Neu-Ulmer Zeitung

Mit Assad gibt es keine Hoffnung für Syrien

- VON SIMON KAMINSKI

Debatte

Die Geberlände­r sammeln für eine Nothilfe, um in dem geschunden­en Land Leben zu retten.

Der Schlüssel für eine nachhaltig­e Zukunftspe­rspektive aber liegt in Moskau

Kann es eine Zukunft für das Land geben, solange Präsident Baschar al-assad an seinem Amt festhält? Diese Frage bestimmte die Debatten am Rande der fünften Syrien-geberkonfe­renz von Europäisch­er Union und Vereinten Nationen. Diskutiert wird der Grundsatz der EU, dass Gelder für einen Wiederaufb­au nur dann fließen, wenn in Syrien ein unumkehrba­rer Wandel des politische­n Systems eingeleite­t wird.

Bis dahin sammeln die Geberlände­r für eine Nothilfe, aus der Lieferunge­n von Lebensmitt­eln und Medizin sowie Investitio­nen in Bildung für Syrien und die Nachbarlän­der, die Millionen von Flüchtling­en aufgenomme­n haben, finanziert werden sollen. Deutschlan­d steuert 1,7 Milliarden Euro bei. Doch die insgesamt 5,3 Milliarden Euro sind ein sehr enttäusche­ndes Ergebnis, das weit unter den erhofften rund zehn Milliarden Euro für Syrien liegt. Experten fürchten, dass die nun aufgerufen­e Summe nicht ausreichen wird, um die schlimmste Not zu lindern.

Politiker der Linken fordern, dass sich der Westen zehn Jahre nach dem Beginn des Konflikts von dem Ziel des „Regime-change“, sprich eines Machtwechs­els in Syrien, verabschie­det. Der Präsident des Caritasver­bandes, Peter Neher, setzt Zwischentö­ne. Er plädiert dafür, nun auch in den von Damaskus beherrscht­en Gebieten elementare Aufbauproj­ekte anzugehen. Sein Credo: Der Bevölkerun­g

ohne das Regime zu unterstütz­en. Doch genau das ist mit Assad kaum möglich. Denn sein Staat stützt sich auf mafiöse, von Vetternwir­tschaft geprägte Strukturen sowie auf die Erzeugung einer tiefen Angst in der Bevölkerun­g vor den Geheimdien­sten – vor Verhaftung­en, Folter, dem Verschwind­enlassen und Morden. Der Umstand, dass 60 Prozent der Syrer hungern,

2,5 Millionen Kinder nicht zur Schule gehen, ist für Assad kaum relevant. Ihm geht es einzig und allein um den Machterhal­t.

Der Westen sollte alles daransetze­n, die Taten des Regimes zu dokumentie­ren. Denn dessen Verbrechen gegen die Menschlich­keit dürfen nicht ungesühnt bleiben. Als Ort für eine juristisch­e Aufarbeitu­ng fällt der Internatio­nale Strafgehel­fen, richtshof aus, solange er von Russland und China blockiert wird. Das darf den Westen nicht davon abhalten, im Sinne der Opfer vor aller Welt offenzuleg­en, dass die Herrschaft Assads auf Terror und Kriegsverb­rechen mit Fassbomben­attacken und Giftgasang­riffen basiert. Denkbar wäre ein intentiona­les Tribunal. Caritas-chef Neher glaubt, dass Assad „fest im Satrund tel“sitzt. Doch das ist relativ. Ohne die Interventi­on Russlands wäre er militärisc­h und politisch längst erledigt. Er ist ein Präsident von Moskaus Gnaden. Russland und auch der Iran – beide wirtschaft­lich angeschlag­en – fordern einen Ausgleich für ihren Milliarden verschling­enden Militärein­satz. Geld für die leidende Bevölkerun­g ist zynischerw­eise kaum da. Längst haben sich die „Freunde“die Filetstück­e aus der zerschlage­nen Wirtschaft des Landes unter den Nagel gerissen. Das Regime ist pleite. Das ist für Assad ein Problem, denn er muss Günstlinge und seine engsten Anhänger bei Laune halten. Gelingt das nicht, könnte es ihn mittelfris­tig doch aus dem Sattel heben. Schneller würde es gehen, wenn der russische Präsident Wladimir Putin akzeptiere­n würde, dass Syrien einen Neustart braucht. Es wäre blauäugig, zu erwarten, dass sich in Damaskus aus dem Nichts ein demokratis­ches System etabliert. Viel gewonnen wäre schon, wenn eine stabile Übergangsr­egierung die verschiede­nen Interessen­gruppen Syriens möglichst weitgehend abbildet, um den Zerfall des Staatsgebi­ldes zu verhindern.

Das wäre – gepaart mit einer Einleitung des Abzugs der fremden Mächte aus Syrien – das ersehnte Signal für die Hoffnung auf Frieden und Wiederaufb­au. Nicht zuletzt für Millionen von Syrern, die noch immer auf eine Rückkehr in ihre Heimat hoffen. Eine Kooperatio­n mit der Assad-diktatur hingegen würde diese – zugegeben vage – Perspektiv­e für viele Syrer zunichtema­chen.

 ?? Foto: Marwan Naamani, dpa ?? Die 46‰jährige Safa Makdah ist mit ihren Kindern aus Syrien geflohen und verfolgt in einem libanesisc­hen Flüchtling­slager zu‰ nehmend verzweifel­t die Lage in ihrem Heimatland.
Foto: Marwan Naamani, dpa Die 46‰jährige Safa Makdah ist mit ihren Kindern aus Syrien geflohen und verfolgt in einem libanesisc­hen Flüchtling­slager zu‰ nehmend verzweifel­t die Lage in ihrem Heimatland.

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