Warum wir Journalisten Freiheit brauchen – und Mut
Leitartikel Zum Tag der Pressefreiheit müssen wir uns bewusst machen, warum diese
in Gefahr ist – aber aufpassen, dass wir Journalisten sie nicht selbst einschränken
ist – etwas so viel Größeres verkörpert als jeder von uns.
Die Frage, ob die Presse ihre Arbeit frei verrichten kann, ist nichts Geringeres als die Frage, ob unsere Gesellschaft demokratisch funktioniert. Es geht darum, was wichtig ist und wer sich nur wichtigmacht – und ob jeder zwar das Recht auf seine Meinung hat, aber nicht auf seine eigenen Fakten. Es geht auch darum, all das sagen, schreiben und senden zu können, was manche nicht hören wollen – und so sicherzustellen, dass jemand den Mächtigen auf die Finger schaut.
Die Pressefreiheit ist gerade in keinem sonderlich guten Zustand, in Deutschland nur „zufriedenstellend“laut aktueller Rangliste. Ein Grund ist, dass sich auch bei uns immer mehr Kolleginnen und Kollegen fürchten müssen – etwa weil sie auf Demonstrationen sogenannter „Querdenker“angespuckt, bedroht und eingeschüchtert werden.
Freiheit braucht zudem Unabhängigkeit, und die gerät leider in vielen Redaktionen ins Rutschen. Lange konnten wir Journalisten uns in Deutschland darauf konzentrieren, journalistisch das Beste zu geben – weil es Verlegerinnen und Verleger gab, die ihr Bestes gaben, damit wir uns darauf konzentrieren konnten. Das ist in guten Häusern zum Glück immer noch so, aber längst nicht mehr im ganzen Land. Auch weil die Einsicht, dass Journalismus etwas kostet und kosten muss, nicht mehr bei allen Lesern da ist. Natürlich ist es deswegen auch unsere Aufgabe, viel mehr an die Nutzer zu denken, an die Analyse von Daten, an die Vermarktung unserer Produkte. Aber wir bleiben Produktmanager der etwas anderen Art, unsere wichtigsten Kennzahlen heißen Vertrauen und Unabhängigkeit. Wenn Reporter unserer Redaktion aufdecken, dass Parlamentarier in der Pandemie offenbar horrende Provisionen einstrichen, um Masken zu vermitteln, ist es schön, wenn wir dadurch Digital-abonnenten
gewinnen. Aber wir müssten so einen Skandal auch recherchieren, wenn es keinen einzigen Abonnenten dafür gäbe.
Manchmal engen wir uns selbst ein, Menschen halt, mit all ihren Schwächen. Wir überlegen in der Branche immer länger, was man noch schreiben darf, ohne anzuecken. Klar, der „Shitstorm“lauert hinter jeder Ecke. Wer zu Corona etwa schreibt, dass Virologen nicht immer recht hätten, gilt als „Verharmloser“. Und wer schreibt, dass man jetzt nicht zu rasch lockern dürfe, ist ein „Merkel-lockdown-jünger“. Viele Politiker und die (sehr vielen) Prprofis in Unternehmen, Verbänden, Ministerien maulen sowieso gerne. Das hemmt manchmal den Stift.
Deswegen ist unsere Presse nicht gleichgeschaltet, wie Schauspieler gerade behaupteten. So etwas sagen nur Leute, die keine Zeitungen lesen. Aber vielleicht sind wir manchmal zu schüchtern, zu leise, statt laut für Demokratie zu werben. Wir müssen uns an unserem Freiheitstag auch klarmachen: Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.
Journalisten werden in ihrer Arbeit behindert