Neu-Ulmer Zeitung

Theater Neu‰ulm schreibt E‰mail an Söder

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Corona Die Theater-chefs wünschen sich Öffnungs-perspektiv­en – und wollen selbst mithelfen

Neu‰ulm Die E-mail richtet sich, direkt und ohne Umweg, an die große Politik: „Sehr geehrter Herr Ministerpr­äsident Söder!“Adresse: die Staatskanz­lei. Und der Absender? Das Theater Neu-ulm. Die kleine Bühne am Petrusplat­z wendet sich mit einem Schreiben an den Mann an der Macht in München – Betreff: Seine Corona-politik. Und es ist nicht die einzige E-mail, die Heinz Koch und Claudia Riese in den vergangene­n Wochen an wichtige Entscheidu­ngsträger geschriebe­n haben. Bis zur Bundeseben­e. Das Anliegen der beiden Theater-chefs ist klar: Sie wünschen sich politische Signale für die Zukunft der Theater, die jetzt im Lockdown lange brachliege­n. Sie pochen auf konkrete Aussichten, Pläne für den Neustart, Hoffnung auf Spielbetri­eb – und sie bieten an, bei der Suche nach Lösungen zu helfen.

„Uns ist der Geduldsfad­en gerissen“, erklärt Koch. Seit Herbst ruht das Spielprogr­amm und auch der bundesweit­e Stufenplan bringt gerade keine Erleichter­ung. Doch statt Gerichtspr­ozesse zu bemühen oder Eilanträge durchzubox­en – schreibt Koch Mails. Sein Theater ist eine kleine Profi-bühne, die auch der Freistaat fördert. In seiner Mail klärt Koch den Ministerpr­äsidenten auf: „Wir versorgen seit 27 Jahren die bayerische Provinz in unmittelba­rer Nähe zu Baden-württember­g mit darstellen­der Kunst.“Und dann unterbreit­et der Theater-chef dem Landes-chef ein Angebot. Die Mail soll eine Bewerbung sein, für ein Modellproj­ekt zur Öffnung – Titelvorsc­hlag: „Theater muss sein“.

Funktionie­ren könne die Öffnung mit Corona-tests für Zuschauer, vor und auch nach der Aufführung, so erklärt es Koch. Eine neue, leistungss­tarke Lüftung habe sein Theater längst eingebaut und die Sitzreihen im Saal stark ausgedünnt. „Das Theater Neu-ulm hat ein ausgefeilt­es Hygiene-konzept“, schreibt Koch. Es habe sich 2020, zwischen den Lockdowns, schon bewährt.

Als Koch an Söder schrieb, am 23. März, dümpelten die Inzidenzen im Kreis Neu-ulm noch deutlich unter 50. Doch zwischen damals und heute liegen zerbrochen­e Stufenplan-hoffnungen, wackelnde Modellvers­uche in Tübingen, angekündig­te und abgesagte Osterruhen sowie Fallzahlen, die vor den Ferien stark in die Höhe kletterten. In diesen Turbulenze­n belastet Koch vor allem die Unberechen­barkeit, unter der die Kulturszen­e leidet. Eines betont er im Gespräch mit der Redaktion trotzdem immer wieder mit Nachdruck: „Wir möchten die Pandemie auf keinen Fall leugnen.“Er sei selbst ein sehr vorsichtig­er Mensch und sehe die großen Gefahren des Virus. Aber zumindest ein offenes Ohr der Politik wünscht er sich, für Bemühungen um intelligen­te Lösungen.

Im Brief an Söder schreibt Koch auch: „Der Gedanke, dass Theater der seelischen, geistigen und körperlich­en Gesundheit dient, ist erwiesen.“Denn schon in den 90ern, als keine Pandemie in Sicht war, hatte Koch eine Idee samt Slogan entwickelt: „Theater auf Krankensch­ein“. Was wie ein Scherz klingt, und Koch mit Witz formuliert, hat für die Theater-macher einen ernsten Kern. Auf ihrer Webseite präsentier­en sie eine Dokumentat­ion von Links, Artikeln, Verweisen auf Studien, die eines belegen soll: Theater tut nicht nur der Seele gut, sondern auch der Gesundheit. Grund genug für Koch, eine Brücke zwischen Gesundheit­spolitik und Theater zu suchen. Und so begann sein nächster Brief, vom 2. April, mit der Anrede: „Sehr geehrter Herr Minister Jens Spahn!“

Im Schrieb an den Bundesgesu­ndheitsmin­ister erklärt Koch seine Idee. Dass Kultur, Psyche und Gesundheit eng zusammensp­ielen – der Gedanke stieß bisher aber auf wenig Beachtung in der Politik. Und passt die Idee in diese Krise? „Theater auf Krankensch­ein“inmitten der Pandemie? Wenn die dritte Welle kaum berechenba­r anrollt, alle Zeichen auf Lockdown stehen? Für Koch steckt hinter den Noten an die Politik zumindest keine verfrühte Sommerloch-geschichte. Er wolle die Systemrele­vanz des Theaters belegen – mit rationalen Argumenten. „Wir betonen ausdrückli­ch, dass wir keinesfall­s für unsere Bühne allein sprechen“, erklärt Koch. Er spreche für eine Menge von Künstlern, die ihren Beruf gerade nicht ausüben können. Und auch der Deutsche Bühnenvere­in hatte im Februar einen eigenen Entwurf für Öffnungen entwickelt.

Söder, Spahn, es geht aber auch eine Nummer kleiner. Am 25. März fragte Koch den Neu-ulmer Landrat Thorsten Freudenber­ger: „Gibt es Chancen? Gibt es eine Perspektiv­e?“Und Freudenber­ger habe sich bei ihm gemeldet, sagt Koch. Auch ein Gespräch mit dem Neu-ulmer Kulturamt fand statt und aus München kam jetzt Post: Die Mail an Söder sei ans zuständige Fachrefera­t im Wissenscha­ftsministe­rium weitergele­itet – schreibt die Serviceste­lle der Regierung. Mit Bitte um Geduld. (veli)

 ?? Foto: D. Hub (Archivbild) ?? Claudia Riese und Heinz Koch betreiben das Theater Neu‰ulm. Der Lockdown legt für sie alle Pläne auf Eis.
Foto: D. Hub (Archivbild) Claudia Riese und Heinz Koch betreiben das Theater Neu‰ulm. Der Lockdown legt für sie alle Pläne auf Eis.

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