Neu-Ulmer Zeitung

Mit gutem Essen Entzündung­en zu Leibe rücken

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Ernährung Bei vielen Erkrankung­en spielen entzündlic­he Prozesse eine Rolle. Ein genauer Blick auf den Speiseplan

lohnt sich dann. Denn gegen viele Probleme kann vorgebeugt werden. Experten geben Tipps

Hering, Grünkohl: Auf den ersten Blick haben diese Lebensmitt­el wenig miteinande­r zu tun. Dennoch teilen sie eine Gemeinsamk­eit. Ihnen wird eine antientzün­dliche Wirkung auf den Körper zugeschrie­ben – wie auch einer Reihe anderer Lebensmitt­el. Doch für wen ist es überhaupt wichtig, darauf zu achten?

Fakt ist: Bei einigen chronische­n Erkrankung­en treiben Entzündung­en ihr Unwesen – allen voran bei rheumatisc­hen Beschwerde­n wie Gicht oder Arthrose. Auch bei Hauterkran­kungen wie Neurodermi­tis und Schuppenfl­echte sind sie zentral.

Die Ernährung kann darauf einwirken: „Einige Inhaltssto­ffe von Lebensmitt­eln können Entzündung­sreaktione­n in Knorpel, Gelenken und Geweben begünstige­n“, sagt der Internist Matthias Riedl, der Sprecher des Bundesverb­andes Deutscher Ernährungs­mediziner (BDEM) ist. Umgekehrt gibt es Stoffe, die entzündung­shemmend wirken. Wer den entspreche­nden Lebensmitt­eln mehr Platz im Speiseplan einräumt, kann Beschwerde­n lindern und bestenfall­s Schmerzmit­tel reduzieren. „Eine antientzün­dliche Ernährung ist zudem zur Prävention wertvoll“, sagt die Gesundheit­spädagogin und Diätassist­entin Sarah Mörstedt.

Das gilt laut Matthias Riedl etwa für Menschen mit Übergewich­t: „Diese haben nämlich ein erhöhtes Risiko für entzündlic­he Prozesse. Denn das Bauchfett produziert Hormone, die Entzündung­en fördern.“Wer sich antientzün­dlich ernährt, kann eventuelle­n Folgeerkra­nkungen wie Diabetes mellitus oder einem Schlaganfa­ll vorbeugen. Worauf ist bei einer antientzün­dlichen

Ernährung zu achten? Wer bereits gesund und ausgewogen isst, hat den Großteil der Umstellung schon einmal geschafft. Der nächste Schritt ist, entzündung­shemmende Lebensmitt­el in den Fokus zu rücken – und damit regelmäßig auf den Teller zu bringen.

Deren Gegenspiel­er, die entzündlic­hen Nahrungsmi­ttel, sollten reduziert werden. Dazu zählen Tierproduk­te wie Schweinesc­hmalz oder Kalbsleber, aber auch Zucker- und Fetthaltig­es wie Gebäck, Süßwaren und Fast Food. In all diesen Produkten steckt Arachidons­äure, eine mehrfach ungesättig­te Omega6-fettsäure. „Aus ihr werden sogenannte Eicosanoid­e gebildet, die an der Regulation von Entzündung­en im Körper beteiligt sind“, erklärt Riedl. Hat der Körper wenig Arachidons­äure zur Verfügung, entstehen wenig Eicosanoid­e – Entzündung­sprozesse werden so gemildert.

Wer zudem genug Omega3-fettsäuren aufnimmt, verhindert, dass der Körper Arachidons­äure in Eicosanoid­e umbaut. „Besonders viele Omega-3-fettsäuren stecken zum Beispiel in Avocados, Leinöl, Kürbiskern­en, Walnüssen oder Pekannüsse­n“, so Mörstedt. Auch fettreiche­r Fisch wie Hering, Makrele oder Lachs ist für die Versorgung gut – sofern man ihn mindestens einmal pro Woche isst.

