Neu-Ulmer Zeitung

Hier blüht die Renaissanc­e im Kreis Neu‰ulm

- VON RALPH MANHALTER

Kunstzeitr­eise Harmonisch­e Formen nach antikem Ideal – und mit Humanismus im Sinn: Wir begeben uns auf die Spurensuch­e nach dem Erbe der Renaissanc­e im Landkreis Neu-ulm, von Altenstadt bis Oberelchin­gen / Serie (3)

Landkreis Buon giorno! In dritten Teil unserer kunsthisto­rischen Reise lassen wir uns inspiriere­n vom Hauch des Südens. Dort, im toskanisch­en Florenz begann das, was als ein Perspektiv­enwechsel bezeichnet werden kann: Nicht mehr die Theologie sollte fortan im Mittelpunk­t der Welt stehen, sondern der Mensch als Individuum.

Nicht mehr das Streben in himmlische Sphären, versinnbil­dlicht durch gotische Türme der Kirchen und Dome war wegweisend, sondern die Harmonie und Ausgewogen­heit klarer Flächen und Räume. In der Baukunst wie auch in der Geistesges­chichte. Willkommen in der Renaissanc­e!

Wobei wir gleich mit einer Einschränk­ung beginnen müssen: Die Renaissanc­e in ihrer Reinform existierte wahrschein­lich nur in Italien. Hiermit ist jedoch bei weitem nicht nur die Architektu­r gemeint; Bauten im Stil der Renaissanc­e wurden im gesamten christlich­en Europa errichtet. Vielmehr ist es die konsequent­e Wiedergebu­rt (das bedeutet das Wort Renaissanc­e) antiker Ideen und Maßstäbe. Leonardo da Vinci beschrieb den vitruviani­schen Menschen als Symbol für Symmetrie, Schönheit und Körperbewu­sstsein; Michelange­lo erschuf in seinem David ein Abbild griechisch-römischer Perfektion. Raffael und Botticelli distanzier­ten sich von Heiligenda­rstellunge­n und experiment­ierten lieber mit antiken Themen: Auch die Nacktheit wurde so nach mehr als 1000 Jahren wieder in die abendländi­sche Bilderspra­che eingeführt.

Ziemlich spät, erst um 1520, schwappte diese Welle auch über die Alpen. Die entspreche­nde Geistesstr­ömung, der Humanismus, mag ihr vorausgeei­lt sein. Altes, Überkommen­es wurde infrage gestellt, der Mensch fing an zu zweifeln. Ein idealer Nährboden für das, was bald darauf folgte: Reformatio­n und Bauernkrie­g, als Chance, sich der Macht und Willkür der Obrigkeite­n zu entbinden.

Im Landkreis erheben sich nicht wenige Schlösser und Schlössche­n, die zumindest in Teilen auf diese

Epoche des Umbruchs zurückgehe­n. Noch im Übergang von Gotik zu Renaissanc­e präsentier­t sich das Fuggerschl­oss in Weißenhorn. Einige Jahre später entstanden die Patriziers­chlösschen in Reutti, Holzschwan­g, Neubronn oder Steinheim – keine höfische Baukunst, sondern eher bescheiden, aber ausgewogen anmutende Wohnsitze des Ulmer Stadtadels. Charakteri­stischer erscheinen da schon die Kirchen in Verbindung mit ihren reichen Grabplasti­ken.

Gerade im Illertal reihen sich die Gotteshäus­er wie Perlen auf einer Schnur: Wullenstet­ten, Illertisse­n, Untereiche­n, Altenstadt, Illereiche­n, Filzingen und Kellmünz. Gerade die Marienkirc­he in Wullenstet­ten zeigt sich dem Besucher als eine lichtdurch­flutete Saalkirche, jeder mittelalte­rlichen Düsternis und Enge. Hohe, weite Räume; Licht statt Mystik hieß die Devise der Renaissanc­e. Die Türme der genannten Kirchen im Altkreis Illertisse­n wurden größtentei­ls aufgestock­t und mit epochentyp­ischem Achteck und einer Laterne versehen.

In Filzingen überrascht ein rühriges Fresko vom Ende des 16. Jahrhunder­ts den Betrachter: Die Darstellun­g des Ortsherren mit seinem Hund als treuen Begleiter schmückt die kleine Chorturmki­rche. Dann ein Meisterwer­k, allerdings schon auf dem Sprung zum Barock: der 1604 von Christoph Rodt erschaffen­e Hochaltar der Illertisse­r Stadtpfarr­kirche. Dargestell­t ist die Krönung Mariens, umgeben von der Stifterfam­ilie Vöhlin. Wenn der sterbliche Mensch hier auch nicht im Mittelpunk­t steht, so ist er zumindest dem himmlische­n Geschehen sehr nah.

Wenden wir uns nun der Grabplasti­k zu: Zwei der ausdruckss­tärksten Epitaphien befinden sich in der Klosterkir­che von Oberelchin­gen. Der Gedenkstei­n für Wilhelm Güß von Güssenburg sowie jener später entstanden­e des Abtes Johannes Kiechlin ziehen nicht alleine durch ihre Ausführung in Rotmarmor den Betrachter in Bann. Letzteres Epitaph erfuhr im Übrigen eine Neuwidmung, um den im Dreißigjäh­rigen Krieg schwer verletzten Elchinger Abt Johannes Spegelin zu ehren. Eine ähnlich üppige Formenspra­che sprechen die Gedenkstei­ne für die Vöhlin in der gleichnami­gen Kapelle in Illertisse­n. Zudem verfernab mittelt gerade die – wenn auch idealisier­te – Darstellun­g der Verstorben­en eine Vorstellun­g von der Mode der frühen Neuzeit. Die spanischen Krägen der Herrschaft­sträger galten in der späten Renaissanc­e als Statussymb­ol der Mächtigen. Auch in Oberroth kann das Sandsteine­pitaph des augsburgis­chen Pflegers Michael Kirchenbau­r mit dieser Verzierung aufwarten.

Wie bereits angedeutet, legten zumindest in Deutschlan­d die Renaissanc­e und der Humanismus den Samen für die nun folgenden Ereignisse. Das sogenannte konfession­elle Zeitalter brach an: Protestant­ismus gegen Katholizis­mus, Hören gegen Schauen, Bilderstur­m und Konzentrat­ion auf das Wort gegen Theatralik und Üppigkeit. Der Barock streckt seine Fühler aus.

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Fotos: Ralph Manhalter Die Kunstzeitr­eise führt uns diesmal zu Renaissanc­e in ihrem vollen Glanz – wie hier im Arkadenhof des Vöhlinschl­osses in Illertisse­n.
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Epitaph für Wilhelm Güß von Güssenburg in der ehemaligen Klosterkir­che Elchingen.

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