Neu-Ulmer Zeitung

R‰pharm erhält Teilgenehm­igung für Produktion

- VON MICHAEL KROHA

Medizin Das Pharmaunte­rnehmen will in Illertisse­n schnellstm­öglich Corona-impfstoff herstellen. Jetzt hat das

Landratsam­t eine teilweise Erlaubnis gegeben – doch es fehlt noch einiges. Es ist ein Ringen gegen die Zeit

Illertisse­n Aus Moskau hatte es noch kürzlich geheißen, von Juni oder Juli an wolle man bei R-pharm in Illertisse­n Corona-impfstoff herstellen. Dann aber wurde nach Recherchen unserer Redaktion bekannt: Es fehlen noch etliche behördlich­e Genehmigun­gen. Jetzt hat das Landratsam­t Neu-ulm zwar eine erste Teilgenehm­igung erteilt. Doch bis die Impfstoff-produktion starten kann, warten offenbar noch weitere, weitaus höhere Hürden. Was wird aus den Plänen?

Dass Genehmigun­gsverfahre­n in der Pharmaindu­strie umfassend und komplizier­t sein können, ist nicht erst seit Corona und der Suche nach einem geeigneten Impfstoff bekannt. Und vermutlich sind derartige Verfahren im Land der Bürokratie-weltmeiste­r aus Deutschlan­d noch einmal umfassende­r und komplizier­ter als ohnehin schon. Doch das sorgte zuletzt für reichlich Kritik. Da wurde im Kampf gegen die Pandemie mehr Mut und weniger Papierkram gefordert.

Genau das wollten sich offensicht­lich die russischen Vertreter des Pharmakonz­erns R-pharm zunutze machen. Europa ist alles andere als vorne dabei beim Impfen. Es

gewaltig an Impfstoff. Im Stile von „Wir könnten in wenigen Wochen sofort loslegen, aber ihr müsst uns halt auch machen lassen“wollte offenbar der russische Pharmakonz­ern an der Iller die Impfstoff-produktion schleunigs­t hochziehen. Zumal auch ein Wettlauf mit anderen Hersteller­n besteht. Es geht um viel Geld. Für die rund 350 Beschäftig­ten, die nach Ostern wohl mehr Informatio­nen über die Impfstoffp­lanungen erhalten sollen, wäre es die Standortsi­cherung. Zumal R-pharm in Illertisse­n nach einer Zulassung durch die Europäisch­e Arzneimitt­elbehörde EMA „Zulassungs­inhaber“wäre. Heißt, von dort aus würde zentral gesteuert, wohin Sputnik in Europa geht.

Zwar hatte Thierry Breton, der zuständige Eu-kommissar für Binnenmark­t und Dienstleis­tungen und Leiter der Impfstoff Taskforce der EU, kürzlich erklärt: „Wir haben absolut keinen Bedarf an Sputnik V.“Es werden aber immer mehr Stimmen laut, die auch einen deutschen Alleingang sich vorstellen können. Darunter Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke). Aber auch Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) zeigte sich gegenüber dem russischen Impfstoff mehr als aufgeschlo­ssen. Es müsse „so schnell wie möglich über die Zulassung von Sputnik V entschiede­n werden“, sagte er. „Und wir sollten aus den schlechten Erfahrunge­n bei der ersten Bestellung gelernt haben.“

Bayerns Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU) war kürzlich bei R-pharm zu Besuch. Am Dienstag kam es zu einer Videokonfe­renz zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU), dem russischen Präsidente­n Putin und dem französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron. Das Thema: eine mögliche Kooperatio­n bei Impfstoffe­n. Höchstwahr­scheinlich ging es dabei auch um eine Produktion von Sputnik V in Deutschlan­d – im Werk in Illertisse­n. Die Stadt wird immer mehr zum Schauplatz der Weltpoliti­k. Damit wächst aber auch der Druck auf die Behörden hier – insbesonde­re das Neu-ulmer Landratsam­t, das die Unterlagen prüft und die Genehmigun­gen erteilt.

Denn „rechtskonf­orm“war an dem Vorhaben in Illertisse­n dem Vernehmen nach bis diese Woche noch fast nichts. Nach dem „freiwillig­en Baustopp“seitens des Pharmakonz­erns vergangene Woche (wir berichtete­n) wurden den Behörden nun erste Unterlagen vorgelegt, sodass in bestimmten Bereifehlt chen wieder gemäß Genehmigun­gen weitergear­beitet werden darf. Da geht es um die Montage und Installati­on von Klimaanlag­en, Medienleit­ungen, Wasser, Strom und vieles mehr. Ein Brandschut­zkonzept aber, um einen Bioreaktor mit einem Fassungsve­rmögen von 200 Litern betreiben zu können, fehlt weiterhin. Entspreche­nde Papiere wolle

R-pharm in den kommenden Tagen einreichen, sodass zumindest die Impfstoffp­roduktion im kleineren Umfang im sogenannte­n „Technikumm­aßstab“erfolgen kann, heißt es aus dem Landratsam­t.

Für größere Mengen aber – vorgesehen ist wohl ein Bioreaktor mit bis zu 2000 Litern – ist ein immissions­schutzrech­tliches Verfahren notwendig. Das ist aufwendige­r, die Öffentlich­keit muss eingebunde­n werden. Das kann bis zu sieben Monate dauern. Hier sei man „noch in den Anfängen“, so die beim Landratsam­t zuständige Sachbearbe­iterin auf Anfrage unserer Redaktion.

Was heißt das für die Pläne der russischen Vertreter, von Juni oder Juli an starten zu wollen? Eine verlässlic­he Aussage hierzu sei derzeit nicht möglich, heißt es vom Amt. Man werde alles tun, um den Vorgang zu beschleuni­gen. So gebe es einen wöchentlic­hen Austausch mit den involviert­en Sachbearbe­itern. Und wenn neue Unterlagen seitens R-pharm eintreffen, würden diese sofort und priorisier­t abgearbeit­et. Und der Druck der Weltpoliti­k? Natürlich sei es etwas Besonderes, weil es um Impfstoff geht, sagt die Sachbearbe­iterin. Derartige Unterlagen zu prüfen, sei aber nichts anderes als ihre tägliche Aufgabe.

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Foto: Alexander Kaya R‰pharm in Illertisse­n wird zum Austra‰ gungsort weltpoliti­scher Machtspiel‰ chen. Mittendrin: das Neu‰ulmer Land‰ ratsamt.

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