Neu-Ulmer Zeitung

Georgschor­knaben singen digital zusammen

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Musik Chorgesang auf Abstand, quasi aus dem Homeoffice – das scheint jetzt mit neuer Technik möglich. Die Georgschor­knaben aus Ulm haben das System erprobt

Jonathan mit der Technik. Die 16 Sänger (insgesamt sind bislang 18 Sets von Jamulus angeschaff­t) wurden danach ausgewählt, wer eine Kabelverbi­ndung zum heimischen Router herstellen konnte. Denn eine normale Wlan-verbindung ist zu träge, um den Anforderun­gen des Programms gerecht zu werden; genutzt wird der Server des Diözesanve­rbandes Pueri Cantores, dessen Vorsitzend­er Stang ist. An den Computer dagegen werden nur niedrige Ansprüche gestellt. Einen ziemlichen Aufwand aber bedeutet die Installati­on, berichtet Jonathan.

Der Unterschie­d für Chöre zu gebräuchli­chen Videokonfe­renztools ist enorm: Bei denen singt nämlich immer nur einer, die anderen hören einander nicht. Anders bei der neuen Software, über die tatsächlic­h gemeinsam gesungen wird, obwohl alle Akteure irgendwo zuhause sind, in Ulm und Neu-ulm. Einen zusätzlich­en Effekt stellte Thomas Stang überrascht fest: Wie in jedem Chor gibt es auch in seinem Sänger, die sich ein wenig hinter den Stimmen anderer „verstecken“, zum Beispiel, wenn es darum geht, das Tempo zu halten. „Wir entdecken im Moment, dass man durch diese Weise des Probens lernt, selbst Verantwort­ung zu übernehmen. Das ist eine Dimension, die im Normalbetr­ieb nicht so in den Vordergrun­d rückt“, erklärt Stang. Möglicherw­eise geschieht das gerade deshalb, weil im Chor keine Stimme herausrage­n soll. „Und dass es jeder für sich kann, ist eine Idealvorst­ellung. Es gibt immer ‘Hinterhers­änger’.“Die Software schule aber die Konzentrat­ion. „Verstecken geht nicht mehr“, schmunzelt Stang. „Man hört jede Stimme.“Und er

die steigende Fähigkeit aller Sänger, diese Verantwort­ung zu übernehmen.

War es an Ostern ein Live-auftritt des Chores von zuhause aus, träumt Jonathan Smith Chung bereits davon, dass die Georgschor­knaben in absehbarer Zeit auch während der Pandemie einen ganzen Gottesdien­st live singen könnten. Stang blickt weit über Corona hinaus in eine Zeit, in der gemeinsame­s Singen wieder möglich sein wird. Denn eine solche Software könnte auch Chortreffe­n revolutioi­t-student nieren. Man könnte vor der realen Begegnung der Chöre bereits mit der Software gemeinsam proben, was viel Zeit sparen würde, die dann für Konzerte echten Austausch bliebe. Mit bis zu 50 Sängern kann das System funktionie­ren, sagt der Chorleiter Stang; Chung ist überzeugt, dass bis zu 90 zugeschalt­ete Sänger möglich sein könnten. Innerhalb Europas, sagt er, dürfte es keine Schwierigk­eiten geben. Ein gleichzeit­iges Singen mit einem Chor in den USA dagegen könnte problemati­sch werden. „Die Verzöspürt gerung wären etwa hundert Millisekun­den.“Die Georgschor­knaben sehen durch die Technik Licht am Ende des Tunnels.

Man könne sogar wieder neue Sänger aufnehmen, erzählt Stang. Wie lange es wohl bis zum Normalbetr­ieb dauern wird? Mit leiser Ironie singt Girard Rhoden eine Zeile aus einem Spiritual, „Nobody knows but Jesus“. „Aber der Lockdown hat für uns seinen Schrecken verloren“, sagt Thomas Stang. „Wenn keiner mehr singen darf, singen alle zu Hause.“

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Foto: Dagmar Hub Dieses Programm bringt den Ulmer Chor zumindest virtuell wieder zusammen.

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