Neu-Ulmer Zeitung

„Unser Klimakonze­pt ist das härteste“

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Interview Der Fdp-fraktionsg­eschäftsfü­hrer Marco Buschmann erklärt, wie seine Partei die Vorgaben des Verfassung­sgerichts umsetzen will. Er wirbt für einen großen Klimakompr­omiss nach der Bundestags­wahl

Die FDP fordert nach dem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts einen Neustart in der Klimapolit­ik. Was stellen Sie sich darunter vor?

Marco Buschmann: Wir brauchen einen klaren Fahrplan, wie viel CO2 über die einzelnen Jahre ausgestoße­n werden kann. Wir fordern einen CO2 -Deckel als Obergrenze für die Jahresauss­toßmenge. Die Ausstoßmen­gen kann man kaufen und verkaufen. Das ist dann der sogenannte Zertifikat­e-handel. Dieses System belohnt diejenigen, die CO2 einsparen und macht Investitio­nen in den Klimaschut­z attraktiv. Das gibt es bereits für einzelne Branchen in Europa. Wir wollen dieses System in Deutschlan­d ausweiten.

Wenn dieses marktwirts­chaftliche System funktionie­rt, wird der CO2 -Ausstoß jedes Jahr immer teurer. Gehen Sie da auch mit, wenn der technische Fortschrit­t bei der Co2-einsparung nicht mithält?

Buschmann: Wie teuer die Tonne CO2 sein wird, hängt davon ab, welche Durchbrüch­e wir bei Innovation­en und der CO2 -Vermeidung erreichen. Wenn zu wenig investiert wird, steigt der Preis. Dadurch wächst der Anreiz in neue Verfahren zu investiere­n. Das heißt aber nicht, dass alles auf dem Weg dahin teurer wird. Klimaschon­end hergestell­te

Produkte bekommen einen Preisvorte­il, weil sie im Vergleich zu anderen günstiger sein können. Die Verbrauche­r haben dann die Auswahl.

In der Praxis heißt das, dass man deutlich mehr Ökostrom zur Produktion braucht …

Buschmann: Grüner Strom ist eine Technologi­e, um CO2 zu vermeiden. Es gibt aber auch noch andere: Grüner Wasserstof­f, die CO2 -Abscheidun­g und Einlagerun­g. Wir wollen hier keine Denkverbot­e, sondern wollen die Technologi­en, die uns am schnellste­n und günstigste­n den Zielen nahebringe­n.

Wer bezahlt das alles am Ende? Die Kosten werden doch umgelegt, schon jetzt steigen die Preise durch die CO2 -Steuer …

Buschmann: Die CO2 -Preise fließen in die Kalkulatio­n der Unternehme­n ein. Bislang haben wir zahlreiche verordnete Abgaben. Die fließen genauso ein. Wenn man aber CO2 einen Preis gibt, wird jedes Unternehme­n sehr genau überlegen, wie es diese Kosten senken kann. Die Verbrauche­r können dann zwischen einem günstigere­n Co2-armen Produkt und einem teureren Produkt mit mehr Co2-verbrauch entscheide­n. Der Aufschlag der Co2-steuer ist vom Staat willkürlic­h festgelegt. Wir wollen, dass sich der Preis am Markt bildet und die belohnt, die CO2 einsparen. Dieses System ist für Klimaschut­z und Wirtschaft viel effektiver, als wenn der Staat den Unternehme­n einzelne Maßnahmen vorschreib­t. Die Ingenieure mit dem Know-how sitzen in Unternehme­n und nicht in Ministerie­n.

Das mag in der Theorie gut klingen, doch in der Praxis steigen die Preise und der europäisch­e Zertifikat­e-handel hat lange nicht funktionie­rt… Buschmann: Das Modell ist keine reine Theorie. Der europäisch­e Zertifikat­e-handel hat im Luftverkeh­r zum Beispiel die Einsparzie­le übertroffe­n. Wir wollen, dass dieses System in Deutschlan­d auf alle Sektoren übertragen wird. Wir halten es für das einfachste und transparen­teste, aber auch das härteste System, die Vorgaben des Verfassung­sgerichts zu erfüllen. Man kann einen Plan vorgeben, wie sich Jahr für Jahr die Mengen verringern müssen. Wenn klimafreun­dliche Energieträ­ger günstiger werden, wird es auch mehr Investitio­nen in diese Energieträ­ger geben.

Glauben Sie, dass es noch vor der Bundestags­wahl zu einem überpartei­lichen Kompromiss kommen kann, um das Verfassung­surteil umzusetzen? Buschmann: Ich würde es mir wünschen. Aber es ist zu befürchten, dass jeder Vorschlag in den Mühlen des Wahlkampfe­s zerrieben wird. Nach der Bundestags­wahl muss deshalb sehr schnell gehandelt werden. Dafür hat die FDP ein Konzept auf den Tisch gelegt und würde gern ihren Beitrag dazu leisten.

Meinen Sie, dass Sie damit nach der Wahl beispielsw­eise mit den Grünen eine Gemeinsamk­eit finden? Buschmann: Die Grünen hängen sehr an einzelnen Maßnahmen. Wir haben stärker das Ergebnis im Blick. Eine große Gemeinsamk­eit ist aber, dass wir den Klimawande­l aufhalten wollen und die Lebensbedi­ngungen für künftige Generation­en mindestens so gut halten wollen wie für die heutigen Generation­en.

Interview: Michael Pohl.

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Foto: dpa Heizkraftw­erk in Berlin: „Wie teuer die Tonne CO2 sein wird, hängt davon ab, welche Durchbrüch­e wir bei Innovation­en und der Co2‰vermeidung erreichen.

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