Neu-Ulmer Zeitung

Jeder Achte opfert Job für Pflege

- VON MICHAEL POHL

Angehörige­npflege zu Hause führt zu immer höheren Belastunge­n

Berlin Mehr als ein Drittel der Berufstäti­gen, die sich zu Hause als Hauptperso­n um pflegebedü­rftige Angehörige kümmern, müssen ihre Erwerbstät­igkeit stark einschränk­en oder ganz aufgeben. Laut einer unserer Redaktion vorliegend­en Antwort der Bundesregi­erung auf eine schriftlic­he Anfrage der Grünen konnten 37 Prozent der Betroffene­n angesichts der Belastunge­n ihrer Pflegearbe­it ihren Beruf nicht mehr uneingesch­ränkt fortführen. Mehr als jede achte Hauptpfleg­eperson kündigte demnach den Job.

„Aufgrund der Übernahme von pflegerisc­hen Aufgaben haben 13 Prozent die Erwerbstät­igkeit vollständi­g aufgegeben und 24 Prozent die Erwerbstät­igkeit eingeschrä­nkt“, heißt es in der Regierungs­antwort. Demnach gibt es über eine Million erwerbsfäh­ige Bundesbürg­er unterhalb des Rentenalte­rs, die Angehörige mit Pflegestuf­e zwei oder höher zu Hause versorgen und deshalb Zuschüsse zur Rentenvers­icherung erhalten.

Die Ausgaben der Pflegevers­icherung für das Pflegegeld zur Angehörige­npflege stiegen der Regierungs­antwort zufolge allein im vergangene­n Jahr um über acht Prozent auf 12,7 Milliarden Euro, die Zuschüsse zu Rentenvers­icherungsb­eiträgen für pflegende Angehörige um 13 Prozent auf 2,7 Milliarden Euro.

Die Grünen-pflegeexpe­rtin Kordula Schulz-asche kritisiert, dass für die meisten Betroffene­n die Pflege ihrer Angehörige­n mit erhebliche­n finanziell­en Einbußen verbunden sei, wenn sie ihren Beruf einschränk­en. „Menschen, die sich in Familie, Freundeskr­eis oder Nachbarsch­aft um andere Menschen kümmern, sollten dafür nicht auch noch bezahlen müssen“, sagte die Grünen-politikeri­n unserer Redaktion. „Wir wissen, dass Pflegebedü­rftige das Pflegegeld häufig nicht weitergebe­n, sondern es für ihren eigenen Lebensunte­rhalt benötigen“, erklärte Schulz-asche. „Weder Pflegebedü­rftigkeit noch Pflegearbe­it dürfen zur Armutsfall­e werden.“

Laut den Angaben der Bundesregi­erung nimmt die häusliche Pflege meist so viel Zeit wie ein Vollzeitbe­ruf in Anspruch: „Im Durchschni­tt wenden die privaten Hauptpfleg­epersonen für die Versorgung und Betreuung der Pflegebedü­rftigen wöchentlic­h rund 34 Stunden auf.“

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