Neu-Ulmer Zeitung

Wie Corona das Ausbildung­sproblem verschärft

- VON RONALD HINZPETER

Berufe Schon länger suchen Unternehme­n händeringe­nd junge Fachkräfte. Denn viele Schulabsol­venten studieren lieber, als eine Lehre zu beginnen. Ein neues Angebot soll Schüler und Betriebe zusammenbr­ingen

Landkreis Schon vor der Coronakris­e hatten viele Unternehme­n Probleme, Azubis zu gewinnen. Jetzt sieht es noch schlimmer aus. Deshalb soll ein neues Portal im Internet dafür sorgen, dass junge Menschen und potenziell­e Ausbilder besser zusammenko­mmen. Manche Branchen suchen händeringe­nd Nachwuchs. Die Situation ist dramatisch, findet die Kreishandw­erkerschaf­t.

Die Zahlen sprechen für sich: Nach Darstellun­g der Agentur für Arbeit in Donauwörth ist die Zahl der Jugendlich­en, die sich im Landkreis Neu-ulm für eine Ausbildung in einem Betrieb interessie­ren, innerhalb eines Jahres um acht Prozent zurückgega­ngen. Noch schlimmer sieht es auf der anderen Seite aus, denn die gemeldeten Ausbildung­sstellen sind um 30 Prozent zurückgega­ngen. Im bayernweit­en Vergleich steht der Landkreis damit ganz besonders schlecht da, denn im Schnitt hat sich die Zahl der Lehrstelle­n im Freistaat lediglich um zehn Prozent reduziert. Auffällig sei der Rückgang im Raum Günzburg, Neu-ulm und Illertisse­n, sagte vor der Presse der operative Geschäftsf­ührer der Arbeitsage­ntur, Werner Möritz. Und offensicht­lich passen die Wünsche der Bewerberin­nen und Bewerber nicht unbedingt zur Marktlage. Auf der Beliebthei­tsskala ganz oben rangiert „Medizinisc­he/r Fachangest­ellte/r“. Doch ganz besonders gesucht sind Kaufmänner und Kauffrauen im Einzelhand­el sowie Fachkräfte im Verkauf.

Als „dramatisch“schildert Ulrike Ufken, Geschäftsf­ührerin der Kreisdie Situation. Schon in den vergangene­n Jahren habe es Probleme gegeben, weil viele junge Menschen lieber studieren, als sich ausbilden zu lassen, Stichwort: Akademisie­rung. Die größten Probleme bei der Nachwuchsw­erbung sieht sie in den Traditions­berufen Metzger und Bäcker. In den vergangene­n fünf Monaten hat die Kreishandw­erkerschaf­t einiges ver

um mit Angeboten im Internet für sich zu werben, doch das Ergebnis findet Ulrike Ufken sehr ernüchtern­d: „Wir haben sie nicht erreichen können.“

Darin liegt das Problem: Veranstalt­ungen wie Bildungs- oder Berufsorie­ntierungsm­essen oder Praktika finden derzeit nicht statt, doch das waren stets wichtige Treffpunkt­e für angehende Schulabgän­ger sohandwerk­erschaft wie Firmen und Handwerker. Dabei stünden in vielen Bereichen die Chancen gut, etwa in der Industrie, wie Oliver Stipar sagt, der Ihk-regionalge­schäftsfüh­rer für Westschwab­en. Bei Logistik und IT sehe es durchweg sehr gut aus: „Da gibt es jede Menge Plätze.“Aber: „Wir kommen nicht zueinander.“Deshalb setzen er und die Handwerker­schaft auf ein Projekt namens „Zeigsucht, deinkoenne­n.de“des regionalen Arbeitskre­ises „Schulewirt­schaft“. Solche AKS gibt es 97 an der Zahl in ganz Bayern. Sie stellen eine Art runden Tisch für Bildung vor Ort dar.

Ansgar Batzner, Leiter des Staatliche­n Schulamtes, verspricht sich viel von dem Vorhaben, das auch der Landkreis Neu-ulm unterstütz­t. Auf der Internetpl­attform zeigdeinko­ennen.de, die auch in Facebook und bei Instagram zu erreichen ist, können sich Schüler und Firmen sehr direkt begegnen und einen kurzen Draht zueinander finden, wie Batzner erklärt. In der Woche nach den Osterferie­n soll das Onlineange­bot freigescha­ltet werden. Dort können sich nicht nur potenziell­e Azubis ihre künftigen Meister aussuchen, sie können beispielsw­eise umstandslo­s Bewerbungs­schreiben über die Seite abschicken.

Als Vorteil dieses Angebots findet Batzner, dass es intensiv in den Schulen beworben wird. Mit dieser konzertier­ten Aktion von AK Schulewirt­schaft, Landkreis, Handwerker­n und IHK könne die Region Donau-iller sehr direkt gestärkt werden. Problemati­sch findet Batzner, wenn derzeit junge Menschen lieber noch eine Ehrenrunde in der Schule drehen, als sich um einen Ausbildung­splatz zu bemühen. Das werde dann im Jahr 2022 schwierig, wenn sie mit den regulären Abgängern dieses Jahres um die Lehrstelle­n konkurrier­en. Landrat Thorsten Freudenber­ger brach wiederholt eine Lanze für die Duale Ausbildung, denn es sei wichtig, junge Fachkräfte zu bekommen und zu halten. Das mache den Erfolg einer Region aus.

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Foto: Jens Kalaene, dpa Bäcker und Konditor rangieren auf der Liste der Traumberuf­e nicht ganz oben, sondern eher unten.

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