Zu Hause im Regenbogenland
Auswanderin Die Vöhringerin Cornelia Letting hat in Kenia ihren Lebensmittelpunkt gefunden. Während eines Besuchs in der Heimat berichtet sie von ihrem Leben und ihrer Arbeit in Afrika
Vöhringen Cornelia Letting war schon als junges Mädchen neugierig auf die Welt hinter dem Horizont. Sie wollte andere Kulturen kennenlernen, Menschen begegnen, neue Aufgaben für sich entdecken. Sie hatte Pädagogik studiert und damit einen Beruf gewählt, in dem sie sich einbringen konnte. Ungewöhnlich war der Wunsch nach dem etwas anderen Leben nicht, kommt sie doch aus einem christlich geprägten Elternhaus, in dem Toleranz gelebt wird. Aber nie hätte Cornelia gedacht, dass sie in der afrikanischen Station Tinderet, rund sechs Fahrstunden von Kenias Hauptstadt Nairobi entfernt, ihren Lebensmittelpunkt finden würde.
Dass sie dort ihren Mann Japhet kennenlernte, trug sicher auch dazu bei, sich im „Regenbogenland“glücklich zu fühlen. Denn bedingt durch das Klima gibt es doch sehr oft farbenprächtige Farbenspiele am Himmel. Jetzt war das Ehepaar Letting zu Gast bei ihren Eltern in Vöhringen. Gelegenheit für Gespräche.
Tinderet ist eine vom „Württembergischen Christusbund“gegründete Einrichtung und nennt sich „Diguna“und steht für „die gute Nachricht für Afrika.“Ihre Vision heißt, „alle Menschen sollen erfühlen und erfahren, was die Liebe Christi für sie bedeutet. Alle Arbeit ist vergebens, wenn wir sie nicht zur Ehre Gottes tun.“Dieses Wort bezieht sich auf das, was bisher geschaffen wurde. Im Laufe der Jahre entstanden Kinderheim, Häuser für Aids-waisen, für Hiv-infizierte Kinder, eine Schule, um beruflich den Menschen dort eine Chance im Alltag geben zu können, um nur einige der Schwerpunkte zu nennen.
Conny, wie ihre Freunde sie nennen, entdeckte die Station in Tinderet durch Zufall. Der Christusbund hatte mehrere Freizeiten ausgeschrieben, an einer wollte Cornelia teilnehmen. Ihre Wahl fiel auf Kenia. „Eigentlich wollte ich ja nicht in die Mission“, sagt sie rückblickend, aber als sie in Tinderet war, faszinierte sie die Vielschichtigkeit der Arbeit, die dort zu tun war. „Als ich wieder nach Hause kam, pulsierte es in meinem Kopf. Ich erinnerte mich an das Gefühl, als ich die Türe zum Kinderheim öffnete. Mir schoss es durch den Kopf, ‚das hier, das ist mein Ding‘.“
Ein halbes Jahr währte der Entscheidungsprozess. Denn ihr war klar, dass sie von drei Wochen Afrika-schnuppern so schnell keinen Entschluss fassen konnte. Denn schauen, probieren und dann das Handtuch werfen, nein, das war nicht „das Ding“von Cornelia Letting. Als das Ja sich in Kopf und Herz festgesetzt hatte, nahm sie an vorbereitenden Kursen teil, unternahm alles, um tropentauglich zu sein. „Im Juli 2008 reiste ich aus.“
Zuerst arbeitete sie in Tinderet als Lernhelferin. Es gibt deutsche
die in ihrer Heimat mit einer Fernschule verbunden sind. Dort half sie aus. Dann war sie im Gästebereich tätig und lernte Japhet kennen und lieben. Das Paar heiratete, sie ging ihren zahlreichen Aufgaben nach, Japhet ist stellvertretender Leiter der Station.
Aber es gibt auch Gemeindearbeit zu tun. Jeden Morgen treffen sich die Mitarbeiter zum gemeinsamen Gebet. „Gott wird uns schon den Weg weisen, den wir zu gehen haben.“Oft wird Cornelia gefragt, ob sie mit dem Klima zurechtkommt. „Wir liegen auf einer Höhe von 1800 Metern, Malariamücken sind dort keine Gefahr mehr.“Außerdem hat sie alle für die Tropen notwendigen Impfungen hinter sich. Die Hitze ist trocken und das macht das Klima auch für Europäer verträglich, erklärt sie. Cornelia Letting ist eine Frau, die weiß, wo Hilfe gebraucht wird. So macht die Pandemie Corona um Tinderet auch keinen Bogen.
„Man muss sich auch hier damit auseinandersetzen.“Dabei verweist sie darauf, dass jetzt vor jeder Hütte ein Desinfektionsspray steht und auch benutzt wird. Es komme wohl nur auf die Art an, wie man den Menschen klar macht, wie wichtig dieser Schutz ist. Vor allem gibt es in der Station viele Kinder.
Als sich bei der Pandemie abzeichnete, dass dies keine Eintagsfamilien, fliege sein wird, wollten Eltern die Kinder wieder aus den Tindereteinrichtungen zu sich nach Hause holen. Um sie dort aber auch versorgt zu wissen, fuhren kleine Teams der Station mit Care-paketen mit Lebensmitteln zu den Kindern bei den Verwandten.
Mit im Gepäck hatten sie Mais, Zucker, Reis, Mehl und Kochfett. „Einigen Familien ging es so schlecht, dass die Kinder wieder zurück in die Station kamen“, berichtet Cornelia Letting. Seit aber zum Jahreswechsel das neue Schuljahr begonnen hat, sind ohnehin wieder die Mädchen und Buben in der Station vereint.
Das Spektrum ihres Arbeitstages ist weit gefächert. „Letzte Woche habe ich eingekauft, Gemüse auf dem heimischen Markt. Man muss schon genau überlegen, was gebraucht wird, denn der nächste Supermarkt ist 80 Kilometer weit entfernt.“Japhet ist nicht nur für seine Frau ein Fels in der Brandung. Das ist er auch für die gesamte Station.
Auf die Frage, ob sich die Vöhringerin eine Rückkehr nach Deutschland vorstellen könne, kommt die Antwort sehr spontan: „Nein, ich habe hier meinen Lebensmittelpunkt gefunden. Man freut sich, nach Hause auf Urlaub zu fahren, aber kehrt mit der gleichen Begeisterung wieder nach Tinderet zurück.“