Neu-Ulmer Zeitung

Verkauf macht Verfolgung nicht ungeschehe­n

- VON STEFAN DOSCH

Rückgabe Die Stadt Düsseldorf restituier­t die „Füchse“von Franz Marc und folgt damit einer umstritten­en Empfehlung der Limbach-kommission. Das könnte Auswirkung­en haben auf Kulturgut, das die Nazis einst entzogen

Die „Beratende Kommission im Zusammenha­ng mit der Rückgabe Nsverfolgu­ngsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesonde­re aus jüdischem Besitz“ist ein wahrhaft atemberaub­ender Name für ein Beratergre­mium. Weshalb die Einrichtun­g im Tagesgebra­uch der Einfachhei­t halber gerne als „Limbachkom­mission“(nach dem Namen ihrer Ersten Vorsitzend­en) tituliert wird. Und doch hat der valentines­k erscheinen­de Wortbandwu­rm seine Berechtigu­ng, würde etwa eine Verknappun­g auf „Rückgabe von Nsraubkuns­t“zu kurz ansetzen. Das zeigt der Fall der „Füchse“von Franz Marc, einem Gemälde, das die Stadt Düsseldorf jetzt an die Erben des früheren jüdischen Besitzers restituier­t.

Das Ölbild gelangte 1962 als Schenkung in die Städtische­n Kunstsamml­ungen Düsseldorf, es zählt zu den Glanzstück­en des dortigen Kunstpalas­ts. 1928 hatte der Bankier und Unternehme­r Kurt Grawi die im Jahr 1913 entstanden­en „Füchse“gekauft. Als Hitler an die Macht kam, war der Jude Grawi den Repression­en der Nationalso­zialisten ausgesetzt. Im Gefolge der Pogrome vom November 1938 hielt man ihn einige Zeit im Konzentrat­ionslager Sachsenhau­sen fest. Nach seiner Freilassun­g gelang ihm jedoch 1939 die Emigration nach Chile zu seiner dort bereits lebenden Frau – zehn Reichsmark durfte er dabei mitführen. Offensicht­lich war es Grawi auch möglich, Marcs „Füchse“aus dem Reichsgebi­et herauszusc­hmuggeln. In Südamerika angelangt, verkaufte er jedenfalls im darauffolg­enden Jahr das Gemälde in New York, für welche Summe ist nicht bekannt. Heutzutage wird das Bild auf einen aktuellen Wert von mindestens 14 Millionen Euro geschätzt.

2015 forderten die Erben des bereits 1944 an Krebs gestorbene­n Grawi die „Füchse“von den Düsseldorf­er Kunstsamml­ungen zurück. Die Stadt gab dem Ansinnen nicht statt, schien doch der Fall klar zu sein: Grawi hatte das Bild aus dem Einflussbe­reich der Nazis herausbrin­gen und auf dem freien

Markt verkaufen können. Doch die Erben ließen nicht locker, der Streit wurde schließlic­h der von beiden Parteien hinzugezog­enen Beratenden Kommission vorgelegt. Seit bald zwei Jahrzehnte­n versucht das unabhängig­e Beratergre­mium in derlei Fälle zu schlichten; seine Empfehlung­en sind freilich nicht bindend.

Die „Füchse“seien zu restituier­en, entschied vor einigen Wochen die Kommission unter dem Vorsitz des früheren Präsidente­n des Bundesverf­assungsger­ichts Hans-jürgen Papier – ein Votum mit einer Zweidritte­lmehrheit von sechs zu drei Stimmen. Nun hatte der Düsseldorf­er Stadtrat zu entscheide­n, ob er der Empfehlung folgen wollte. Er tat es am Donnerstag­abend mit einem einstimmig

Lange war der Fall in Düsseldorf anders gesehen worden. Die dortige umfangreic­he Provenienz­recherche hatte unter anderem ergeben, dass die Ehefrau von Kurt Grawi nach dem Krieg die Rückerstat­tung des Vermögens eingeforde­rt, dabei jedoch die „Füchse“gar nicht auf die Verlustlis­te gesetzt hatte. Unterm Strich könne kein durch die Verfolgung durch die Nationalso­zialisten bedingter Entzug des Bildes gesehen werden.

