Kunst mit Form und Witz – digital zu bestaunen
Ausstellung Die Ulmer Kunsthalle Weishaupt zeigt Werke von Beat Zoderer, aus drei Jahrzehnten – zwar nicht
direkt und vor Ort, aber in geführten Online-rundgängen. Was hinter dem digitalen Angebot steckt
Ulm Schließen die Museen, kommt die Kunst einfach nach Hause. Nach diesem Motto öffnet jetzt die Kunsthalle Weishaupt ihre Räume für Besucher - nur eben digital, per Videostream. Ab sofort bietet die Ulmer Sammlung Online-führungen an, mit Einblicken durchs Schlüsselloch, in die aktuelle Ausstellung. Experten zeigen Videos zur Schau, erklären Detailaufnahmen der Werke, auch der Künstler selbst kommt zu Wort - Beat Zoderer spricht im Video über seine Arbeit.
„Unsere Kunstvermittler haben dieses Konzept gerade erprobt“, erklärt Luisa Krauss, Assistentin der Museumsleitung. Interaktiv sollen die Rundgänge per Zoom werden. „Am Ende können Zuschauer und Experten miteinander auch im Zoom-talk ins Gespräch kommen.“Und so kommt die Ausstellung auch im Lockdown noch zur Geltung. Das Zeitfenster, in dem die Kunsthalle nach langer Pause ihre Türen öffnen konnte, hatte nur wenige Stunden gedauert: Eröffnung am 28. März, Schließung zwei Tage später. Dabei hatte der Künstler, um den sich die Schau dreht, schon ein ganzes Jahr auf den Start gewartet.
In der Kunsthalle türmt sich eine Steilwand auf: Balken aus Holz und Metall, bunt und gemischt, stapeln sich Schicht um Schicht wie auf Sprossen - hallenhoch. Sechs Meter in die Breite, sieben Meter in die Höhe. Dies ist die fünfte „Legung“der Wandinstallation „Horizontale Partitur, vertikal gelagert“. Beat Zoderer steht vor diesem Wall aus Farben und tritt vier Schritte zurück. Es gefällt, er scheint zufrieden. „Die Kunsthalle und mein Werk, das passt gut zusammen“, sagt er. Schließlich hat sich dieses Haus auch der konkreten Kunst verschrieben, einem Stil, mit dem Zoderer spielt. Was er hier präsentiert, ist eine Werkschau von Bildhauerei und Malerei bis zur Installation. Mit Formsinn, Geometrie und trockenem Witz.
65 Jahre alt ist der Mann aus Zürich - in Ulm hält er inne und blickt auf das, was er bislang geschaffen hat. Und so präsentiert Zoderer hier die vielleicht umfassendste Schau seiner Laufbahn: „Visuelle Interferenzen 1990-2020“. Interferenzen? Die entstehen in den Sphären der Physik, wenn sich zwei Wellen plötzlich überschneiden, Formen sich überlagern. Da funkt also etwas dazwischen, in der Physik. Oder hier eben: in der Kunst.
Mit dem strengen Stil seiner Zürcher Landsleute, Meistern der Konkreten Kunst wie Max Bill - bricht Zoderer jedenfalls. Wie ein „Nestbeschmutzer“fühle er sich selbst ein bisschen, sagt er. Dabei liegt die Frechheit im Detail: Es sind die kleinen Kratzer im Material, die Ungereimtheiten und Brechungen im strengen Rhythmus der Geometrie. So schlägt Zoderer dem Formzwang ein Schnippchen. Seine Werke entfalten ihre Wirkung, an Wänden, oder auch mitten im Raum: Markant steht da ein dickbauchiger Ballon in Schwarz, mit bunten Neonröhren. Zu erkennen, was Zoderer dabei inspiriert, erfordert die Ruhe, sich einzulassen - auf den zweiten Blick. Ein Bild an der Wand hat er mit Fäden gesponnen und man erkannt das erst, wenn man bis auf zwei Schritte herantritt. Was oft wie ein Spiel mit Geometrien wirkt, ist zugleich handfeste und fantasievolle Arbeit. Diesen Hang zu Ornament und Abstraktion, den er im Islam findet, inspiriere ihn, sagt Zoderer – aber auch der Hinduismus.
Kreise hat er aus Pvc-folie geschnitten, so entsteht ein Werk wie ein Raster - doch aus den geschnippelten Resten formt er ebenfalls etwas, ein Negativ. Eine Form ergänzt exakt die andere. Metallstücke und gefärbte Klötze dienen ihm als Schablonen, eine andere Bildreihe formt er aus Bürobedarf, Klebestreifen und Ringverstärkern für gelochte Löcher. Mehr als nur Homeoffice-kunst. „Ich bin hoffnungsloser Pragmatiker“, erklärt der Schweizer, und: „Ich versuche immer, ganz präzise zu sein.“So formt er aus der geometrischen Ursuppe denkbarer Formen etwas Konkretes - aber mit Chaos im Kleinen.
Die Kunsthalle gehört zu den wichtigsten Kunden von Zoderers Kunst. Hier versammeln sich nun Werke aus 30 Jahren. Fünf Tage lang habe er gearbeitet, unermüdlich, um die Schau zu ordnen. Wie fühlt sich das an, sein eigenes Werk von Jahrzehnten zu beäugen? Was hat er über sich selbst gelernt? Zoderer schmunzelt. „Dass ich ein verdammt guter Künstler bin.“
Den Zoom-blick auf Zoderers Werk gibt es an Sonntagen (25. April sowie 9., 16. und 23. Mai, jeweils um 11 Uhr), und an Donnerstagen (29. April, 13. und 27. Mai, jeweils um 18 Uhr) zu erleben. Das Publikum in der Online-führung ist auf jeweils 25 Zuschauer begrenzt.
Führung Eine Anmeldung ist möglich unter vermittlung.museum@ulm.de.