Was hilft gegen Einsamkeit bei Kindern?
Pandemie Zahlreiche Kinder und Jugendliche fühlen sich in der aktuellen Corona-krise einsam. Was kann man dagegen tun?
Landkreis „Ich habe das Gefühl, dass ich gerade mein Leben verpasse!“– Diesen oder ähnliche Sätze bekommen Rainer Kehm und sein Team von der Erziehungs-, Jugend- und Familienberatung der Katholischen Jugendfürsorge (KJF) in Neu-ulm und Illertissen derzeit häufig zu hören. Jugendliche berichten von Einsamkeitsgefühlen nach einem Jahr Corona. Wie kann geholfen werden?
Gerade sie leiden unter den anhaltenden Kontaktbeschränkungen: Sie können sich nicht mit Freunden treffen oder feiern gehen, niemanden kennenlernen, sich nicht ausprobieren oder verlieben. „Es fehlen ganz viele Erlebnisse. Die meisten haben überhaupt keine Abwechslung mehr in ihrem Alltag, man hält sich immer nur an einem Ort auf, bekommt keine neuen Anregungen von außen“, erklärt der Erziehungsberater.
Auch wenn jüngere Kinder ihre Probleme oft nicht direkt äußern, können sie leiden. Eltern merken das beispielsweise daran, dass sie ihren Nachwuchs als anstrengend empfinden. Die Kinder suchen dann viel Aufmerksamkeit, haben keine eigenen Ideen, um sich zu beschäftigen, oder werden aggressiv. Bei manchen treten eher somatische Beschwerden wie Bauchschmerzen oder Schlafprobleme auf. „Und auch den Eltern fällt es zunehmend schwer, noch Ideen zu entwickeln, die Abwechslung oder gar Leichtigkeit in den ewig gleichen Familienalltag bringen“, sagt Rainer Kehm. „Für uns alle ist die Coronapandemie zu einer langen Durststrecke geworden.“
Doch gerade mit Blick auf das Osterfest will der Erziehungsberater Familien dazu ermutigen, Pläne zu schmieden. „Zwar werden das zweite Jahr in Folge keine Verwandtschaftstreffen, keine Ausflüge oder Urlaubsreisen zu Ostern möglich sein, aber Familien können gemeinsam überlegen, wie man neue Rituale entwickeln oder bewährte in einer veränderten Form beibehalten kann.“Außerdem rät der Erziehungsberater unbedingt dazu, eine Pause vom Thema Schule und Lernen einzulegen – zumindest am langen Osterwochenende, besser noch über die kompletten Ferien, wenn nicht danach Abschlussprüfungen anstehen. „Pausen sind wichtig, um danach wieder erholter und effektiver arbeiten zu können“, findet Rainer Kehm. Das sind weitere Tipps des Kjf-erziehungsberaters:
Verständnis zeigen und zuhören: Einsamkeit ist für Kinder jeden Alters real spürbar. Eltern sollten daher nicht versuchen, ihnen diese Gefühle auszureden oder sie herunterzuspielen, sondern nachfragen, zuhören, Verständnis zeigen. Übrigens: Auch wenn sich ein Kind nicht aktiv beschwert oder nach seinen Freunden fragt, kann es leiden. Gesprächspartner finden: Für Jugendliche sind meist nicht mehr die Eltern die ersten Ansprechpartner bei Problemen, sondern die beste Freundin oder der beste Freund. Eltern sollten tolerant bleiben, wenn sich das Kind beispielsweise in stundenlangen Telefonaten mit Gleichaltrigen austauscht. Alternativen zu realen Treffen entwickeln: Manche Jugendliche sind sehr kreativ, um trotz Beschränkungen mit der Clique in Kontakt zu bleiben. Zum Beispiel, indem sie via Videoanruf gemeinsam Hausaufgaben oder Sport machen. Andere hingegen brauchen vielleicht Unterstützung, um neue Formen des sozialen Kontakts zu finden. Anschub geben: Vor allem Jugendlichen fehlt oft die Energie, neue Dinge anzugehen, die ihnen dann Spaß machen und gut tun. Darum dürfen Eltern ihren Sohn oder ihre Tochter durchaus sanft anschieben, einen Spaziergang, eine Radtour oder einen Online-sportkurs in die Tat umzusetzen. Gerne danach daran erinnern, regelmäßig solche Verabredungen einzuhalten. Glückshormone aktivieren: Eltern können sich überlegen, was ihr Kind gut kann oder gerne macht. Diese Fähigkeiten und Interessen können aktiv in den Tag eingebaut werden. Zum Beispiel kann man anhand von Video-tutorials neue Tanzschritte einstudieren oder sich ein neues Handwerksprojekt suchen. Professionelle Hilfe holen: Wenn sich Kinder oder Jugendliche zurückziehen, wenn anhaltende körperliche Symptome wie Appetitlosigkeit ohne medizinische Ursachen auftreten oder wenn sie selbst Belastungen äußern, dann finden Eltern, Kinder und auch Jugendliche ohne Begleitung ihrer Eltern schnelle und kostenlose Hilfe bei der KJF. Die Mitarbeiter bieten neben persönlichen Gesprächen unter Wahrung der aktuellen Hygiene- und Abstandsregelungen auch Telefon- und Videoberatungen für alle Familienmitglieder an. Zusätzlich können sie anonym kontaktiert werden unter https://bke-beratung.de. Eine Besonderheit in Corona-zeiten: Gespräche können auch im Freien während eines Spaziergangs durchgeführt werden. (AZ)
Kontakt KJF Kinder und Jugendhilfe Neuulm, Marlenedietrichstraße 3 in Neuulm, Telefon 0731/76050, Email eb.neuulm@kjfkjh.de. Außenstelle in Illertissen, Ulmer Straße 20, Telefon 07303/901810, Email eb.illertis sen@kjfkjh.de. Näheres im Internet unter www.kjfkinderjugendhilfe.de/erzie hungsberatung.