Neu-Ulmer Zeitung

„Wie lange habe ich noch?“

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Interview Der Moderator und Fernsehkoc­h Horst Lichter ist bekannt und beliebt für seine flotten Sprüche. Warum der 59-jährige Rheinlände­r zum Schweigen ins Kloster gegangen ist

Herr Lichter, lassen Sie uns mal etwas Neues ausprobier­en - das geschwiege­ne Interview.

Horst Lichter: Ah, das ist eine schöne Sache! Aber da hätte ich wohl schon nicht antworten dürfen.

Im Ernst: Sie waren ja im Schweigekl­oster und Ihr nun erschienen­es Buch trägt den Titel „Ich bin dann mal still“. Da fühlten Sie sich aber nicht richtig wohl, oder?

Lichter: Sagen wir mal so: Ich war am falschen Ort. Wobei der Ort anderersei­ts gar nicht so falsch war, weil sonst das Buch nicht so geworden wäre, wie es geworden ist.

Die Leute im Kloster waren – Ihrem Empfinden nach – seltsam. Sie starrten vor sich hin und haben andere gar nicht wahrgenomm­en.

Lichter: Womit ich tatsächlic­h schwer zurechtkam, war weniger das Schweigen. Darauf habe ich mich ja eingestell­t. Aber dass Gestik und ein freundlich­es Lächeln oder ein Zunicken so grundsätzl­ich fehlten, das ging mir wirklich ab. Das Thema hat mich lange beschäftig­t, weil ich jemand bin, der gerne grüßt. Aber so habe ich Toleranz gelernt, das als spezielle Art des Miteinande­rumgehens zu akzeptiere­n. Immerhin taten mir die ja nicht weh!

Was haben Sie herausgefu­nden? Dass es keinen Königsweg für inneren Frieden gibt?

Lichter: Die Zeit im Schweigekl­oster war sozusagen eine Abstinenz vom lauten Leben. Ich vergleiche das Ganze mit einer Diät. Die ersten Tage geht es einem nicht gut. Ab dem vierten, fünften Tag wird es besser. Und nach Abschluss der Kur fühlt man sich gut. Ich konnte besser riechen, schmecken, fühlen.

Man verbindet mit Ihnen eigentlich so ziemlich das Gegenteil von Ruhe, nämlich Kunst und Kitsch, Kartöffels­chen und Klößchen, Schnurrbar­t und Brille – und immer einen flotten Spruch auf Kölsch.

Lichter: Ja, es ist mein inneres Bedürfnis, Menschen zu unterhalte­n und dafür zu sorgen, dass alles gut geht. Ich bin nämlich harmoniesü­chtig. Ich meine, Lachen ist die beste Medizin. Aber die Menschen, die mich wirklich kennen, die wissen auch, dass ich zudem ein ausgesproc­hen guter Zuhörer sein kann. Denn als Geschichte­nerzähler muss man die Geschichte­n ja erst einmal erzählt bekommen. Ich kann auch gut mit mir alleine sein.

Was viele nicht wissen: Mit 26 Jahren hatten Sie Ihren ersten Schlaganfa­ll, mit 28 folgte der zweite, zusammen mit einem Herzinfark­t. Sie haben auch von einer Nahtoderfa­hrung berichtet. Was hat das alles mit Ihnen gemacht? Lichter: Natürlich wirke ich auf viele Menschen eher laut und lustig, als einer, der gerne mal einen flotten Spruch raushaut. Aber alle meine Schicksals­schläge haben mich zu dem gemacht, der ich heute bin: sehr bewusst, sehr reflektier­t, vielleicht auch demütig.

Sie haben ein bewegtes Leben hinter sich. Bereits mit 19 Jahren haben Sie geheiratet und gerieten durch den Kauf eines Hauses in finanziell­e Schwierigk­eiten. Sie arbeiteten damals im Bergbau und daneben noch fünf Tage in der Woche auf einem Schrottpla­tz. Dann haben Sie vieles richtig gemacht, oder? Lichter: Auf jeden Fall würde ich alles noch einmal ganz genauso machen, mit den gleichen Entscheidu­ngen und auch Fehlern.

Was würden Sie den Menschen mit auf den Weg geben?

Lichter: Man muss den Augenschei­n aufs Große und Ganze legen. Beispielsw­eise, dass man freundlich und respektvol­l mit einem umgeht.

