Druck für zügigeren Ökostromausbau steigt
Klimaschutz Die Regierung hat die Ziele im EEG für das kommende Jahr erhöht. Experten und der Industrie reicht dies nicht
Berlin In seinem wegweisenden Klima-urteil hat das Bundesverfassungsgericht der Regierung den Auftrag auf den Weg gegeben, die Senkung von Co2-emissionen nicht zulasten der jungen Generation auf die lange Bank zu schieben. Eine Schlüsselfunktion dürfte dabei auch dem Erneuerbare-energien-gesetz, kurz EEG, zukommen, das den Ausbau der regenerativen Energien von Wind, Sonne oder Biomasse steuert. Kürzlich hat die Bundesregierung die Ausbauziele für das kommende Jahr angehoben. Doch Ökonomen und die Industrie warnen, dass das nicht reicht.
Die schwarz-rote Koalition hatte sich im April entschlossen, kommendes Jahr mehr Kapazitäten für den Zubau von Wind- und Solaranlagen auszuschreiben. „Wir verdreifachen die Ausschreibungsmengen 2022 für Photovoltaik von 1,9 Gigawatt auf 6 Gigawatt und erhöhen sie für Wind an Land von 2,9 Gigawatt auf 4 Gigawatt“, berichtet das Bundeswirtschaftsministerium. Zudem werden Ersatzinvestitionen in Windkraftanlagen erleichtert – das sogenannte Repowering.
Nach Ansicht der Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung ist dies allein aber zu wenig. „Es ist überfällig, dass die Regierung die Ausbauziele der erneuerbaren Energien zumindest leicht erhöht“, sagte die Professorin. So werde nicht noch mehr Zeit vergeudet. „Und doch laufen wir noch immer sehenden Auges in eine Ökostromlücke, da die Ausbauziele erneuerbarer Energien noch immer nicht ausreichen“, warnt Kemfert. Die Regierung rechne mit einem zu geringen Strombedarf, argumentiert sie. Durch die Elektromobilität und den Einsatz von Wärmepumpen in Gebäuden werde dieser höher ausfallen als die Regierung annehme. „Wie wir in einer neuen Studie zeigen, müssen die Ausbauziele mindestens vervierfacht beziehungsweise versechsfacht werden. Mindestens 20 Gigawatt Solar- und knapp 10 Gigawatt Windenergie müssen pro Jahr zugebaut werden, um eine Ökostromlücke zu vermeiden und die Klimaziele zu erreichen“, berichtet Kemfert.
Selbst die Industrie fordert ein höheres Tempo: „Der aktuelle Ausbau verläuft schleppend und muss auf Zielkurs gebracht werden“, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Bundesverband der Deutschen Industrie, Holger Lösch, unserer Redaktion. „Notwendig ist ein schneller und kosteneffizienter Ausbau der erneuerbaren Energien sowie ihre Integration in das deutsche Energiesystem“, fügte er an. „Ein rascher Ausbau ist umso dringlicher, als der Wandel hin zu klimafreundlichen Industrieprozessen sehr hohe Mengen erneuerbaren Stroms benötigt“, betont Lösch.
Die Industrie mahnt zudem, die stärkere Nutzung von grünem Strom nicht durch hohe Strompreise zu konterkarieren – beispielsweise durch eine zu hohe Umlage für erneuerbare Energien, die Eeg-umlage.
Das ist auch der Politik bewusst: „Wir sorgen dafür, dass die Eeg-umlage weiter sinkt – in den Jahren 2023 und 2024 soll sie höchstens 5 Cent pro Kilowattstunde betragen“, teilte das Wirtschaftsministerium auf Anfrage mit.
Die Industrie fordert auch bei den Preisen rascheres Handeln: „Die Strompreise in Deutschland zählen weltweit zu den höchsten und schaden der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes. Die Bundesregierung muss die beschlossenen Reduktionen der Eeg-umlage nahtlos weiterführen, mit dem Ziel, die Umlage bis 2025 abzuschaffen“, sagte Bdi-vertreter Lösch. „Nur so wird die Nutzung von immer grünerem Strom wirtschaftlich attraktiv.“