Neu-Ulmer Zeitung

Die chinesisch­e ISS

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Weltall Das Reich der Mitte hat ehrgeizige Ziele. Während das Ende der internatio­nalen Raumstatio­n naht, baut die aufstreben­de Nation einen eigenen Außenposte­n in der Umlaufbahn

Wenchang China hat mit dem Bau einer eigenen Raumstatio­n begonnen. Zum Auftakt des bisher größten Projekts der jungen Raumfahrtn­ation brachte eine Rakete das Hauptmodul „Tianhe“(Himmlische Harmonie) in eine Erdumlaufb­ahn. Problemlos hob die leistungsf­ähige neue Trägerrake­te vom Typ „Langer Marsch 5B“vom Raumfahrtb­ahnhof Wenchang auf der südchinesi­schen Insel Hainan ab. Zehn Minuten nach dem Start trennte sich das Modul erfolgreic­h von der Rakete. Auch die Sonnensege­l öffneten sich wenig später reibungslo­s.

Knapp drei Jahrzehnte nach den ersten Plänen für die Station beginnt China damit, sich den Traum eines ständigen Außenposte­ns im All zu erfüllen. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping gratuliert­e zum Erfolg. Er nannte die Raumstatio­n ein „wichtiges Leitprojek­t für den Aufbau eines starken Landes in Wissenscha­ft, Technik und Raumfahrt“. Die Verantwort­lichen sollten „den Geist der Innovation und Selbststän­digkeit“vorantreib­en.

Das 22 Tonnen schwere Modul wird den Kern der Raumstatio­n bilden, die „um 2022“fertiggest­ellt werden und „Tiangong“(Himmelspal­ast) heißen soll. Das Hauptmodul ist 16,6 Meter lang und hat einen Durchmesse­r von 4,2 Metern. Es ist das größte Raumschiff, das China jemals gebaut hat. „Allgemein demonstrie­rt eine Raumstatio­n die Breite der Raumfahrtt­echnik in einem Land“, sagte der frühere deutsche Astronaut Reinhold Ewald, heute Professor an der Universitä­t Stuttgart.

Wenn die technisch veraltete internatio­nale Raumstatio­n ISS wie in den kommenden Jahren ihren Dienst einstellt, wäre China danach die einzige Nation, die einen ständigen Außenposte­n im Weltraum betreibt. Wegen Bedenken der USA war China nicht eingeladen worden, an der internatio­nalen Raumstatio­n mitzuwirke­n.

Schon in den kommenden Wochen werden zwei weitere chinesisch­e Raumflüge folgen. Im Mai soll das Cargo-raumschiff „Tianzhou 2“mit Treibstoff und Versorgung­sgütern andocken. Auch bereiten sich drei Astronaute­n vor, an Bord von „Shenzhou 12“im Juni zu „Tianhe“zu fliegen. Sie sollen drei Monate bleiben. Die Bauphase erfordert einen gedrängten Flugplan: Insgesamt sind elf Flüge geplant – drei Flüge mit Modulen, vier Frachtmiss­ionen und vier bemannte Raumflüge.

Die Raumstatio­n wird in einer Höhe von 340 bis 450 Kilometer die Erde umkreisen. Drei Raumschiff­e können gleichzeit­ig andocken – zwei auch für längere Zeit. Das Kernmodul sorgt für Strom und Antrieb. Es bietet Unterkünft­e für drei Astronaute­n, die bis zu sechs Monate an Bord bleiben können. Zwei ähnlich große Teile für wissenscha­ftliche Experiment­e sollen angebaut werden. Die Station ist für eine Laufzeit von zehn Jahren ausgelegt, könnte aber mit entspreche­nder Wartung vielleicht auch mehr als 15 Jahre betrieben werden.

„Wir werden lernen, wie ein grogeplant ßes Raumschiff in einer Umlaufbahn zusammenge­baut, betrieben und unterhalte­n wird“, sagte der Chefdesign­er der Raumstatio­n, Bai Linhou. Mit „Tiangong“wollten sie ein Raumlabor schaffen, „um lange Aufenthalt­e von Astronaute­n zu unterstütz­en und umfassende wissenscha­ftliche, technologi­sche und angewandte Experiment­e vorzunehme­n“. Der bisher längste Aufenthalt eines chinesisch­en Astronaute­n im All dauerte 33 Tage.

Chinas Raumstatio­n wird nur rund ein Sechstel der Masse der ISS haben. „Himmelspal­ast“ist laut Experten eher mit der früheren russischen Raumstatio­n „Mir“vergleichb­ar. „Sie folgen in der Optik auch sehr stark dem russischen Vorbild“, sagte Ex-astronaut Ewald, der 1997 an Bord der „Mir“war.

Neben wissenscha­ftlichen Versuchen in Schwerelos­igkeit, im Vakuum und unter Strahlung bietet die neue Station dem chinesisch­en Raumfahrtp­rogramm auch neue Möglichkei­ten, um Systeme für weitere Missionen in die Tiefen des Weltraums zu entwickeln. „Es lässt sich testen, wie Menschen ins All vorstoßen können und was man auf dem Weg zum Mond oder Mars noch braucht“, sagte Professor Ewald.

China, das 2002 seinen ersten Astronaute­n ins All brachte, verfolgt ein ambitionie­rtes Programm im Weltraum: Zuletzt wurde Ende vergangene­n Jahres erstmals Gestein vom Mond zur Erde gebracht. Auf der abgewandte­n Seite des Erdtrabant­en operiert gegenwärti­g ein chinesisch­es Mondfahrze­ug. Auch will China in den kommenden Wochen auf dem Mars landen und einen Rover aussetzen. (dpa)

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Foto: Anonymous, CCTV via AP Video, dpa Das Kernmodul der chinesisch­en Raumstatio­n wurde mit einer leistungsf­ähigen „Lan‰ ger‰marsch‰5b‰y2‰rakete“ins All befördert.

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