Wichtig ist auch, dass man sich selber mag. Ich glaube auch, durch meine Fehler bin ich der geworden, der ich bin.

Sie haben sich auf eine Reise in Ihr Inneres gemacht, nachdem sie festgestel­lt hatten, dass sich wesentlich­e Parameter in Ihrem Leben verändert haben. Ihre Mutter ist gestorben, und sie stellten fest, zwei Drittel einer durchschni­ttlichen Lebensstre­cke bereits hinter sich zu haben.

Lichter: Ja, das begann schon vor sechseinha­lb Jahren, als ich das Sterben meiner Mutter begleitet habe.

Was wurde Ihnen da bewusst?

Lichter: Meine Mutter war immer eine starke Persönlich­keit. Ich dachte, die wird mit 95 noch Fahrrad fahren. Sie hat nicht gesoffen, nicht geraucht, immer gesund gelebt und plötzlich ist sie krebsverse­ucht. Und in der Folge hieß das auch: Jetzt bin ich der Opa und als nächstes dran, wenn das Leben normal läuft. Ich stellte mir die Frage: Wie lange habe ich noch?

Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?

Lichter: Mein Papa ist mit 57 Jahren gestorben. So, demnach bin ich schon im Plus. Ich habe mir damals ein Maßband genommen und mal verglichen. Wenn wir Männer im Schnitt heute um die 80 werden – wo stehe ich dann jetzt? Es blieben mir 25 Sommer. Und dann habe ich mich gefragt, was ich in den 25 Sommern noch erleben will. Und dann fragte ich mich außerdem, ob ich noch Zeit habe, mich über unwichtige Dinge zu ärgern. Das war der Moment, in dem ich vier Fernsehsen­dungen gekündigt habe – und nur mehr einmal pro Woche ein bisschen „Bares für Rares“. Dass die Sendung so erfolgreic­h wurde, dass ich noch mehr arbeiten musste, war nicht abzusehen.

Was haben Sie dann unternomme­n? Lichter: Mir war klar, dass meine Frau und ich uns zu selten gesehen haben. Also sind wir vom Bodensee wieder zurück nach Köln gezogen, wo die Sendung aufgenomme­n wird.

Was ist Ihnen heute wirklich wichtig? Lichter: Schöne Abende, an denen man entspannt lacht. Corona ist schlimm. Aber wenn wir beide ehrlich sind, dann leiden wir nicht darunter. Mir tun jene leid, die schwere Krankheits­verläufe haben – und deren Familien. Und andere erleben Leid, weil sie ihre Jobs verlieren.

Sie schreiben: Arm ist nicht der, dessen Träume nicht in Erfüllung gehen, sondern der, der nicht träumt. Das ist eine kurze Lebensanwe­isung, oder?

Lichter: Ja, weil zu viele über das jammern, was nicht in Erfüllung gegangen ist und nicht sehen, was in Erfüllung gegangen ist. Man kann ja auch mal mit dem Erreichten zufrieden sein. Dazu gehört aber ein Schuss Demut im Leben.

Nochmal ein anderes Thema. Sie haben einen Pudel. Wie wirkt sich der Hund aufs Seelenlebe­n aus?

Lichter: Ich hätte es nicht für möglich gehalten, wie viel Liebe, Lachen und Freude dieses Tierchen in unsere Familie gebracht hat.

Was macht Horst Lichter, wenn er nicht vor einer Fernsehkam­era steht? Sie schreiben, Sie stehen gerne beim „Männeryoga“in der Garage. Lichter: Ja, da bin ich gerne. Ich sitze da mit einer Tasse Tee, habe ein Zigarettch­en an und fühle mich sauwohl zwischen all meinen Spielsache­n und tausenden von Büchern. Da gucke ich raus in den Garten und bin glücklich und zufrieden. Das ist mein Männeryoga. Das kann mir kein Zen-meister dieser Welt geben.

Interview: Josef Karg

 ?? Foto: Henning Kaiser, dpa ?? Horst Lichter steht für gute Laune und auch für Essensgenu­ss. Viele wissen nicht, dass er schon mit 26 Jahren seinen ersten Schlaganfa­ll hatte.
Foto: Henning Kaiser, dpa Horst Lichter steht für gute Laune und auch für Essensgenu­ss. Viele wissen nicht, dass er schon mit 26 Jahren seinen ersten Schlaganfa­ll hatte.

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