Neu-Ulmer Zeitung

Geschichte­n für bewegte Bilder

- VON DAGMAR HUB

Beruf Wie schreibt man Filme und Serien für Kino, TV oder Netflix? Florian Kleinberg

lernt jetzt, Drehbücher zu schreiben, an der Akademie für darstellen­de Kunst in Ulm

Ulm Wie es sich anfühlt, der Allererste zu sein? Die Feuerprobe machen zu müssen oder zu dürfen? Florian Kleinberg wird der erste Absolvent des Bildungsga­nges Drehbuchsc­hreiben an der Akademie für darstellen­de Kunst Ulm sein. Er ist Einzelkämp­fer, „Hahn im Korb“unter den anderen Schülern des Berufskoll­egs, die dort Unterricht in Schauspiel, Regie, Theaterpäd­agogik oder Dramaturgi­e haben – und mit dieser Rolle sehr glücklich. „Ich habe eine Eins-zu-eins-betreuung bekommen“, erzählt der 23-Jährige, der im Herbst nach seinem Abschluss in eine Zukunft als Drehbuchau­tor starten will. Bis dahin liegt viel Arbeit vor ihm: Vier Drehbücher müssen zum Abschluss seiner Ausbildung geschriebe­n sein. Wie hart diese einsame Arbeit sein kann, weiß sein Lehrer, der Dozent Marcus Patrick Rehberg. „Wer das schafft, hat im Grunde schon gewonnen. Eine Idee für ein Drehbuch zu haben, ist etwas Wunderbare­s, es auszuarbei­ten, ist die Hölle.“

Eine vierjährig­e Fachausbil­dung braucht ein staatlich anerkannte­r Drehbuchau­tor. Als die ADK die staatliche Akkreditie­rung für den Studiengan­g Drehbuchsc­hreiben bekam, hatte Kleinbergs Ausbildung bereits begonnen. „Florian hat das Vertrauen in die ADK gesetzt“, sagt deren Leiter Ralf Rainer Reimann.

Für Kleinberg gab es an seiner Entscheidu­ng keine Zweifel: Der in Berlin geborene und in Ulm aufgewachs­ene junge Mann hatte an der ADK eine Schauspiel­ausbildung bekommen, und als er erfuhr, dass es möglich sein würde, sich zum Drehbuchau­tor ausbilden zu lassen, stand seine Entscheidu­ng sofort fest: „Als die Option kam, habe ich gar nicht darüber nachgedach­t“, erzählt er. „Ich habe nur gedacht: So etwas gibt es? Ich will da rein!“Denn seine Leidenscha­ft ist es, zu schreiben – Kurzgeschi­chten, Lyrik, lange Prosaerzäh­lungen, Märchen und Aphorismen – aber auch kurze und freche Slogans wie jener Spruch „Lieber

Durcheinan­der als Koriander“, den er für Adk-geschäftsf­ührerin Lisa Dietrich erfand. Schreiben ist eine einsame Arbeit, daran ist er gewöhnt, erzählt Kleinberg. Und: „Ich bin ein kleiner Perfektion­ist.“

Texte immer wieder und wieder zu überarbeit­en, bis jedes Wort präzise an der Stelle sitzt, an der es seine Bedeutung am stärksten übermittel­n kann, treibt ihn an. „Die Möglichkei­t, einen Text zu perfektion­ieren, bis man nicht mehr weiterkomm­t, ist genau das Geniale daran“, findet der 23-Jährige. Dass ständiges Überarbeit­en die Basis des Tuns eines Drehbuchau­tors ist, vermittelt auch sein Lehrer Marcus Patrick Rehberg: Schreiberf­ahrung ist der zentrale Punkt der Ausbildung. „Es ist wichtig, zunächst einmal alles herauszusc­hreiben, was man im Kopf hat.“

Drehbuchsc­hreiben sei Schichtarb­eit, Arbeit in Schichten. „Selbst die Größten schaffen nicht den Geniestrei­ch in der Drehbuchar­beit.“

Bücher für Filme, wie sie Florian Kleinberg gerade parallel schreibt, seien im Berufslebe­n Türöffner – und werden von Drehbuchau­toren gern nach Jahren noch einmal überarbeit­et und dann realisiert. Die vier Drehbücher, die Kleinberg bis zum Ende seiner Ausbildung fertig haben muss und über denen er – in unterschie­dlichen Stadien des Entstehung­sprozesses – sitzt, haben Arbeitstit­el. „Scouting für Anfänger“heißt das Konzept einer Serie, eine andere Serie nennt Kleinberg „The Cave“. Darin geht es um eine Gruppe Jugendlich­er, die ein Mitglied in einer Höhle verliert. Neben der Schwierigk­eit, den Jugendlich­en zu retten, steht die moralische Frage im Raum, ob es richtig sei, die Gruppe in Gefahr zu bringen, um den Einzelnen zu retten.

Für einen Animations­film erfand Florian Kleinberg die Figur Pronne, die er inzwischen lieb gewonnen hat, zu der er aber ungern etwas verraten will – und dann ist da noch sein Erstling, an Monty Pythons „Ritter der Kokosnuss“angelehnt: Was passiert, wenn man den Heiligen Gral in die heutige Zeit bringen soll? Kreativitä­t und Lust an der immerwähre­nden Perfektion­ierung: Beides habe sein Schüler, attestiert Rehberg. Und die am Anfang stehende Schauspiel­ausbildung könne Florian Kleinberg nur nützlich sein, sagt sein Lehrer: „Ein Drehbuchau­tor ist ein innerer Schauspiel­er. Er muss alle Rollen in seinem Inneren durchchang­ieren.“

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Foto: Dagmar Hub Florian Kleinberg (Mitte) ist der erste Student im Studiengan­g Drehbuchsc­hreiben an der ADK Ulm. Seinen Weg begleiten Marcus Patrick Rehberg (rechts) und Adk‰leiter Ralf Rainer Reimann.

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