Die Beratende Kommission kommt zu einer anderen Bewertung. Zweifelsfr­ei sei der Verkauf des Gemäldes außerhalb des Zugriffs der braunen Machthaber erfolgt, und dabei sei wohl auch ein

gefassten

Beschluss. marktgerec­hter Preis erzielt worden. Dennoch geht die Kommission davon aus, „dass ein Rechtsgesc­häft außerhalb des Ns-machtberei­chs die Annahme eines Ns-verfolgung­sbedingten Entzugs nicht notwendige­rweise ausschließ­t“, wie es in einer Mitteilung heißt.

Im Hintergrun­d dieser Auffassung stehen die Prinzipien der sogenannte­n Washington­er Erklärung für die Rückführun­g von Kulturgüte­rn, die während der Ns-zeit entzogen wurden. Die Bundesrepu­blik folgt diesen Richtlinie­n – was sich unter anderem in der Einrichtun­g der Kommission niederschl­ug – und hat zusammen mit den Bundesländ­ern und den Kommunen in einer „Handreichu­ng“Präzisieru­ngen erarbeitet. Darin wird unterschie­den zwischen Kulturgüte­rn, die von den Nazis beschlagna­hmt oder unter Zwang weit unter Wert verscherbe­lt wurden – und solchen, die nach einer Flucht im Ausland verkauft wurden.

Dass Kurt Grawi die „Füchse“nicht aus freier Laune, sondern unter dem Zwang seiner von den Nationalso­zialisten entzogenen Existenzgr­undlage in den Verkauf gegeben hat, ist nicht nur eine nachvollzi­ehbare Argumentat­ion, sie ist auch, in der Begründung der Kommission, „fair und gerecht“. Und doch hat die Empfehlung zur Rückgabe nicht nur Zustimmung, sondern auch lautstarke Kritik heraufbesc­hworen.

Befürchtet wird, dass damit ein Präzedenzf­all geschaffen worden sei und der Kreis der für Restitutio­n infrage kommenden Kunstwerke sich nun erheblich ausweiten werde. Und das nicht nur in künftiger Sicht, sondern auch rückwirken­d: Vor einigen Jahren hatte die Kommission in einem vergleichb­aren Fall, bei dem in den USA ein Bild von Lovis Corinth verkauft worden war, von einer Rückgabe-empfehlung abgesehen. Der Fall könnte nun neu aufgerollt werden, wird befürchtet, wie überhaupt Museen mit neuen Forderunge­n rechnen müssten.

Gut möglich also, dass die Beratende Kommission sich mit ihrer Empfehlung im Fall der „Füchse“selbst neue Arbeit zugeschanz­t hat. Ist sie doch hierzuland­e die einzige Anlaufstel­le, die im Sinne der Washington­er Erklärung einen schlichten­den Spruch zumindest empfehlen kann. Anders als etwa in Österreich, wo die Rückgabe von Kunstwerke­n, die während des Nationalso­zialismus entzogen oder unter Druck verkauft wurden, schon seit mehr als zwei Jahrzehnte­n mit einem eigenen Gesetz geregelt ist, hat sich die deutsche Bundesregi­erung bisher nicht zu diesem Schritt durchringe­n können. Wie schlüssig hierzuland­e die Kommission­sempfehlun­gen auch immer sein mögen, rechtsverb­indlich sind sie nicht: Am Ende liegt immer die Entscheidu­ng im Ermessen des heutigen Besitzers. Eine unbefriedi­gende Situation, die auch weiterhin für Diskussion­sstoff sorgen wird.

 ?? Foto: Marcel Kusch, dpa ?? Bisher ein Glanzstück der Kunsthalle Düsseldorf: Franz Marcs „Füchse“. Nun hat die Stadt beschlosse­n, das 1913 entstanden­e Ge‰ mälde an die Erben des einstigen Besitzers zurückzuge­ben.
Foto: Marcel Kusch, dpa Bisher ein Glanzstück der Kunsthalle Düsseldorf: Franz Marcs „Füchse“. Nun hat die Stadt beschlosse­n, das 1913 entstanden­e Ge‰ mälde an die Erben des einstigen Besitzers zurückzuge­ben.

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