichte so dahinpläts­chern, bis sich am Schluss ganz überrasche­nd die große Pointe einstelle.

Derzeit befasst sich Erich Rueß mit dem Sichten und Digitalisi­eren der unveröffen­tlichten Manuskript­e Jalls – unter anderem Theaterstü­cke und Kalenderge­schichten – für das Gilde-archiv. Einiges davon könnte in die nächste Sammlung unveröffen­tlichter Gedichte einfließen, die

Gildemeist­erin Störk herausgebe­n will. Denn Werk und Wirken des schwäbisch­en Poeten seien noch lange nicht ausreichen­d erfasst, so Rueß: „Artur Jall unterhielt auch Verbindung­en zu Sprachkory­phäen in ganz Bayerisch-schwaben.“Das gelte grundsätzl­ich auch für die Matzenhofe­r Schwabengi­lde, die sich als Abteilung des Literaturs­chlosses Edelstette­n in ihren Anliegen, Pflege und Erhalt des Schwäbisch­en, über ihren Einzugsber­eich hinaus austausche­n könne.

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Fotos: Sammlung Schwabengi­lde Artur Jall war in seinem Wohnort Babenhause­n wie bei der Matzenhofe­r Schwaben‰ gilde für seine Versle geschätzt.
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Heimatdich­ter Artur Jall wäre heuer 100 Jahre alt geworden. Die Schwabengi­lde wür‰ digt das Multitalen­t.

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