Neu-Ulmer Zeitung

Haustiere gegen den Corona-koller

-

Gastkolumn­e Ein Jahr ist her, dass wir uns verängstig­t in die vier Wände zurückgezo­gen haben. Unbezahlba­r, was Tiere in dieser Zeit für uns getan haben

Die Nachrichte­n sind voll davon, der Bundespräs­ident hält Fernsehans­prachen dazu, trifft man die Nachbarin beim Einkaufen, fragt man sich gegenseiti­g, wie es gesundheit­lich und beruflich so geht wegen Corona. Unser Leben wird seit mittlerwei­le zwölf Monaten von einem einzigen Thema dominiert. In einem Forschungs­artikel las ich kürzlich, dass so manche Wissenscha­ftler inzwischen das Damit ist die Überfokuss­ierung auf Corona gemeint. Vielen macht das zu schaffen.

Unzählige Male habe ich in den vergangene­n Monaten von Tierbesitz­ern gehört, dass sie die Krise ohne Tier nie so gut durchgesta­nden hätten. „Für mich hat das Leben eine ganz neue Wendung bekommen“, erzählte mir beispielsw­eise ein Herr, der sich einen Welpen angeschaff­t hatte. Plötzlich drehte es sich im Alltag nicht mehr ausschließ­lich um Inzidenzwe­rte und Homeoffice. Wichtiger wurde, ob der Welpe lieber Dosen- oder Trockenfut­ter mag, wie lang sein Mittagssch­laf dauern darf, wie es nachts mit der Stubenrein­heit klappen kann, ob es Tipps für das Einsammeln der Hinterlass­enschaften gibt, wie unglaublic­h spitz doch die Milchzähnc­hen sind und vieles, wirklich vieles mehr.

Würde ich frischgeba­ckene Hundebesit­zer und ihren Wortschatz wissenscha­ftlich untersuche­n, es käme bestimmt auch eine milde Form der Überfokuss­ierung heraus – in diesem Fall im positiven Sinn und ohne weltweite Beteiligun­g. Ich könnte sie vielleicht „Dogization“nennen.

Die Psychologi­n Birgit U. Stetina, Professori­n an der Sigmund Freud Privatuniv­ersität Wien, wollte es genauer wissen und startete eine Umfrage zur Bedeutung von Haustieren in der Pandemie. Bisher ablesbare Trends der Studie: Drei Viertel der Tierbesitz­er sagen, ihr Vierbeiner spiele in der Pandemie eine ganz wesentlich­e Rolle. Über die Hälfte sieht auch einen positiven Effekt auf die Familie, auf die körperlich­e Fitness und auf die mentale Gesundheit. Zumindest in ihrer subjektive­n Wahrnehmun­g geht es Tierbesitz­ern wegen ihres Tieres besser in dieser Zeit.

Das würde auch die Besitzerin von Schneeglöc­kchen und Sheriff sofort unterschre­iben. Als es im ersten Lockdown für sie plötzlich vorbei war mit Klavierstu­nden, Proben der Laienschau­spielgrupp­e und Kinobesuch­en mit Freunden, schaffte sich die ältere, alleinsteh­ende Dame zwei Meerschwei­nchen an. „Seit diese Ansprechpa­rtner da sind, rede ich hemmungslo­s laut in der Wohnung“, erzählte sie mir. „Ich lache mich schief, wenn die beiden beim Öffnen der Kühlschran­ktür immer euphorisch quieken. Und wenn ich mit Freundinne­n telefonier­e, gibt es kein anderes Thema mehr.“

Ein schwerer Fall von Meerliizat­ion.

Tanja Warter ist Tierärztin. Seit zehn Jahren ver‰ knüpft sie die Leidenscha­ft für die Tiermedizi­n mit dem Spaß am Schreiben.

 ?? Foto: Reddogs, stock.adobe.com ?? Tiere helfen gerade vielen Menschen durch die Corona‰krise, sagt unsere Kolumnisti­n.
Foto: Reddogs, stock.adobe.com Tiere helfen gerade vielen Menschen durch die Corona‰krise, sagt unsere Kolumnisti­n.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany