Wie Corona das Ausbildungsproblem verschärft
Berufe Schon länger suchen Unternehmen händeringend junge Fachkräfte. Denn viele Schulabsolventen studieren lieber, als eine Lehre zu beginnen. Ein neues Angebot soll Schüler und Betriebe zusammenbringen
Landkreis Schon vor der Coronakrise hatten viele Unternehmen Probleme, Azubis zu gewinnen. Jetzt sieht es noch schlimmer aus. Deshalb soll ein neues Portal im Internet dafür sorgen, dass junge Menschen und potenzielle Ausbilder besser zusammenkommen. Manche Branchen suchen händeringend Nachwuchs. Die Situation ist dramatisch, findet die Kreishandwerkerschaft.
Die Zahlen sprechen für sich: Nach Darstellung der Agentur für Arbeit in Donauwörth ist die Zahl der Jugendlichen, die sich im Landkreis Neu-ulm für eine Ausbildung in einem Betrieb interessieren, innerhalb eines Jahres um acht Prozent zurückgegangen. Noch schlimmer sieht es auf der anderen Seite aus, denn die gemeldeten Ausbildungsstellen sind um 30 Prozent zurückgegangen. Im bayernweiten Vergleich steht der Landkreis damit ganz besonders schlecht da, denn im Schnitt hat sich die Zahl der Lehrstellen im Freistaat lediglich um zehn Prozent reduziert. Auffällig sei der Rückgang im Raum Günzburg, Neu-ulm und Illertissen, sagte vor der Presse der operative Geschäftsführer der Arbeitsagentur, Werner Möritz. Und offensichtlich passen die Wünsche der Bewerberinnen und Bewerber nicht unbedingt zur Marktlage. Auf der Beliebtheitsskala ganz oben rangiert „Medizinische/r Fachangestellte/r“. Doch ganz besonders gesucht sind Kaufmänner und Kauffrauen im Einzelhandel sowie Fachkräfte im Verkauf.
Als „dramatisch“schildert Ulrike Ufken, Geschäftsführerin der Kreisdie Situation. Schon in den vergangenen Jahren habe es Probleme gegeben, weil viele junge Menschen lieber studieren, als sich ausbilden zu lassen, Stichwort: Akademisierung. Die größten Probleme bei der Nachwuchswerbung sieht sie in den Traditionsberufen Metzger und Bäcker. In den vergangenen fünf Monaten hat die Kreishandwerkerschaft einiges ver
um mit Angeboten im Internet für sich zu werben, doch das Ergebnis findet Ulrike Ufken sehr ernüchternd: „Wir haben sie nicht erreichen können.“
Darin liegt das Problem: Veranstaltungen wie Bildungs- oder Berufsorientierungsmessen oder Praktika finden derzeit nicht statt, doch das waren stets wichtige Treffpunkte für angehende Schulabgänger sohandwerkerschaft wie Firmen und Handwerker. Dabei stünden in vielen Bereichen die Chancen gut, etwa in der Industrie, wie Oliver Stipar sagt, der Ihk-regionalgeschäftsführer für Westschwaben. Bei Logistik und IT sehe es durchweg sehr gut aus: „Da gibt es jede Menge Plätze.“Aber: „Wir kommen nicht zueinander.“Deshalb setzen er und die Handwerkerschaft auf ein Projekt namens „Zeigsucht, deinkoennen.de“des regionalen Arbeitskreises „Schulewirtschaft“. Solche AKS gibt es 97 an der Zahl in ganz Bayern. Sie stellen eine Art runden Tisch für Bildung vor Ort dar.
Ansgar Batzner, Leiter des Staatlichen Schulamtes, verspricht sich viel von dem Vorhaben, das auch der Landkreis Neu-ulm unterstützt. Auf der Internetplattform zeigdeinkoennen.de, die auch in Facebook und bei Instagram zu erreichen ist, können sich Schüler und Firmen sehr direkt begegnen und einen kurzen Draht zueinander finden, wie Batzner erklärt. In der Woche nach den Osterferien soll das Onlineangebot freigeschaltet werden. Dort können sich nicht nur potenzielle Azubis ihre künftigen Meister aussuchen, sie können beispielsweise umstandslos Bewerbungsschreiben über die Seite abschicken.
Als Vorteil dieses Angebots findet Batzner, dass es intensiv in den Schulen beworben wird. Mit dieser konzertierten Aktion von AK Schulewirtschaft, Landkreis, Handwerkern und IHK könne die Region Donau-iller sehr direkt gestärkt werden. Problematisch findet Batzner, wenn derzeit junge Menschen lieber noch eine Ehrenrunde in der Schule drehen, als sich um einen Ausbildungsplatz zu bemühen. Das werde dann im Jahr 2022 schwierig, wenn sie mit den regulären Abgängern dieses Jahres um die Lehrstellen konkurrieren. Landrat Thorsten Freudenberger brach wiederholt eine Lanze für die Duale Ausbildung, denn es sei wichtig, junge Fachkräfte zu bekommen und zu halten. Das mache den Erfolg einer Region aus.