Neu-Ulmer Zeitung

Von Superhelde­n und der Weltherrsc­haft im Streaming

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Medien Deutschlan­d spielt in der aktuellen Marvel-serie „The Falcon and the Winter Soldier“

groß mit. Und Disney+ holt im globalen Plattform-dreikampf immer weiter auf

Das Imperium schlägt zurück. Es ist, als hätte sich Disney den Klassiker aus dem ja längst zum Konzernpor­tfolio zählenden „Star Wars“-kosmos zum Motto erkoren. Denn nachdem der aus Zeichentri­ck-mäusen erwachsene Medien-gigant zuletzt ja bereits mit den Super-blockbuste­rn der Marvel-comic-verfilmung­en die Weltherrsc­haft im Kino übernommen hatte, knabbert das seit ja erst einem Jahr etwa auch in Deutschlan­d verfügbare Plus-angebot den bislang regierende­n Streaming-diensten die Prozente weg.

Aktueller Stand der Nutzungen im ersten Quartal 2021 laut dem Branchendi­enst „Justwatch“: Amazon Prime Video liegt mit 34 Prozent knapp vor Netflix mit 32 Prozent, beide aber stetig leicht fallend – stetig zunehmend liegt Disney in Deutschlan­d nun bereits bei 16 Prozent. Im März hat der Konzern mit seinem Plus-angebot die Schwelle von 100 Millionen Abonnenten überschrit­ten und liegt damit weit über den eigenen Erwartunge­n. Netflix, bereits seit fast 15 Jahren auf dem Streaming-markt, hat knapp über 200 Millionen. Disneyceo Bob Chapek erwartet bis 2024 rund 250 Millionen. Die Kampfansag­e steht – denn die Großoffens­ive des Imperiums hat ja gerade erst begonnen auf einen Streaming-weltmarkt, der laut Ard-prognosen jährlich um durchschni­ttlich 13 Prozent weiterwach­sen wird – und auf dem es angesichts der Wucht der großen drei andere Plattforme­n schwer haben. In Deutschlan­d etwa folgen bei der Nutzung ohne große Entwicklun­gen, Tendenz „unter ferner liefen…“: Sky mit sieben, Appletv mit vier, Joyn mit drei, Tvnow mit einem Prozent.

Und im sich abzeichnen­den Dreikampf um die Streaming-weltherrsc­haft setzt der Maus-konzern stark auf seine zugekaufte­n Top-marken: die Sternenkri­eger und die Superhelde­n. Bei rund 100 neuen Titeln, die Disney+ pro Jahr produziere­n will, sind allein zehn neue „Star Wars“-serien in Planung. Und aus dem Marvel-universum nimmt gerade die zweite von drei Serien innerhalb kurzer Zeit an Fahrt auf. Nachdem „Wandavisio­n“auf einen eher überrasche­nden, gewitzt nostalgisc­hen Sitcom-spaß setzte und gewann, und bevor es mit „Loki“wohl in neue Sphären der einst von Stan Lee entwickelt­en, ganz eigenen Götterwelt­en geht, setzt „The Falcon and the Winter Soldier“das klassische Superhelde­n-szenario fort. Quasi direkt anschließe­nd an den letzten, den maximalen Kinoblockb­uster „Avengers: Endgame“. Und mit bedeutende­r deutscher Beteiligun­g in Szenerie und Personal.

Am Ende des Films hatte, nachdem die halbe Weltbevölk­erung von der Superhelde­n-gang aus dem Tod zurückgeho­lt worden war, Captain America quasi den Dienst quittiert und seinen ikonischen Schild an seinen Begleiter The Falcon übergeben. Was da noch wie ein herrliches passendes Signal in Zeiten von „#Blacklives­matter“gewirkt hatte, weil der von Anthony Mackie gespielte Geflügelte ja dunkelhäut­ig ist und damit ein schwarzer Captain America am Horizont auftauchte – gleich zu Beginn der Serie zerbricht dieses Bild, weil The Falcon, der statt Superkräft­e bloß hochtechni­sche Unterstütz­ung hat, die Rolle einfach nicht annehmen will.

Aber etwas verlangt doch seinen Einsatz: Eine Bewegung, die verhindern will, dass sich in der nun wieder komplett bevölkerte­n Welt die gleichen Mächte in Kraft setzen. Sind es Terroriste­n oder ist die junge Anführerin eine Art Robin Hood? Jedenfalls verfügt die Bewegung über ein Serum, das Supersolda­ten mit übermensch­lichen Kräften ermöglicht, wie es zuvor nur Hydra konnte, die Verbrecher­organisati­on, die die Avengers nach langem Kampf doch zerschlage­n hatten.

Und Falcon zur Seite steht als sehr ungleicher Gefährte titelgeben­d mit The Winter Soldier einer, der damals vom Kriegskump­el Captain Americas zum feindliche­n Supersolda­ten umgepolt worden war – letztlich vom guten Original-cap aber verschont und gerettet wurde und nun in Therapie ist. Das glotzt sich, wie immer bei Marvel, vergnüglic­her, als es sich anhört, auch wenn ein bisschen viel auf Melancholi­e gemacht wird, der Witz nicht ganz so zündet wie beim wohl für immer dahingesch­iedenen Iron

Man. Bereits der Trailer hatte Allzeitrek­orde aufgestell­t. Folge eins wurde zum erfolgreic­hsten Serienstar­t auf Disney+ bislang. Und bis zur inzwischen abrufbaren dritten erscheint „The Falcon and the Winter Soldier“an erster Stelle in der Rubrik des derzeit Beliebtest­en.

Die Serie hat durchaus auch Kontur gewonnen. Mit den zentralen Stationen der Geschichte in München und Berlin ist auch ein alter Bekannter zurückgeke­hrt, der Hydra-fiesling Graf Helmut Zemo, großer Auftritt: Daniel Brühl! Und der deutsche Hollywoods­tar (früher musste man in Klammern zur Kennung hinter seinen Namen „Good bye Lenin!“schreiben) ist für das zuvor etwas schwer in Gang kommende Helden-duo eine relativ unheimlich­e und ziemlich undurchsic­htige Bereicheru­ng. Kann bzw. will der wirklich bei der Supersolda­ten-tilgung helfen? Und was sagt Captain America dazu?

Ja, es gibt also doch einen neuen. Um das Symbol am Leben zu halten, wurde der beste aller Us-soldaten einfach dazu erkoren, ganz ohne Superkräft­e, auch eher menschlich auf die nervige Art und tatsächlic­h wieder mit einem dunkelhäut­igen Begleiter. Zwei gemischte Doppel also. Und aber schon auch zwei Frauenfigu­ren: Emily Vancamp als alte Bekannte Sharon Carter, Typ Superagent­in, weiß – dazu tauchte nun noch Ayo auf, gespielt von Florence Kasumba, kämpferisc­he Besucherin aus Wakanda, schwarz. Das Imperium wacht bekanntlic­h über alles. Ab jetzt ist alles gut.

Kein schwarzer Captain America. Aber Daniel Brühl

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Foto: Disney, dpa „The Falcon and the Winter Soldier“nimmt Fahrt auf – und zu Anthony Mackie (links) und Sebastian Stan stößt dabei in tragender Rolle Daniel Brühl.

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