Sekundäre Pflanzenst­offe sind weitere Helfer gegen Entzündung­en. „Diese Stoffe werden von Pflanzen gebildet, um sich zum Beiingwer, spiel vor Schädlinge­n, Pilzen oder Bakterien zu schützen“, erklärt Mörstedt. Rund 10000 sekundäre Pflanzenst­offe kommen in der menschlich­en Nahrung vor – erforscht sind längst nicht alle. Es zeichnet sich jedoch ab, dass viele von ihnen entzündung­shemmend wirken. Daher ist grünes Blattgemüs­e wie Spinat oder Grünkohl eine gute Wahl, ebenso wie Beeren, Äpfel, Trauben, Tomaten, Paprika oder Grapefruit.

Viele Gewürze wirken antientzün­dlich, darunter Knoblauch, Zwiebeln, Kurkuma und Ingwer. „Bestenfall­s verwendet man sie nicht in Form von Pulver, sondern in ihrer ursprüngli­chen Form und roh“, sagt Mörstedt.

Mit Blick auf eine Ernährungs­umstellung mit Fokus auf antientzün­dlichem Essen gilt generell: Liegt eine Erkrankung vor, kann es hilfreich sein, sich profession­elle Unterstütz­ung durch einen Ernährungs­therapeute­n oder eine Ernährungs­therapeuti­n zu suchen.

„Zudem ist es sinnvoll, eine Fettsäurea­nalyse über das Blut machen zu lassen“, rät Ernährungs­mediziner Riedl. „So lässt sich feststelle­n, wie gut man mit Omega-3-fettsäuren versorgt ist.“

Eine solche Analyse kann der Hausarzt oder die Hausärztin vornehmen. Es gibt darüber hinaus private Anbieter, die entspreche­nde Testkits verschicke­n. Eine Fettsäurea­nalyse wird von den Krankenkas­sen in der Regel nicht übernommen. Ansonsten ist es für den Beginn hilfreich, sich am Richtwert von 500 Gramm Gemüse am Tag zu orientiere­n. „Wichtig ist, Vielfalt auf dem Teller zu haben – das erhöht die Chance, gut mit antientzün­dlichen Inhaltssto­ffen versorgt zu werden“, sagt Diätassist­entin Mörstedt. Kleine Kniffe können den Start erleichter­n. Ingwer kann man morgens einfach ins Müsli reiben oder als Shot konsumiere­n. Tiefgekühl­tes Gemüse sorgt dafür, dass stets Auswahl im Haus ist.

Bei der Frage, wie viel man letztlich von einer antientzün­dlichen Ernährung als Therapie-baustein erwarten kann, gehen die Ansichten der Fachleute teils auseinande­r. Für den Hamburger Rheumatolo­gen Peer M. Aries ist klar: Eine antientzün­dliche Ernährung hat längst nicht dieselbe Daseinsber­echtigung wie Medikament­e. „Theoretisc­h ist es logisch, dass eine antientzün­dliche Ernährung funktionie­rt“, sagt Aries. Für ihn konnte dieser Effekt in Studien bislang allerdings nicht zufriedens­tellend belegt werden. „Natürlich schadet es nicht, sich gesund zu ernähren. Man sollte die Erwartunge­n aber nicht zu hoch ansetzen“, empfiehlt er. Ernährungs­mediziner

Achtung Arachidons­äure!

Ernährung allein reicht allerdings nicht.

Riedl sagt: „Die Ernährung ist ein wichtiger Baustein der Therapie. In vielen Situatione­n tritt eine Besserung ein.“Aus Riedls Sicht ist es wichtig, die Therapie ganzheitli­ch zu betrachten. So sollte man auch auf Bewegung, Schlaf und Stressmana­gement schauen. Das alles seien Bausteine, um gut mit entzündlic­hen Krankheite­n zu leben.

Ricarda Dieckmann, dpa

 ?? Foto: Zacharie Scheurer, dpa ?? So ein schöner Anblick. Und das Gute ist: Pflanzlich­e Ernährung hilft oft gegen entzündlic­he Vorgänge im Körper.
Foto: Zacharie Scheurer, dpa So ein schöner Anblick. Und das Gute ist: Pflanzlich­e Ernährung hilft oft gegen entzündlic­he Vorgänge im Körper.

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