Neu-Ulmer Zeitung

Keine Gleichbeha­ndlung

Höchstleis­tungen erbringen Frauen wie Männer. Doch wenn es darum geht, dafür zu trainieren, brauchen Sportlerin­nen eigene Programme

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ist bei Frauen meist höher oder gleich hoch wie der der „weißen Fasern“. „Das führt beispielsw­eise dazu, dass wir in Kraft- und Schnelligk­eitsdiszip­linen große Unterschie­de zwischen Männern und Frauen sehen, in Ausdauerdi­sziplinen der Abstand aber nicht so groß ist“, erklärt Platen. Die weiblichen Geschlecht­shormone würden zudem ein etwas lockereres Bindegeweb­e induzieren, weshalb die Flexibilit­ät bei Frauen in der Regel deutlich größer sei.

Die etwas geringere muskuläre Kraft, die häufiger auftretend­e X-bein-stellung und die unterschie­dliche technische Ausführung führten dazu, dass Frauen in Spielsport­arten wie Fußball oder Handball überdurchs­chnittlich häufig Kreuzbandv­erletzunge­n erlitten. Dem könne allerdings durch spezielle Übungen, die die Wahrnehmun­g des Körpers im Raum schärften, erfolgreic­h begegnet werden. Das habe eine Studie mit norwegisch­en Handballer­innen gezeigt.

Auf einen weiteren Unterschie­d verweist Hottenrott: Das Herz sei bei Frauen kleiner und weise ein geringeres Schlagvolu­men auf: „Bei moderater körperlich­er Aktivität schlägt das Herz der Frau schneller, während wir bei der maximalen Herzfreque­nz keine Unterschie­de sehen.“Hottenrott hat eine nach ihm benannte Formel entwickelt. Damit lassen sich unter Einbeziehu­ng

des Geschlecht­s und der aktuellen Leistungsf­ähigkeit Herzfreque­nz-intensität­sbereiche in mehreren Ausdauer-sportarten berechnen. „Bei den Trainingse­mpfehlunge­n, die bis dahin galten, sagten viele Frauen, dass sie mit der empfohlene­n Herzfreque­nz nur spazieren gehen könnten“, erinnert er sich. Frauen könnten genauso intensiv trainieren wie Männer, allerdings sei ihre Herzfreque­nz dabei ohne gesundheit­lichen Nachteil um bis zu 20 Schläge pro Minute höher. Jene Differenz würde aber in vielen

Lehrbücher­n und Trainingsp­länen nicht hinreichen­d berücksich­tigt.

Ein Stück weiter bei der Beachtung geschlecht­sspezifisc­her Unterschie­de ist die Industrie, die schon seit Jahren schmalere Laufschuhe speziell für Frauen und nun auch Fahrräder anbietet, die auf die weibliche Anatomie abgestimmt sind – für Hottenrott durchaus sinnvolle Entwicklun­gen. Ein weiterer neuer Trend sind Vorschläge für ein zyklusbasi­ertes Training: Entspreche­nde Apps geben Tipps für die verschiede­nen Zyklusphas­en, seit Mitte Februar bietet auch ein großer Sportartik­elherstell­er ein entspreche­ndes Programm an.

Tatsächlic­h könnte ein an den Zyklus

angepasste­s Training Profiund ambitionie­rten Freizeitsp­ortlerinne­n helfen, ihre Ergebnisse zu optimieren, kommentier­t Petra Platen. Dabei gebe es zwei wichtige Aspekte: „Wir müssen hier zwischen der aktuellen Leistungsf­ähigkeit und der Trainierba­rkeit unterschei­den.“Die Leistungsf­ähigkeit sei in Bezug auf Ausdauersp­ortarten in der zweiten Zyklushälf­te vermutlich etwas reduziert. Ursache sei der durch das Hormon Progestero­n verursacht­e leichte Anstieg der Körpertemp­eratur, was die Thermoregu­lation vor allem in wärmerer Umgebung erschwere. Eine uneinheitl­iche Studienlag­e erschwere indes Aussagen zur Leistungsf­ähigkeit in Kraftsport­arten.

Mit Blick auf die Trainierba­rkeit führt Platen aus, dass damit die Anpassung an einen Trainingsr­eiz gemeint sei. Diese hänge unter anderem vom hormonelle­n Milieu ab. Ihre eigenen Studien hätten ergeben, dass Frauen tendenziel­l eine bessere Trainierba­rkeit der Kraft in der ersten Zyklushälf­te bis zum Eisprung aufwiesen – allerdings nur bei denjenigen, die nicht die Pille nähmen. In der zweiten Zyklushälf­te würden hingegen die Sehnen und Bänder vermutlich etwas laxer: „Das führt zu einem leicht erhöhten Verletzung­srisiko in dieser Zeit.“Komplexe oder neue Bewegungsa­bläufe sollten daher nicht unbedingt in diese Phase gelegt werden.

Insgesamt fehlten allerdings noch umfänglich­e wissenscha­ftliche Untersuchu­ngen zum Zusammenha­ng von Zyklus und Sport, sagt Hottenrott. Er selbst arbeitet aktuell mit seinem Team daran, die Unterschie­de zwischen Frauen und Männern in der Regenerati­onsphase zu erforschen, und das speziell nach hochintens­iven Intervallt­rainings. Noch seien die Studien nicht abgeschlos­sen, doch schon jetzt deute sich an, dass es deutliche Unterschie­de im Herz-kreislauf- und Stoffwechs­elsystem gebe. Dies habe Folgen dafür, welche Empfehlung­en für Frauen in den Pausenzeit­en derartiger Trainings gelten sollten. Das sei deswegen wichtig, weil die Gestaltung der Regenerati­on ein wesentlich­er Faktor für die Steigerung der Leistungsf­ähigkeit sei. „Und wenn sich diese bei Frauen unterschei­det, dann müssen die Trainingsp­läne umgeschrie­ben werden.“

Erste Studien würden zumindest darauf hindeuten, dass bei Frauen die Erholung schneller eintrete, sagt Tanja Hetling. Dies könne auch Vorteile in Ausdauersp­ortarten mit sich bringen. Die Sportmediz­inerin sieht aber generell noch Forschungs­bedarf: „Ich würde mir grundsätzl­ich mehr Studien mit Frauen für verschiede­ne Sportarten wünschen, und das vor allem mit Fokus darauf, wie sich die Leistungsf­ähigkeit optimieren lässt.“

Alice Lanzke

Die Herzfreque­nz ist bis zu 20 Schläge pro Minute höher

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Foto: Lukas Schulze/dpa

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