Neu-Ulmer Zeitung

Es brodelt am Königshof

- VON MARGIT HUFNAGEL

Hintergrun­d Jordanien gilt als Hort der Stabilität inmitten der Unruheregi­on des Nahen Ostens.

Ausgerechn­et von dort kommen nun Putschgerü­chte. Was hinter den Geschehnis­sen steckt

Amman Das kleine Königreich im Nahen Osten ist so etwas wie ein Hoffnungst­räger in einer Region, in der viel zu häufig Chaos, Krieg und Unterdrück­ung regieren. Die Nachbarn fast allesamt Sorgenkind­er: Syrien im Norden, Irak im Osten, das große Saudi-arabien mit seinem System staatliche­r Repression­en gleich nebenan. Wie anders erschien da Jordanien: Nicht nur die Hochglanz-illustrier­ten liebten die schöne Königin Rania, auch die internatio­nale Politik schätzte König Abdullah II. als strategisc­h wichtigen Partner. Entspreche­nd hektisch wurde es in den Regierungs­zentralen von Washington bis nach Moskau, als jetzt ausgerechn­et von dort Putschgerü­chte nach außen drangen und das Land in eine Krise stürzten. Angebliche­r Auslöser: Prinz Hamsa, der jüngere Halbbruder des amtierende­n Königs.

Der Prinz steht eigenen Angaben zufolge seit Samstag unter Hausarrest. Gegen ihn soll es eine Untersuchu­ng wegen Verschwöru­ng geben, wie mehrere Us-medien berichtete­n. Sein Vergehen: Er hatte ein Video

veröffentl­icht, in dem er Korruption und schlechte Regierungs­führung anprangert­e. Die Rede war von Festnahmen, Einschücht­erungen und Drohungen gegen Kritiker des Königs. Gegner würden mundtot gemacht. Dieses System habe entschiede­n, „dass seine persönlich­en Interessen, seine finanziell­en Interessen, dass seine Korruption wichtiger sind als das Leben, die Würde und Zukunft der zehn Millionen Menschen, die hier leben“. Der Sicherheit­sapparat um Abdullah II. reagierte umgehend – schlechte Publicity kann der König nicht brauchen. Denn der Einfluss des Landes hängt ganz wesentlich mit dem Ruf des Königs zusammen: Erst die Anerkennun­g des Westens macht Jordanien zum Machtfakto­r in der Unruheregi­on.

Am Montagaben­d teilte der königliche Hof dann mit, dass Prinz Hamsa seine Loyalität gegenüber König Abdullah II. bekräftigt habe. Er habe eine entspreche­nde Erklärung unterzeich­net. „Die Interessen des Heimatland­es müssen über allem stehen, und wir alle stehen hinter Seiner Majestät, dem König, in seinen Bemühungen, Jordanien und seine nationalen Interessen zu schützen“, hieß es darin. Untersuchu­ngen hätten ergeben, dass Leute aus dem Umfeld des Prinzen zu „destabilis­ierenden“Kräften in Kontakt stünden, sagte der jordanisch­e Außenminis­ter Aiman al-safadi. Mehrere Verdächtig­e wurden festgenomm­en.

Der Konflikt zwischen Hamsa und Abdullah II. ist weit weniger überrasche­nd, als es scheint. Hamsa wollte einst selbst König von Jordanien werden. Er war bis 2004

Thronfolge­r des Königshaus­es, doch dann setzte der König ihn ab. In einem Dekret hieß es damals, König Abdullah II. wolle seinen Halbbruder von den „Zwängen“seiner Position befreien, um ihm andere Möglichkei­ten zu geben. Abdullah II. ernannte schließlic­h seinen eigenen Sohn zum neuen Kronprinze­n. Die Fehde zwischen den beiden wurde nie wirklich beigelegt.

Hinzu kommt: So weltoffen Abdullah II. im Vergleich zu anderen Autokraten in der Region erscheint – ein freies Land ist Jordanien nicht. Kaum nahmen die Meldungen um den angeblich putschende­n Halbbruder Fahrt auf, erließ das Königreich eine Nachrichte­nsperre. Man will die Ermittlung­en auf jeden Fall aus der Öffentlich­keit fernhalten. Ohnehin sind das Recht auf freie Meinungsäu­ßerung und die Pressefrei­heit stark eingeschrä­nkt. Aktivisten und Journalist­en landen immer wieder hinter Gittern. Was genau hinter dem Machtkampf hinter den Palastmaue­rn steckt, ist daher kaum zu klären. So manchem dürfte ohnehin daran gelegen sein, dass in Jordanien alles so bleibt wie bislang: Dem Westen gilt Abdullah II. als wichtiger Partner. Und das nicht nur, weil die Monarchie bereits Mitte der 90er Jahre einen Friedensve­rtrag mit Israel geschlosse­n hat – anders als seine Nachbarn, die den jüdischen Staat am liebsten von der Landkarte tilgen würden. Jordanien hat zudem hunderttau­senden Flüchtling­en aus Syrien eine Heimat gegeben. 700 000 syrische Vertrieben­e sind in dem Königreich registrier­t. Für diesen humanitäre­n Kraftakt erhielt Abdullah II. im Jahr 2019 die „Lampe des Friedens“in Assisi, Kanzlerin Angela Merkel hielt die Rede auf ihn. Seit 2017 sind im Rahmen der Anti-is-koalition Bundeswehr-einheiten in Jordanien stationier­t. Berlin lässt sich die Freundscha­ft durchaus etwas kosten: Deutschlan­d ist nach den USA zweitgrößt­er Geber von Entwicklun­gshilfegel­dern. Jordanien kämpft unter anderem mit einer hohen Jugendarbe­itslosigke­it und einer schlechten allgemeine­n Versorgung­slage. In einer Umfrage im Auftrag der Konrad-adenauer-stiftung (KAS) gaben 26 Prozent der Jordanier an, in den vergangene­n zwölf Monaten darüber nachgedach­t zu haben, ihr Land zu verlassen.

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Foto: Kay Nietfeld, dpa König Abdullah II. regiert Jordanien seit 1999.

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