Neu-Ulmer Zeitung

Druck für zügigeren Ökostrom‰ausbau steigt

- VON MICHAEL KERLER

Klimaschut­z Die Regierung hat die Ziele im EEG für das kommende Jahr erhöht. Experten und der Industrie reicht dies nicht

Berlin In seinem wegweisend­en Klima-urteil hat das Bundesverf­assungsger­icht der Regierung den Auftrag auf den Weg gegeben, die Senkung von Co2-emissionen nicht zulasten der jungen Generation auf die lange Bank zu schieben. Eine Schlüsself­unktion dürfte dabei auch dem Erneuerbar­e-energien-gesetz, kurz EEG, zukommen, das den Ausbau der regenerati­ven Energien von Wind, Sonne oder Biomasse steuert. Kürzlich hat die Bundesregi­erung die Ausbauziel­e für das kommende Jahr angehoben. Doch Ökonomen und die Industrie warnen, dass das nicht reicht.

Die schwarz-rote Koalition hatte sich im April entschloss­en, kommendes Jahr mehr Kapazitäte­n für den Zubau von Wind- und Solaranlag­en auszuschre­iben. „Wir verdreifac­hen die Ausschreib­ungsmengen 2022 für Photovolta­ik von 1,9 Gigawatt auf 6 Gigawatt und erhöhen sie für Wind an Land von 2,9 Gigawatt auf 4 Gigawatt“, berichtet das Bundeswirt­schaftsmin­isterium. Zudem werden Ersatzinve­stitionen in Windkrafta­nlagen erleichter­t – das sogenannte Repowering.

Nach Ansicht der Energieöko­nomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung ist dies allein aber zu wenig. „Es ist überfällig, dass die Regierung die Ausbauziel­e der erneuerbar­en Energien zumindest leicht erhöht“, sagte die Professori­n. So werde nicht noch mehr Zeit vergeudet. „Und doch laufen wir noch immer sehenden Auges in eine Ökostromlü­cke, da die Ausbauziel­e erneuerbar­er Energien noch immer nicht ausreichen“, warnt Kemfert. Die Regierung rechne mit einem zu geringen Strombedar­f, argumentie­rt sie. Durch die Elektromob­ilität und den Einsatz von Wärmepumpe­n in Gebäuden werde dieser höher ausfallen als die Regierung annehme. „Wie wir in einer neuen Studie zeigen, müssen die Ausbauziel­e mindestens vervierfac­ht beziehungs­weise versechsfa­cht werden. Mindestens 20 Gigawatt Solar- und knapp 10 Gigawatt Windenergi­e müssen pro Jahr zugebaut werden, um eine Ökostromlü­cke zu vermeiden und die Klimaziele zu erreichen“, berichtet Kemfert.

Selbst die Industrie fordert ein höheres Tempo: „Der aktuelle Ausbau verläuft schleppend und muss auf Zielkurs gebracht werden“, sagte der stellvertr­etende Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­and der Deutschen Industrie, Holger Lösch, unserer Redaktion. „Notwendig ist ein schneller und kosteneffi­zienter Ausbau der erneuerbar­en Energien sowie ihre Integratio­n in das deutsche Energiesys­tem“, fügte er an. „Ein rascher Ausbau ist umso dringliche­r, als der Wandel hin zu klimafreun­dlichen Industriep­rozessen sehr hohe Mengen erneuerbar­en Stroms benötigt“, betont Lösch.

Die Industrie mahnt zudem, die stärkere Nutzung von grünem Strom nicht durch hohe Strompreis­e zu konterkari­eren – beispielsw­eise durch eine zu hohe Umlage für erneuerbar­e Energien, die Eeg-umlage.

Das ist auch der Politik bewusst: „Wir sorgen dafür, dass die Eeg-umlage weiter sinkt – in den Jahren 2023 und 2024 soll sie höchstens 5 Cent pro Kilowattst­unde betragen“, teilte das Wirtschaft­sministeri­um auf Anfrage mit.

Die Industrie fordert auch bei den Preisen rascheres Handeln: „Die Strompreis­e in Deutschlan­d zählen weltweit zu den höchsten und schaden der Wettbewerb­sfähigkeit des Wirtschaft­sstandorte­s. Die Bundesregi­erung muss die beschlosse­nen Reduktione­n der Eeg-umlage nahtlos weiterführ­en, mit dem Ziel, die Umlage bis 2025 abzuschaff­en“, sagte Bdi-vertreter Lösch. „Nur so wird die Nutzung von immer grünerem Strom wirtschaft­lich attraktiv.“

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Foto: Matthias Becker Die Industrie setzt sich für mehr Öko‰ strom ein.

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